Bereitschaftsbeitrag

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13. Mai 2022

Koordinierte Vorhaben

Im vorletzten Beitrag beschäftigte ich mich mit koordinierender Rede und der Delegation ihrer Regelung und gab meinem Mißfallen darüber Ausdruck, daß die Koordination zunehmend durch Delegation verdrängt wird, was aber ein viel breiteres Phänomen ist, und um es wenigstens in einem Feld, nämlich jenem der Vorhaben, vollständig zu erfassen, werde ich hier eine vollständige Dialektik der koordinierten Vorhaben angeben.

Koordinierte Vorhaben beruhen auf Zusagen. Die erste Unterscheidung, welche wir machen, ist, ob die Zusagen ordensbildend sind, oder ob sie der Gesellschaft entspringen, also ob die Gemeinsamkeit eine aktiv gesuchte oder eine sich passiv eingestellt habende ist.

Ist letzteres der Fall, so unterscheiden wiederum zwei Arten von Zusagen, nämlich einerseits innergesellschaftliche und andererseits zwischengesellschaftliche. Innergesellschaftliche Zusagen sind
  • Umgangserleichterungen,
welche darin bestehen, sich gegenseitig jene Haltung zuzusagen, welche die gesellschaftlichen Interaktionen in der Summe für die Partizipanten am leichtesten zu bewältigen gestalten. Beispiele sind etwa, der Verbrechensbekämpfung als Zeuge bereitzustehen, oder erst die Ware zu liefern und dann das Geld zu nehmen, Ietzteres da es
  1. meistens leichter ist, sich mit dem Geld aus dem Staub zu machen, als mit der Ware,
  2. umsonst geleistete Arbeit weniger schmerzhaft ist als der Verlust von Ersparnissen, insbesondere für Alte, und es
  3. dem Anbieter grundsätzlich geziemt, sich dem Kunden gegenüber dienstfertig zu zeigen.
Freilich, nicht immer zeigen sich die Leute umgänglich, Esten, beispielsweise, haben prinzipiell nie etwas gesehen und wollen immer erst das Geld haben, aber es ist sehr töricht zu glauben, daß sich der Umgang dadurch über das Maß dessen, was sich die Leute an Umgangserleichterung zuzusagen bereit sind, erleichtern ließe, daß eine geeignete Instanz damit beauftragt würde, etwa Google damit, die mangelnde Bereitschaft, vor Gericht als Zeuge zu erscheinen, auszugleichen. Eine derartige Delegation der Umgangserleichterung an Suchmaschinenbetreiber, Handyhersteller oder gleich das NKWD zerstört eine Gesellschaft. Das einfache Gesetz ist, daß eine Gesellschaft sich selbst nicht aussuchen kann, sondern mit sich selbst zurechtkommen muß.

Zwischengesellschaftliche Zusagen hingegen sind
  • Beistandsschwüre,
wie bei der Verteidigungsbereitschaft einer Nation oder der Streikbereitschaft einer Gewerkschaft. Auch hier ist es töricht, das zu delegieren, was nicht koordiniert wird, etwa die Landesverteidigung an Söldner, wiewohl Imperien natürlich immer auf den Schultern von Söldnern ruhen, womit sie sich zugleich als Auftraggeber gewaltsamer Unterdrückung definieren lassen.

Und damit kommen wir zu den ordensstiftenden Zusagen. Hier beruht die Klassifikation auf den (Neben-)Ordnungsarten, Ermächtigung, Partnerschaft und Bildung, insofern Orden stets eine dieser zu gestalten trachten. Allerdings ist bei der Partnerschaft eine zusätzliche Unterscheidung zu machen, nämlich ob die inneren Beziehungen der Partner gestaltet werden oder ihre äußeren.

Ermächtigungsgestaltende Orden sind
  • Standgestaltungen,
wobei Stand den Stand der eigenen Ermächtigung bezeichnet. Standgestaltungen sind die zentralen Elemente meiner gesamten gesellschaftspolitischen Überlegungen, welche ich bisher als wirtschaftlichen Ankern verpflichtet umrissen habe. Und fürwahr, indem Familien dafür Sorge tragen, daß das Gehöft (Heim) von einer Generation an die nächste übergeben wird, gestalten sie ihre eigene Ermächtigung (durch Ressourcen), und entsprechend läßt sich auch die eigene Ermächtigung durch Werkstätte gestalten, wenn zu diesem Zweck, wie im zuletzt verlinkten Beitrag beschrieben, Werkmächte gebildet werden. Da es Werkmächte bisher gar nicht gibt, können sie auch nicht verdrängt werden. Aber die Vererbung wird in der Tat durch fürsorgliche (soziale) Politik ersetzt, also an Sozialpolitiker delegiert und von diesen an die ihnen Unterstellten.

