Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

26. November 2024

Zur Bedingtheit der Politik durch Anpassungszwänge

Jede politische Ordnung gibt einen Rahmen vor, in welchem sich jene, welche sie anerkennen, an die Schwierigkeiten des Lebens anpassen. Dieser Rahmen könnte ihnen diese Anpassung theoretisch sogar erschweren, tut es aber selbstverständlich nicht, da die Anerkennung der politischen Ordnung nicht grundlos erfolgt, so daß er ihre Anpassung an die Schwierigkeiten des Lebens also erleichtert, und wenn sich diese Erleichterung einmal als unzureichend herausstellen sollte, so besteht das erste sie betreffende politische Gebot darin, neue Anpassungsprozesse so zu ordnen, daß sie nicht nur zureichend werden, wo ihre Vorgänger unzureichend waren, sondern auch jener Zureichendheiten bewahren.

Zum ersten wird die Politik von der Anpassung also zum Bewahren der Funktionalitäten des Bewährten gezwungen, ohne welches sie ihr nicht gelingen kann, weshalb eben auch die Medien wie von der Kanzel predigen, Rechtsanwälte Beichten abnehmen und Ärzte Hände auflegen (wenn auch nicht auf die Stirn, sondern die Hand des Patienten), um ein allgegenwärtiges Beispiel solchen Bewahrens zu geben.

Zum zweiten zwingt die Notwendigkeit verschiedener politischer Ordnungen, sich an einander anzupassen, sie zur Verstetigung ihrer Beziehungen zu einander, um die gegenseitige Anpassung zu entschleunigen, denn mit der Häufigkeit steigt die Schwierigkeit der Anpassung, mit der Schwierigkeit ihr Mißerfolg und ihr Mißerfolg bedeutet das Walten physischer Gewalten.

Interessanterweise beginnt das Tao just mit diesem Aufruf zur Entschleunigung, was genau dann nur natürlich ist, wenn die Untertanen als überwiegend ungehorsam angenommen werden, da dann ja nur Anpassungen zwischen ihnen stattfinden und keine an die politische Ordnung.

Europa versucht heute, an der bestehenden politischen Ordnung festzuhalten, während sich andere Weltgegenden, unter ihnen die Vereinigten Staaten und Rußland, gezwungen sehen, sich an den Zeitenlauf anzupassen, und das ist absehbar keine gute Strategie, da Beziehungen nur beidseitig bestehen können und es zur Etablierung neuer Beziehungen nötig ist, ein dementsprechendes Bedürfnis unter den die eigene politische Ordnung Anerkennenden zu wecken. Freilich, die Leute verfolgen stets ihr Interesse, aber die politische Klasse scheint sich völlig von dieser Betrachtungsweise gelöst zu haben, wiewohl sie ihre Zustandsänderungen durchaus noch instinktiv einzuordnen weiß.

Ich habe freilich auch nichts anderes von ihr erwartet. Die Probleme unserer Zeit zwacken die Großen, denn es sind Probleme der Verantwortungsübernahme. Die Kleinen versuchen den Großen möglichst wohlgefällig zu dienen. Und naheliegenderweise glauben sie, daß sie sich dazu als der bestehenden Ordnung unverbrüchlich loyal erweisen sollten, indem sie darauf warten, daß ihnen angepaßte Beziehungen angeboten werden. Das Problem damit ist nur, daß diese dann unter Umständen unerträglich sind.

In jedem Fall wird der Anpassungszwang auch weiterhin ständig zunehmen, und mit ihm droht der Welt zunehmend das Walten physischer Gewalten, an welchen politische Ordnungen zerbrechen. Es gibt zwei denkbare Auswege aus dieser Lage: Entweder den Weltstaat oder eine neue Qualität der zwischenstaatlichen Beziehungen. Ich plädiere bekanntermaßen für letzteres. Das Problem mit ersterem ist natürlich die allgemeine Anerkennung einer universalen politischen Ordnung, aber daß unsere aus der Tradition der katholischen Kirche hervorgegangenen politischen Organisationen darin gerade kein Problem sehen, ist auch nicht weiter verwunderlich. Praktisch wird es natürlich nie zu einer solchen Wahl kommen. Die gegenseitige Bedrohung wird sich fortsetzen und das Leben holpriger werden, bis der Appetit auf universale politische Ordnungen schwindet und die einfachere Realisierbarkeit andersartiger zwischenstaatlicher Beziehungen den Ausschlag gibt.

Übrigens, wenn alles nach (dem öffentlich vorgestellten) Plan liefe, würde Trump in seiner nächsten Amtszeit international bald wie Margaret Thatcher angesehen werden und entsprechende Proteste hervorrufen, bis sich genügend starke Wirtschaftsinteressen hinter Elon Musk versammelt hätten, um neue internationale Beziehungen zu etablieren, wahrscheinlich so um 2030 herum. Die dadurch erreichte Anpassung an die Zeit, letztlich lediglich eine weitere angebotsorientierte Schraube gegen den nachfrageorientierten Trend, wird mit ihren 50 Jahren Umlaufzeit den beschleunigten Anpassungszwängen aber nicht genügen.

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