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30. September 2016

Zur Meinungsfreiheit

Meinen und bewerten bedeuten recht eigentlich das selbe: Die Meinungsfreiheit ist also recht eigentlich eine Bewertungsfreiheit.

Interessanterweise nun gilt die Pressefreiheit als vornehmster Ausdruck der Bewertungsfreiheit, also die 'zig tausendfache Vervielfältigung bestimmter Bewertungen.

Aber diesen Aspekt möchte ich hier gar nicht weiter verfolgen. Wichtiger ist es mir, einen Begriff davon zu gewinnen, was wir bewerten.
  • Die Wahrscheinlichkeit,
  • die Ursachen,
  • die Folgen und
  • die Betroffenheit.
Daß zunächst einmal die Wahrscheinlichkeit einer Meldung bewertet werden muß, brauche ich nicht weiter zu erklären. Wenn aber eine Meldung erst einmal als faktisch eingeschätzt wurde, erfolgt zunächst ihre kausale Einbettung und anschließend ihre volontäre, denn dies sind die beiden Rahmen, welche wir benutzen, um uns in der Welt zu orientieren: ersterer gibt uns Aufschluß über die innere Dynamik der Welt und letzterer über das Verhältnis dieser Dynamik zu unseren Zielen.

Die Ursachen zerfallen, wenn man es genau nimmt, wiederum in die folgenden vier Unterklassen:
  • Zwecke,
  • Absichten,
  • Reize und,
  • Kräfte,
wobei der Unterschied zwischen einem Zweck und einer Absicht darin besteht, daß die Absicht das erfaßte Verhältnis um seiner selbst willen verfolgt, während es für den Zweck nur Mittel zum selben ist.

Diese Unterteilung stammt selbstverständlich von Arthur Schopenhauer und beruht auf der Unterscheidung der belebten und der unbelebten Natur, sowie der drei Seelenteile, hier in Gestalt von Vernunft, Verstand und Anschauung - ungeachtet dessen, was Schopenhauer dazu zu sagen hatte.

Und auch die Betroffenheit läßt sich ähnlich unterteilen. Wir erhalten somit:
  • Gewissensvereinbarkeit,
  • Ansehensbeeinträchtigung und
  • Annehmlichkeit.
Es fällt natürlich sofort auf, daß die Presse keineswegs alle Bereiche mit der gleichen Intensität verfolgt. Sie hat ihren Schwerpunkt bei den Zwecken und der Gewissensvereinbarkeit, wobei der Nutzen davon, von Journalisten über ihre Bewertung des Zwecks bestimmter Ereignisse oder der darauf basierenden Vereinbarkeit dieser Ereignisse mit ihrem Gewissen aufgeklärt zu werden, mir wie gesagt zweifelhaft erscheint.

Indes, eine Kirche, also eine Partei ergreifende Rechtsschule, muß zu diesbezüglichen Übereinkünften kommen, nur daß die derzeitige Organisation keiner Vertretung der Kirche durch lokale Bischöfe auf einem Konklave ähnelt, sondern vielmehr dem Buhlen der größten Eiferer um den größten Anklang - bestenfalls, wohlgemerkt, unter der Annahme einer freien und keiner gelenkten Presse, in deren Fall es sich nicht um das Buhlen um Anklang, sondern um die Vorgabe der Kirchenbewertung durch einen wie auch immer gearteten Kreis handelte.

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27. September 2016

Eigenständigkeit und Bündnisfreudigkeit und Gottergebenheit

Selbständigkeit bedeutet, aus eigener Initiative heraus zu handeln, Eigenständigkeit bedeutet, es sich leisten zu können, aus eigener Initiative heraus zu handeln.

Politik kann nur als das Geschäft der Regelung einer Gesellschaft Eigenständiger verstanden werden, denn in dem Begriff der Politik liegen implizit die Vorstellungen der Gestaltung und Selbstverpflichtung, und diese werden durch Uneigenständigkeit kompromittiert, derart, daß Überlebensstrategie den besseren Ausdruck für die gewonnene Regelung einer solchen Gesellschaft darstellt.