Die die äußeren Beziehungen einer Partnerschaft gestaltenden Orden verschiebe ich an den Schluß dieser Betrachtung, da dort mehrere Dinge zusammenkommen. Ihre inneren Beziehungen gestaltende Orden sind
  • Ensembles.
Bei einem Ensemble geht es immer darum, gemeinsam Arbeiten zu bewältigen, welche sich alleine nicht bewältigen lassen. Beispiele sind Musik- oder Theatergruppen, aber beide sterben aus, letztere wohl zuerst. Einst gab es sogar Ensembles, welche Kathedralen bauten, jedenfalls wenn man den Freimaurern glauben darf, aber heute ist die Vorstellung, daß ein Autokonzern, beispielsweise, einem Ensemble den Auftrag geben würde, in einer ihm zur Verfügung stehenden Werkstatt eine vorab vereinbarte Anzahl von Autos zu bauen, doch entschieden fremdartig. Und der Grund dafür mag nicht zuletzt darin liegen, daß es auch keine Musikgruppen mehr gäbe, wenn sich Musikgruppen als GmbH gründen müßten und die arbeitsrechtlichen Bestimmungen erfüllen - insbesondere was Altersvorsorge und Krankenversicherung beim Kathedralenbau angeht, möchte ich gar nicht wissen, über welches Grundkapital die einstigen Freimaurer verfügen hätten müssen. Und also werden Ensembles durch Anstellungsverhältnisse verdrängt, in welchen die Gestaltung der inneren Beziehungen der Belegschaft an Vorgesetzte delegiert wird, etwa im Falle des Staatstheaters an den Regisseur. (Ich, Parmenides, Alpha und Omega der Freimaurerei.)

Bleiben also einstweilen die bildungsgestaltenden Orden, welche
  • Schulen
sind. Zwar macht es durchaus einen Unterschied, ob es dem Orden um seine innere Schulung geht oder um äußere, aber Schulen sind es doch in beiden Fällen. (Einen Unterschied, welchen man auch bei den Standgestaltungen machen kann, aber wiederum ohne daß sich das Phänomen ändert.) Da nur Gebildete bilden können, ist die Delegation der Bildung an einen Auftraggeber bisher schwachsinnig, was sich allerdings ändern würde, sobald die künstliche Intelligenz die natürliche überflügelte. Das mag selbst schwachsinnig scheinen, da doch Eltern die Bildung ihrer Kinder an Lehrer zu delegieren scheinen, aber das ist streng genommen falsch, da ein Lehrauftrag voraussetzte, daß das Ziel genau bestimmt wäre, stattdessen es dem Orden der Gebildeten überlassen bleibt, die Ziele festzusetzen, und wenn sich etwa Humanisten mit Technikern streiten, so ist das ein Kampf zweier Strömungen einer Schule.

So, bleiben also abschließend jene Orden, welche ihre äußeren Beziehungen gestalten. Hier ist die entscheidende Frage, wodurch ihnen das überhaupt möglich wird: Wodurch kann ich jeden dazu bringen, sich mir gegenüber zu verhalten, wie ich es will? Und also besitzen solche Orden entweder
  • überlegene Gewalt,
  • Monopole oder
  • unabweisbares Recht,
wobei der Unterschied zwischen einem Monopol und einem Kartell darin besteht, daß ein Kartell auf Beistandsschwüren beruht, also seine Mitglieder passiv zu einander gefunden haben, wohingegen ein Monopol aktiv zum Zwecke der Gestaltung seiner äußeren Beziehungen angestrebt wurde. Beispielsweise ist es der Kirche nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches gelungen, ein Wissensmonopol zu errichten, welches es ihr erlaubte, ihre Beziehungen zu den europäischen Königshäusern wunschgemäß zu gestalten. Eine Delegation findet in diesem Fall selbstverständlich nicht statt, da niemand jemanden damit beauftragt, ihn in fremdbestimmte Beziehungen zu zwingen, und dazu kommt es zwangsläufig bei überlegener Gewalt, Monopolen oder unabweisbarem Recht. Durch die Gestaltung ihrer äußeren Beziehungen hat die Kirche die Kernordnung der gesellschaftlichen Ordnung (auch schlicht Organisation genannt) des Abendlandes in der zweiten Phase des Glaubenszykels verwirklicht, und eine erfolgreiche Gestaltung aller gesellschaftlichen Beziehungen kann auch nur in der zweiten Phase des Glaubenszykels durch eine Kirche erfolgen.

Eine Schule, welche über ein Wissensmonopol verfügt, heißt eine Universität, womit gesagt ist, daß sich niemand anders bilden kann, als auf ihre Weise. Im Zeitalter der Wunder kann es keine Universitäten geben, da seine Erfahrungen dem Einzelnen überlassen sind, und im Zeitalter der Werke muß es sie geben, da die Gemeinschaft ihre Entwicklung durch grundlegende Entwicklungsmuster versteht, welche dem Verhältnis verschiedener Schulen zu einander nicht gerecht werden können. Interessanterweise ist es gerade der Notwendigkeit, das Bildungsmonopol aufrecht zu erhalten, zu verdanken, daß die Differenzen im christlichen Glauben durch den materiellen Determinismus aufgelöst wurden, welcher sich jetzt durch die künstliche Intelligenz gegen die ihmgemäß Gebildeten wendet.

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