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21. März 2024

Zynismus

Nach dem vorigen Beitrag reißen Laster ein oder wir fallen in sie zurück, doch nicht immer ist das umgangssprachlich so ganz klar, etwa wenn es um Faulheit geht, obwohl es ja schon klar ist, daß Faulheit untergräbt und sich nicht vermißt, so daß wir also auch in sie zurückfallen, wenn wir unsere Hoffnung verlieren oder unsere guten Vorsätze vergessen, und sie nicht etwa als der Konsum einer verbotenen Frucht einreißt.

Ich schicke diese Betrachtung voraus, weil Zynismus der Faulheit oftmals sehr ähnlich zu sein scheint, insofern beide zu resignieren scheinen, aber dies täuscht, da Zynismus oftmals Mittel zum Zweck ist, nämlich indem er entweder
  • durch abstoßende Bemerkungen die Leute vergrault, um von ihnen in Ruhe gelassen zu werden, oder
  • sarkastisch Widerspruch provoziert,
und wie wir an diesen beiden Anwendungen bereits erkennen, wenn wir sie für sich betrachten, muß der eigentliche Zynismus, welcher keinen anderen Zwecken dient, etwas wahrlich Schlechtes sein, nämlich, um uns nicht länger dumm zu stellen, die eigene Verantwortung für andere Menschen aufzugeben und rücksichtslos von ihrer Schwäche zu profitieren.

Ich möchte im folgenden die Bundesrepublik Deutschland als Fallstudie betrachten, aber nicht direkt unter dem Aspekt des Zynismusses, sondern unter dem Aspekt der Selbstbegrenzung der Politik, welcher seit Gerhard Schröder mit ersterem zusammenhängt.

Adolf Hitler höchstpersönlich führte in Mein Kampf das Konzept der Selbstbegrenzung der Politik ein, da Politiker nunmal keine Fachleute in den Angelegenheiten des Lebens sind, welche es ausmachen. Die einzige Aufgabe der Politik bestehe demnach darin, das mit seiner Arbeit und seinen Anliegen beschäftigte Volk vor systematischen Freibeutern zu schützen, welche es gezielt in Notlagen brächten, um es auszupressen, und sich ansonsten von den produktiven Teilen des Volks in Wirtschaftskammern und durch Schriftstellerverbände beraten zu lassen und, um hier keinen blinden Fleck bestehen zu lassen, richtigerweise auch von Wissenschaftsräten.

An diesem hehren Selbstverständnis der Politik hielt die Bundesrepublik Deutschland bis Helmut Kohl fest. Zwar wirkte Willy Brandt in viel öffentlicherer Weise als politische Wetterfahne als alle anderen Bundeskanzler, aber auch er hielt sich noch an die Rolle eines Moderators, welcher lediglich den Geist, welcher seinerzeit das Volk erfaßte, organisiert, und außerdem kam er schließlich über der Guillaume-Affäre zu Fall und Helmut Schmidt kehrte zu einer gediegeneren Amtsführung zurück.

Was nun Gerhard Schröders Amtszeit auszeichnet ist, daß die Politik und die Wirtschaft zu dem Schluß kamen, daß ihre Probleme nicht mehr im Rahmen der politischen Selbstbegrenzung und der Gewährung verläßlicher sozio-ökonomischer Verhältnisse zu lösen wären, sondern daß es des aktiven Kampfes der Politik bedürfe, um wirtschaftsfreundliche Verhältnisse zu schaffen, nämlich
  • der Privatisierung von Energiewirtschaft, Bahn, Post und Fernmeldewesen zum Staatsschuldenabbau,
  • der Zusammenlegung von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe und nicht zuletzt
  • der Subventionierung von Niedriglohnarbeit im Rahmen des Arbeitslager-, äh, Aufstockermodells
- es ist schon recht, die Subventionierung der deutschen Industrie durch von der Schutzstaffel vermietete Arbeitssklaven hier anzusprechen, um zugleich dem Faktischen gegenüber dem Idealen etwas mehr Gewicht zu verschaffen, als auch die unter Schröder stattgefunden habende Neupositionierung von Politik, Volk und Wirtschaft zur Kenntlichkeit zu entstellen.

In diesen Jahren, so gegen '98-'99, kam ich angesichts des offensichtlichen Irrsinns, Staatsgrundlagen zur einmaligen Tilgung von Staatsschulden zu privatisieren, und später auch über dem Spektakel, daß die Presse die Erzielung eines Rekordpreises für die UMTS-Frequenzen bejubelte, welcher nichts anderes bedeutete, als daß die Deutschen höhere Telephongebühren bezahlen werden mußten als alle anderen, zu dem Schluß, daß der Zynismus in Deutschland flächendeckend eingerissen war.

Ich möchte den Zynismus hier aber wie gesagt nicht in den Mittelpunkt stellen, sondern die Selbstbegrenzung der Politik, welche Gerhard Schröder aufgab, indem er die Menschen in eine Zeit und auf ein neues wirtschaftliches Spielfeld führte: Gäbe es heute etwa noch die Post, müßte sich niemand von Jeff Bezos sein Geschäft vorschreiben lassen, wiewohl es natürlich auch Viele freuen dürfte, daß Bezos die Preise drückt.

Schröder hat damit eindeutig die Idee, daß das Volk aus sich heraus den Impuls bildet, welcher es in seine Zukunft führt, beerdigt, aber er sah sich immerhin noch als Teil einer modernen Elite, welche das Nötige für es übernimmt, und welche ihrerseits eine positive Auslese aus ihm, wie etwa seine Bischöfe, darstellt.

Eine solche Auslese hat aber nie existiert, sie wurde nie kodifiziert, es kamen lediglich verschiedene Interessenvertreter ad hoc zusammen, und deshalb bestand Angela Merkels ganze lange Amtszeit darin, diese Interessen zusammenzuhalten und nun gänzlich autokratisch über das Wohl des Landes zu wachen, indem sie mal diesen schmierte und mal jenen mit Erlässen ruhigstellte.

Mittlerweile sind die Grünen an der Macht, und sie verstehen sich nicht nurmehr als Sachwalter, weder als Teil einer Elite, noch als einzig ehrlicher Makler, sondern vielmehr als ein Engelsheer, welches die Erde vom Abschaum der Menschheit befreit (and purifies the earth of the filth of Brutals), und jene, welche wissen, daß die eigenen Vorwände dafür maßlos übertrieben, wenn nicht gar erlogen sind, haben dem Zynismus ihre Seele gänzlich hingegeben, weshalb es bei diesem Unterfangen besser ist zu warten, bis die Lage so klar wie von einem Blitz erleuchtet wird.