Politik ist aber der soziale Ausdruck der menschlichen Würde, namentlich die Anwendung der Vernunft auf den Bereich des menschlichen Zusammenlebens, und als solcher unhintergehbar: Jedes menschliche Leben muß von ihr ausgehen, und das heißt im besonderen, daß ein eigenständiges Überleben jedem uneigenständigen Leben vorzuziehen ist.

Die Funktion dieses Fundaments besteht indes darin, die freie Vereinigung zu erlauben, in welcher sich das menschliche Potential erst entfalten kann - abgesehen von einigen Beschäftigungen, bei welchen Verbindung keine Vorteile bringt, wie etwa dem Komponieren von Musik, aber auch da schon wieder bei derem Spielen.

Die Bündnisfreudigkeit ist also recht eigentlich der Wille des Menschen, zur Blüte seiner selbst zu gelangen, und ihr Fehlen eine Entwicklungsstörung, denn selbst wenn ein Mensch sich auf ein Feld verlegt, in welchem er aus eigener Kraft zur Blüte seiner selbst gelangt, wie etwa Ludwig van Beethoven, bleibt doch das Leiden daran, daß sie unerfüllt bleibt, die wesentliche Voraussetzung für diesen Erfolg, denn alle allein vollbrachten Werke, welche es verdienen, zur Blüte des menschlichen Geistes gezählt zu werden, sind darauf gerichtet, aufgegriffen und fortgeführt zu werden.

Indes ist alle menschliche Vernunft letztlich doch nicht mehr als geordneter Instinkt, in der Physik etwa, daß jeder Abweichung vom Gewohnten eine Abweichung vom Gewohnten voraufgehen muß, welche als die Ursache ersterer bezeichnet wird, wie Platon im Hinblick auf die Symmetrie der Kugelform und die Wirkung der Schwerkraft bereits vor 2500 Jahren ausführte, und dieses letzte Nicht-Wissen fordert vom Menschen, Glaubenssätze zu formulieren und sich ihnen anzuvertrauen.

Gottergebenheit ist die eigene Teilnahme an der Formung der Welt, denn erst durch sie gewinnt das Denken eines Menschen seine Form. Da freilich das Denken eines jeden Menschen noch stets eine Form besitzt, geht es hier praktisch gesehen nicht um die Existenz dieser Form, sondern um ihre bewußte Entwicklung durch Gewissensprüfung und Gebet: erstere für die Absage und letzteres für die Annahme.

Die Eigenständigkeit ist das Scharnier zwischen Bündnisfreudigkeit und Gottergebenheit, der Rahmen, durch welchen Gottergebenheit zu Bündnissen führen kann, und das gilt auch dann noch, wenn wir nicht idealerweise von einzelnen Menschen, sondern von Kollektiven sprechen, auch dann noch setzt das Beisammensein von Gottergebenheit und Bündnissen Eigenständigkeit voraus, denn Freiwilligkeit ist stets das Siegel des Gottgefälligen, wie Gottergebenheit sein Motor ist.

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25. September 2016

Kurz angebunden

An manchen Orten ist eine seltsame Anspannung verbreitet, eine grimmige Geringschätzung verbunden mit einer ängstlichen Zurückhaltung.

Teils kennen die Betroffenen verhohlene Ablaßventile, Akte der Bitterkeit aus der unruhigen Grundhaltung, und teils auch nicht, aber die aufgestaute Hilflosigkeit ist in beiden Fällen dieselbe: Dem Urteil ist die Regelung entzogen, Andere sind für das eigene Wohlergehen zuständig.

Der Zustand ist weder kindlich, noch jugendlich - erst der Erwachsene ist zur Aufgabe seiner ureigensten Jurisdiktion fähig, aber zieren tut es ihn nicht.

Es ist auch keine Sklaverei, der Verzicht ist freiwillig, wenn auch durch weltliche Gesetze bedingt.

Und doch ist es falsch: Wer gliederte die Gesellschaft auf diese Weise? Wer nahm den  Menschen die Freiheit, ihren Einsatz selbst zu ermessen? Wer setzte ihnen ein Kompensationengeflecht vor?

