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2. Juli 2017

Ritualisiertes Gefallen

Nachdem ich im vorigen Beitrag die Bedeutung der rituellen Kultivierung des eigenen Gefallens für den Einzelnen und die Gesellschaft im Ganzen beschrieben habe, möchte ich in diesem die dazu nötigen konkreten Rituale nachreichen.

Ritualisierter Stolz.

Um uns rituell zu beweisen, daß wir auf etwas Stolz sein können, bieten sich zwei Wege an, welche sich in einigen Fällen, etwa bei musikalischen Darbietungen, auch verbinden können, nämlich erstens einen Teil der Welt zu verschönern  (weiter sollte man in einem Ritual nicht gehen, sonst werden doch nur Barabbasse begnadigt) oder zweitens etwas zu überwinden, sei es Furcht, Schmerz, Erschöpfung oder ein anderer Widerstand. Im ersten Fall gilt unser Stolz unserer Gestaltung der Welt und im zweiten unserer Gestaltung unser selbst.

Ritualisierte Wertschätzung.

Um es rituell zu beweisen, daß wir etwas mögen, sollten wir zu solchen Anstalten greifen, welche die Voraussetzungen dafür bilden, daß wir überhaupt einmal auf etwas stolz sein können.

Dies können spezielle Fertigkeiten sein, welche ohne besonderen Ehrgeiz verfolgt werden, Kalligraphie, Klettern, Dichtung, Komposition oder auch nur ein Spaziergang, welcher uns beim Denken hilft, oder auch Vergewisserungen der eigenen sozialen Beziehungen in entsprechenden Treffen, und seien sie zu Kaffee und Kuchen.

Oftmals genügt es dabei sogar, anstelle der Fertigkeiten und Treffen selbst, lediglich etwas Akzidentielles zu ergreifen, was wir mit ihnen verbinden, etwa eine spezielle Kleidung, was ohne Zweifel der Grund dafür ist, warum der Säbel zur Paradeuniform gehört, und ebenso den Grund für die Sorgfalt darstellt, mit welcher manche Frauen ihre Garderobe wählen.

Ritualisierte Liebe.

Das Ziel ritualisierter Liebe muß es sein, uns in eine Stimmung zu versetzen, in welcher wir unseren Frieden finden. Das kann individuell gesehen durch jede Erinnerung an einen geeigneten beseelten Moment geschehen, aber um dies gemeinschaftlich zu erreichen, muß das Ritual einen Zustand der gemeinsamen Bemühung um die ersten Dinge des Lebens herstellen, und dazu ist die gemeinsame Unterwerfung unter das Heilige zwingend erforderlich.

Im Gottesdienst etwa findet dies während des Singens der Kirchenlieder statt, aber nur weil sie im Gottesdienst gesungen werden, unter profanen Umständen erzielten sie diese Wirkung nicht.

Wir müssen uns gegenseitig unsere Bedürftigkeit versichern, unseren Wunsch, Frieden zu finden, und unsere Abhängigkeit von der Gnade der Inspiration.

Aber wo immer wir das tun, und sei es zu Beginn eines philosophischen Gesprächs zwischen zusammen Wandernden, stehen die Chancen gut, daß der Friede unsere Herzen findet und wir gemeinschaftlich unsere Liebesempfänglichkeit erfahren.

Ritualisiertes Glück.

Sinn und Zweck des Rituals an dieser Stelle ist es, die Erfahrung des Erfolges herbeizuführen, wie es Eltern oftmals mit ihren Kindern tun, und auch Streitkräfte haben schon in ihr Führungspersonal investiert, indem sie es besonders gut ausrüsteten, auch wenn das ein Fehler ist und das Augenmerk der Überlegenheit der kämpfenden Truppe gelten muß.

Indes, davon nicht mehr. Wer darniederliegt und den Glauben an sich zurückgewinnen will, sollte sich bewältigbare Aufgaben stellen und den Anspruch progressiv erhöhen. Wer indes beim Ritual bleibt, anstatt sich der Wirklichkeit zu stellen, macht sich lächerlich, was für das Glück weit mehr gilt als für die höheren Gefallen, bei welchen es auch weit weniger Anreiz dazu gibt.

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