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3. Oktober 2024

Zum Einfluß der Produktionsverhältnisse auf die politische Ordnung

Zumindest im Zeitalter der Werke wird die Abfolge der Herrschaften der Rücksichtslosigkeit, Achtung und Unvernunft durch die Produktionsverhältnisse bedingt:
  • die feudale Gesellschaft ermöglicht langfristige gesellschaftliche Projekte auch unter mühsamen Produktionsbedingungen,
  • die bürgerliche Gesellschaft ermöglicht die Berücksichtigung der Anforderungen komplexer Produktionsverhältnisse und
  • die Wett(er)gesellschaft ist den Erfordernissen der Massenproduktion angepaßt (wie gesagt seit John D. Rockefeller).
Sowohl mit dem Adel, als auch mit dem Bürgertum verbinden sich anmutige Vorstellungen, welche sie davor bewahren, in Fehden zu versinken, beim Wetten hingegen erodieren diese naturgemäß, woraus sich der Schluß ziehen läßt, daß die der Gesellschaft der Wettenden zugrundeliegenden Produktionsverhältnisse mit der menschlichen Ethik unvereinbar sind, und es also ethisch geboten ist, sie zu transformieren.

Aufgrund der marxistischen Prägung der Kapitalismuskritik werden die soziopathischen Deformationen der Wettgesellschaft dem bürgerlichen Individualismus angekreidet. Daß eine Gesellschaft, welche auf mühsame körperliche Arbeit angewiesen ist, um den nächsten Winter zu überleben, und dabei noch Kathedralen bauen soll, ganz zu schweigen von einer, welche zusammen jagt und konkurrierende Raubtiere vertreibt, sich keinen aufgeklärten Individualismus leisten kann, sondern allenfalls von ihm träumen, liegt auf der Hand, aber in wiefern gelingt es uns besser, mit der Automatisierung umzugehen, wenn wir uns gegenseitig Vorschriften machen?

In wiefern verbessert sich unser Einsatz von Programmen, wenn wir uns selbst an Programme halten?

Marx' Analyse ist technisch überholt, insofern er die Automatisierung ausschließlich als Mittel der Befreiung von körperlicher Arbeit begreift. Wie Rockefeller möchte er dem Bürger (Arbeiter) das beste Angebot machen: moderne Maschinen im Volksbesitz ohne wertabschöpfende Profiteure für die bequemste Herstellung all dessen, was zum Leben gehört. Der bürgerliche Individualismus ist in diesem Modell nur deshalb ein Feind, weil er sich eigensinnig dem Gemeinwohl verweigern könnte. Aber abgesehen vom Aspekt der Besitzstandswahrung, also sich nicht auf gut Glück berauben lassen zu wollen: Welche Einwände hätte er schon gegen eine bequeme Versorgung mit dem, was zum Leben gehört, vorzubringen? Welcher politische Widerstand würde sich gegen Verträge regen, welche sicherstellten, daß niemand übervorteilt wird? Nur wenn die Bürger für Kriminelle gehalten werden, ist ihr Individualismus ein Problem.

In einer bürgerlichen Gesellschaft hat das Wissen eines Schusters eine konkret spürbare Bedeutung. In einer Wettgesellschaft zählt nur, zur rechten Zeit richtig zu investieren, und die Kommunisten sind auch nur so ein Investor, welcher verspricht, die Produktion umzukrempeln, dann aber anschließend die Belegschaft gefangen hält - bestenfalls in einem goldenen Käfig und ohne größeren Widerstand.

Es ist diese Praxis, erst rauben, dann einsperren, in welcher der Individualismus erst zum Problem wird, nämlich zum Problem für die Regierenden, die Ideologie muß ihn nicht fürchten und kann sogar im Vertrauen auf ihn realisiert werden.

Heute gibt es in weiten Teilen der Welt keine schwere körperliche Arbeit mehr, und die Welt braucht weder Marx, noch Musk als Großinvestor. Das Wetten auf den skalierten Markt erfolgt aus ökonomischer Notwendigkeit und nicht aus menschlichen Gründen. Musk bewahrt uns mit Tesla nicht vor stickiger Luft, wie er sagt. Das ganze CO2, welches durch die Verbrennung von Öl freigesetzt wird, war schon einmal in der Luft, und damals gab es auch schon Säugetiere, und sie hatten gewiß nicht die ganze Zeit Kopfschmerzen, denn dann wären sie ausgestorben.

Von der Art sind alle vorgebrachten Erklärungen: Das fortgesetzte Wetten auf das nächste Massenprodukt  erfolgt nicht aus menschlichen Gründen, sondern weil bei der Reise nach Jerusalem nur der einen Stuhl ergattert, wer weiterhin ein Massenprodukt auf dem Markt hat, bis am logischen Ende Androiden alles, einschließlich sich selber, herstellen. Und trotzdem fällt den Heutigen nichts anderes ein, als mehr Atomkraftwerke für künstliche Intelligenzzentren zu bauen.

Und vor diesem Hintergrund bemüht die kapitalismuskritische Fraktion die individualistische Rhetorik von Soziopathen als Vexierbild, um das Gewissen der Menschen zu verunglimpfen. Ist von ihnen also größere Menschlichkeit zu erwarten? Man sollte Haß nicht übertragen. Das Problem ist die Furcht des Menschen vor dem Menschen und zu was sie ihn bringt.

Soziologisch gesehen werden die Alten immer mehr und zugleich schwächer, und die Jungen verlieren zunehmend ihren Begriff des Normalen: Fast so, wie ein Soldat der Wehrmacht in einem Interview einmal meinte, als er sagte, daß die Jungen in den letzten Kriegsjahren nur noch Niederlagen erlebten und das nicht gut für die Einstellung sei. Ich schreibe das alles noch einmal in dieser Form aus polemischen Gründen: Zu Wenige werden mich lesen, und ohne mich gelesen zu haben, muß es hinreichend einfach ausgedrückt sein, um verstanden zu werden.