Was kann ein Mensch in diesen Banden erwägen? Doch nur die Variation des Geflechts, nicht aber die Voraussetzungen seines Friedens.

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21. September 2016

Flügel, um zu fliegen, Flügel, um zu verdunkeln

Es eilt zur Tat der vertagte Streit,
es hindert den Tag der vertane Streit.
Die Gestaltung der öffentlichen Dienste ist dem Ideal der Homogenität verpflichtet ordensmäßig organisiert: Verwaltungen mögen keine Schandflecken.

Die Finanzierung der öffentlichen Dienste ist der Anforderung der Effizienz unterworfen mannschaftsmäßig organisiert: Besteuert wird der Gewinn auf dem freien Markt.

Es fällt natürlich sofort auf, daß die Finanziers keinerlei Interesse am berufsethischen Ideal der Gestalter haben, sondern lediglich am Profil und der Qualität der bereitgestellten Dienste.

Dieses Arrangement wird also nur so lange halten, wie die Finanziers die Ausgleichsbemühungen der Gestalter nicht als deren Verunstaltungen ansehen.

Neben dem Abfluß der finanziellen Mittel in die niedersten Etagen führt der Homogenitätsanspruch noch zu einer weiteren Beeinflussung der angebotenen Dienste, indem ihre allgemeine Popularität zur zusätzlichen Voraussetzung ihrer Bereitstellung wird, und auch das schlägt sich in ihrem Profil und ihrer Qualität nieder, wie man es im nationalen Rahmen etwa an der Auseinandersetzung um das dreigliedrige Schulsystem erkennen kann.

Im internationalen Rahmen nun hätten wir es nicht nur mit gigantischen, sondern auch mit äußerst intransparenten Abflüssen zu tun, und die Forderung nach allgemeiner Popularität beschränkte den öffentlichen Dienst auf die Schnittmenge der sich ihrem Wesen nach spezifizierenden Natur, oder anders ausgedrückt: Die Welt nach dem national vorherrschenden Modell zu verwalten hieße, solidarisch über Loyalitätsgrenzen hinweg zu sein und seine Ansprüche an öffentliche Dienste auf den kleinsten gemeinsamen Nenner der Weltbevölkerung zurückzuschrauben.

Mit diesen Worten könnte ich diesen Beitrag wohl beschließen, doch sehe ich mich leider gezwungen, darauf hinzuweisen, daß Feindesliebe keineswegs die Solidarität mit Feinden meint, welche immer in Sachleistungen besteht, sondern den Einsatz für die für beide Seiten zuträglichste Lösung, deren Existenz gleich mitpostuliert wird.

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18. September 2016

Zum Beziehen

Was hat es schon zu bedeuten, daß wir uns auf die Welt beziehen?

Die Signifikanz liegt offensichtlich in den Prinzipien dieses Bezugs, daß wir ein Umfeld für uns erzeugen, welches unseren Handlungsmöglichkeiten angepaßt ist.

Signifikant ist die Tatsache, daß sich durch diesen Bezug unsere Erwartung, wie wir ihm begegnen, ausdrückt.

Signifikant ist, daß diese Einschätzung jedem Begriff vorangeht, und sei es in Form der nackten Erwartung.

Alles, was wir einsehen, ist Teil dessen, was wir erwarten, oder genauer gesagt in Beziehung setzen, denn wir können uns auch gegen unsere Erwartung besinnen, indem wir konstituierende Begriffe vorgeben, doch genau das erzeugt Schwindel: Die Erwartung daran zu hindern, sich auszudrücken.

Vorstellung und Erinnerung sind hingegen erlaubte, weil von ihr unabhängige, Abweichungen.

Freilich kann die Erwartung auch durch sensorische Überforderung daran gehindert werden, sich auszudrücken, und dies ist über den Umweg verminderter Kapazitäten auch bei Alkoholkonsum der Fall.

Beispiele anschaulicher, über die nackte Erwartung hinausgehender Einschätzung sind durch die Räumlichkeit des Gesehenen gegeben, wie sie im vorigen Beitrag besprochen wurde, durch die Belegung menschlicher Stimmen mit Eindrücken von Charaktereigenschaften, die Belegung des Geschmacks mit solchen von Schicksalsvorhersagen, wie wenn man Leichengift schmeckt, und die des Geruches mit denen des Lebensstadiums: Reifung, Dominanz, Verfall oder Krankheit.

Ein weiteres Beispiel ist durch die Belegung des Blicks mit dem Eindruck dessen, was der Blickende will, gegeben.

Das ist die Decke, welche auf der Welt liegt, und durch welche die Welt Gestalt annimmt, und wie stets wird ihr Bewußtsein in Form des eigenen Beziehens erst dadurch relevant, daß wir etwas gefunden haben, was den üblichen Rahmen verläßt, und zwar in unserer nackten Erwartung, und was wir im zunehmenden Bewußtsein seiner Art entwickeln, sowohl in der Besinnung auf das Erwartete, als auch im Anvertrauen seiner gestaltenden Weisheit.

Auf diese Weise begegnen wir dem Übersinnlichen, fragend und bittend.

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16. September 2016

Das Sehen von Geraden betreffend

Physiologisch betrachtet nimmt der Mensch nur die Richtung wahr, aus welcher ein Lichtstrahl in seine Augen fällt, und diese Projektion erhält Geraden nicht, da sie die Welt auf die Innenseite einer die Augen umschließenden Sphäre, gleich welchen hinreichend großen Durchmessers, projiziert.

Indes besteht die Anschauung auf dem euklidischen Raum und deutet die scheinbare Krümmung von Geraden räumlich, sofern sie über die dazu nötigen Anhaltspunkte verfügt.

Genauer gesagt besitzen wir einen Begriff gerader Abschnitte, welche unsere Blickrichtung senkrecht kreuzen, und diesen benutzen wir zur linearen Konstruktion des euklidischen Raumes durch Translation und inverse Projektion einschließlich Skalierung.

Die Unzuverlässigkeit der inversen Projektion zeigt sich in optischen Täuschungen, wie bei Nahaufnahmen von Miniaturen oder gewissen Bildern Maurits C. Eschers, aber auch die Translation besitzt natürliche Grenzen.

Die Milchstraße ist eine Ebene (genauer gesagt natürlich eine Schicht), welche die Himmelssphäre, das so genannte Firmament, in einem Kreis schneidet, und dessen sichtbaren Abschnitt vermögen wir nicht als Gerade aufzufassen, sondern erfassen ihn, gemäß seiner linearen Projektion auf die senkrechte Ebene zum Horizont, welche seine beiden Enden enthält, als halbe Ellipse.

Wir verlagern also hinreichend weit entfernte Objekte im euklidischen Raum in und unter die Himmelskuppel nach Maßgabe der erwähnten Projektion, sofern wir über die Anhaltspunkte zu ihr verfügen.

In anderen Fällen fassen wir Himmelsobjekte auch auf geschichteten Sphären liegend auf, etwa wenn ein Stern heller erscheint als ein anderer, wobei der Abstand der Schichten allerdings rein konzeptuell und nicht ermessend ist.

Dieser Verzicht auf Ermessung des Firmaments ist charakteristisch, wir verlegen uns auf seine bloße Beschreibung und benutzen dazu jedes verfügbare Mittel, welches dabei aber aller Inkonsistenz zum Trotz anschaulich gegenwärtig wird, worin der Taumel, welchen wir bei der Betrachtung des Sternenhimmels empfinden, begründet liegt.

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13. September 2016

Eine kleine geschichtliche Anmerkung zum Träumen

Der gestrige Beitrag verdient es, ein wenig historisch untermauert zu werden, und es gibt in der Tat eine Episode der Weltgeschichte, welche auch noch nicht allzu lange zurückliegt, in welcher es just um sein Thema ging, genauer gesagt darum, die Möglichkeit für öffentliches Träumen zu schaffen.

Ich hatte den Nationalismus schon zuvor als eine Art Ersatzkirche beschrieben, welche die Funktion der Identitätsbildung von der katholischen übernahm. Daß er diese Funktion aber überhaupt von ihr übernehmen konnte, lag daran, daß das Volk in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann, einen Rückgang an der ihm gewohnten Möglichkeit öffentlich zu träumen festzustellen, welchen es ganz zutreffend mit den ihrem Wesen nach technizistischen Institutionen der aufkommenden Urbanität verband, welche sich nicht um diese kulturelle Dimension scherten und scheren.

Was Menschen wie Friedrich Smetana und ganze Völker wie die Norweger, Finnen und Tschechen dazu brachte, ihre Namen zu ändern, neue Sprachen zu erfinden und fremde zu lernen, war die Aussicht, diese defizitären Organisationen einem homogenen unorganisierten Rahmen unterzuordnen, dessen Homogenität es auch dem Unorganisierten erlauben würde, sich zu verständigen, und welcher auf diese Weise das öffentliche Träumen wieder erlaubte.

Freilich, dies waren Abwehrreaktionen auf dänische, schwedische und deutsche Vorherrschaft, aber das tut gar nichts zur Sache: Die Träume der anderen waren nicht zugänglich, und die urbanen Institutionen befassen sich nicht mit diesem Punkt, und die einzige Aussicht auf die Wiedererlangung der Möglichkeit öffentlich zu träumen bestand in nationaler Homogenität.

Nationale Homogenität kann dabei freilich ganz unterschiedliche Züge tragen, gemeinsam ist ihr nur, daß sie stets durch staatliche Schulen verbreitet wird - und heute auch durch das nationale Fernsehen.

Doch handelt es sich eben, wie die Geschichte zeigt, um ein natürliches Phänomen, soll heißen, daß die Natur entscheidet, welche Träume verfangen und welche nicht, und daß, wo es keine Möglichkeit öffentlich zu träumen gibt, die Menschen in andere Strukturen fliehen.

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12. September 2016

Träumen als politischer Wegbereiter und Versander

Es kennzeichnet die indogermanische Kultur, daß sie zur Verpflichtung zu Ideen auffordert, welche ihrerseits den ethischen Aspirationen ihrer Mitglieder Gestalt geben, darin liegt die soziale Übereinkunft der Gestimmten und der Erwartenden*, der Sorge und der Achtung.

Der Weg zu dieser politischen Regelung führt aber notwendigerweise über die Erwägung der fraglichen Ideen und das Vehikel dieser Erwägung ist die öffentliche Hingabe an Fantasien, das heißt das öffentliche Träumen.

So sehr aber das Träumen der Wegbereiter aller Politik in der indogermanischen Kultur ist, so sehr ist es zugleich auch eine Gefahr für alle Politik in der indogermanischen Kultur, denn Träume, welche die Notwendigkeiten der Realität nicht hinreichend berücksichtigen, führen stets zur Versandung notwendiger sozialer Prozesse, so daß es oftmals zu geradezu lächerlichem Systemversagen in der indogermanischen Kultur kommt, welches allerdings oberflächlich und mit einiger Mühe behebbar bleibt, so lange die ständische Gliederung der fraglichen indogermanischen Gesellschaft in hinreichendem Maße auf Weltkenntnis beruht.

* das heißt der Leistungs- oder Umgangserwartenden, eine besondere Beziehung zum Erwarten als solchem, also dem Weltlieferanten der Lust, besteht nicht. Um dieser begrifflichen Ungeschicklichkeit auszuweichen ist es sinnvoll, von Fordernden anstatt von Erwartenden zu sprechen und entsprechend auch von Leistungs- und Umgangsfordernden.

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10. September 2016

Glauben für sich selbst oder andere

Es besteht der interessanteste Unterschied zwischen Otto Klemperers und John Eliot Gardiner's Einspielung der Missa Solemnis von Ludwig van Beethoven, erstere aus dem Jahr 1965, letztere aus dem Jahr 1989.

Technisch drückt er sich im höheren Tempo von Gardiner's Version aus, aber was dahinter steht ist folgendes:

Der Chor in Klemperers Fassung singt nicht für sich selbst, sondern für die Gemeinde, deshalb läßt er sich Zeit zu Verkündung und Aufruf, während er in Gardiner's im Fluß der eigenen Gefühle treibt.

Genauer gesagt verkündet der Chor in Klemperers das Erbarmen des Herrn, unwürdig wie die Gemeinde auch sein mag, die Ausschüttung findet statt, und anschließend ruft er die Gemeinde dazu auf, Gott die ihm gebührende Ehre zu geben, andernfalls mit Knüppeln nachzuhelfen wäre.

Dementsprechend drückt sich im Credo dann auch nicht die Freude über den eigenen Glauben aus, sondern über die wohlgeordnete Gemeinde.

Und wenn Gardiner im Sanctus zwischen Zärtlichkeit, Gelöstheit und Ekstase als Ausdrucksformen des Geheimnis' des Glaubens pendelt, dann zelebriert Klemperer die gelungene Befriedung im allgemeinen und daß die Gemeinde nun endlich zuhört im besonderen.

Den Abschluß macht das Opfer Jesu, Erdung, Öffnung und Erlösung bei Gardiner und heraufbeschworener, rituell angestochener und ausfüllender Geist bei Klemperer.

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7. September 2016

Vertigo

Banal fatal,
gemachte Nacht,
peinlich heimisch.

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5. September 2016

Der Werdegang der Hochreligionen

Die Rituale primitiver Völker richten sich auf das augenblickliche Gruppenwohl. Gott erscheint hier nicht als leitendes Licht, sondern als schmelzendes Feuer.

Der Grund hierfür liegt darin, daß diese Völker ihr Leben als Auseinandersetzung verstehen. Doch als Völker damit begannen, die Weite des Raumes und das zeitlich Ferne als Probleme für sich aufzufassen, verlagerte sich ihre Lebensauffassung hin zur Wappnung und Gottes Beistand hin zur Eingebung, und Gott wurde Licht.

Diese Verlagerung hinterließ indes eine Leere an der Stelle der so verwaisten Erfahrung der eigenen Erhörtheit, denn die Inspiration geht der eigenen Erfahrung stets voran, ohne daß wir je das bestimmte Gefühl hätten, daß sie uns erst aufgrund unserer sich gebildet habenden Fragen eingegeben werden konnte.

An dieser Stelle nun geht der Platonismus den Weg der Reflexion des eigenen Anklangs*, erwartet also kein Gehör, sondern postuliert, daß sich in unserer Wertung bereits sich vollziehende Wirkungen zeigen, also daß sich in Freud und Leid Schicksalsgötter ankündigen, in der Freude die Gunst und im Leid die Rache.

Auch wenn diese Ansicht so falsch nicht ist, da Gebete nicht bewußt ausgesprochen werden müssen, weicht sie doch der Frage nach der natürlichen Stelle, an welcher Gott nach unserer neuen Lebensauffassung anzurufen ist, aus. In dieser Ungewißheit sind einige Völker, insbesondere asiatische, dazu übergegangen, sich rituell Nöten auszusetzen, um die Erfahrung der eigenen Erhörtheit am Leben zu erhalten, und auch heute noch ist diese Übung verbreitet.

Doch nach einiger Zeit haben die Hochreligionen die Antwort auf jene Frage gefunden: In der Inspiration liegt ein Auftrag zur Wappnung, stoßen wir an die Grenzen unserer Möglichkeiten, ihm nachzukommen, ist es an uns zu beten. Die Krisis wird also vorverlegt, vom Augenblick der Auseinandersetzung zum Augenblick der Einsicht in das Unausweichliche, und das spirituell Relevante daran ist, daß Gott diese Vorverlegung erlaubt, daß er auch in dieser Lage als schmelzendes Feuer wirkt, welches neue Wege öffnet.

* Mein Sohn hat mir kürzlich das Ausmaß meines Anklangs vor Augen geführt: Er meinte, Weihrauch rieche nach Holzrauch, eine Orgel heule und die improvisierten Ornamente einer bedächtigen Melodie seien dem Wunsch zu lärmen entsprungen. Als ich zum ersten Mal Tristan und Isolde hörte, zeigte ich ein ganz ähnliches Unverständnis. Alle Dinge sind uns etwas, werden von uns zu etwas gemacht oder von uns entschlüsselt, und es ist durchaus befriedigend, diese Bedeutungen Revue passieren zu lassen, denn unweigerlich tritt uns auf diese Weise das vor Augen, wofür wir leben, und zwar als verfestigter Teil unserer eigenen Person.

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4. September 2016

Organisatorische Erfordernisse der Initiative und Transition

Die Initiative zu ergreifen bedeutet, die Bedingungen des weiteren Fortgangs zu gestalten, aber er schreitet nur fort, wenn die dazu nötigen Transitionen seinen Bedingungen genügen.

Eine initiative Organisation sucht also Bedingungen zu gestalten, während eine transitive Organisation Bedingungen zu genügen sucht, erstere Art blickt auf das Umfeld und letztere auf seine Anforderungen.

Jede Ermessung des Umfelds erfolgt nach der Maßgabe des Willens. Dieser aber verdankt seine organisationsbildende Übereinstimmung stets homogenen Rücksichten. Gelten diese Notwendigkeiten, so handelt es sich um einen Stand, gelten sie hingegen Möglichkeiten, so handelt es sich um einen Orden, die Lage bestimmt das Notwendige und das Wesen das Mögliche, die Übereinstimmung des Willens liegt in der Reaktion oder in der Option, die Welt befiehlt oder gehorcht.

Stände gestalten die Bedingungen ihres Umfelds also auf die Erleichterung der weltlichen Notwendigkeiten hin und Orden auf die Verbreitung der erwählten Lebensart, was sich zwar in der Sache nicht ausschließen muß, sehr wohl aber in der Haltung. Oft genug verengt es die Sache, wann aus einem gemeinsamen Problem dessen gemeinsame Lösung wird.

Stände und Orden geben sich also Gesetze und bestimmen dadurch die Bedingungen ihres inneren Umfelds, das heißt, sie schaffen sich Anreize, und Anreize schaffen sie auch für ihr äußeres Umfeld, sofern sie dessen Bedingungen zu gestalten suchen, was üblicherweise der Fall ist, aber sie gestalten es nicht direkt, denn dazu müßten sie den Bedingungen für dessen erfolgreiche Änderung genügen, und das erforderte wiederum eine andere Haltung, nämlich die der Mannschaft.

Das Richtige für sich zu wählen ist nämlich ein Luxus, welchen sich derjenige, welcher in der Welt vorankommen will, nie leisten kann. Vielmehr ist er auf die Wahl des Aussichtsvollen beschränkt, und es ist die Aussicht, daß sich die eigene Lage verbessert oder sich wenigstens möglichst wenig verschlechtert, welche die Bedingungen, seien es Erwerbs- oder Erhaltsbedingungen, mit sich bringt, denen zu genügen der übereinstimmende Wille der Mannschaft ist.

Wer also leistet, wählt sein Ziel nicht, und wer sein Ziel wählt, leistet nicht, sondern opfert anderen, damit sie in seinem Sinne leisten, und die Starrheit der konsensbildenden Haltung bindet den Einzelnen in einer der beiden Rollen.

Natürlich ist diese Bindung keine absolute, und es ist durchaus möglich, daß sich innerhalb eines Standes oder eines Ordens Mannschaften bilden und wieder auflösen, aber je mehr das einzelne Mitglied einer Organisation von den Vorzügen der organisationseigenen Haltung überzeugt ist, desto weniger neigt es dazu, seine Rolle zu wechseln, wobei die Erziehung heutzutage auf die lebenslange Annahme der Mannschaftsmentalität hinwirkt.

Freilich kann man jeden Haltungsdünkel der Lächerlichkeit preisgeben, indem man auf primitive Gesellschaften verweist, in welchen er sich beispielsweise darin zeigte, daß sich einer fortan nur noch als Ratsteilnehmer betrachtete, und nicht mehr als Arbeiter, Jäger oder Krieger, aber in unseren komplexen Gesellschaften mit ihrer Arbeitsteilung ist er keineswegs so unnatürlich.

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