Bad men will never compass their ends, as long as good men look on and do nothing.
Die Schafe sind die Bürger Smyrnas oder die Mitglieder eines Volkes, welche als solche ihre Haltung klären, um anschließend das Gute an ihrer Entwicklung zu bejahen und das Schlechte zu verneinen, wobei zur Klärung gehört, modische Vorhaben einzusetzen und sich über die Haltung zu verständigen.
Wenn es nun offenbar ist, was gut und was schlecht ist, und wenn die eigene Haltung diese Klarheit reflektiert, so kann jemand, der an die Rechtschaffenheit als Mittel der Begegnung, also als Pforte zum Reich Gottes glaubt, in keiner Weise zum Schlechten beitragen, sondern er kann sich zurücklehnen und abwarten, wie die schlechten Pläne an der klaren Gefaßtheit der das Gute zu mehren Suchenden zerschellt, nicht zuletzt, weil Gott mit ihnen ist.
Das Problem damit ist nur, daß es normalerweise nicht offenbar ist. Moderne Demokratien sind so verfaßt, daß es einen öffentlichen Diskurs gibt, welcher sich im Verbund mit den auf ihm fußenden Wahlen als Verständigungsprozeß eines Volkes auffassen läßt, demgemäß die Rechtschaffenheit es verlangt, sich an ihm zu beteiligen.
Um dies vollständig zu erfassen, muß ich indes auf die Unterscheidung zwischen intuitivem und prospektivem Fortschritt zurückkommen. Ich sagte, es könne keine prospektiven Gehießenheitsgefäße geben, da sie nach jedem Schritt weiter zerfielen. Es ist aber möglich, sich einem intuitiven Gefäß prospektiv anzuschließen, ihm also nicht beizutreten, sondern sich ihm nur beizugesellen, was im Falle eines Volkes darauf hinausläuft, im Rahmen der Klärung zwar modische Vorhaben einzusetzen, sich aber nicht über die Haltung zu verständigen, da ein Glaube an die Rechtschaffenheit als Mittel zur Begegnung nicht vorliegt.
Wenn nun eine Fraktion eine Wahl gewonnen hat, so wird die tätliche Verständigung über das in der Wahl Entschiedene bis zur nächsten Wahl verschoben, dem Gedanken folgend, daß ihm Gelegenheit gegeben werden sollte, seinen Wert praktisch zu erweisen, und somit werden die Bürger, welche es als unrechtschaffen erachten, dazu verdammt, sich bis zur nächsten Wahl der gegnerischen Partei tätlich beizugesellen, wiewohl sie weiterhin ihre Ansicht äußern können.
Abgesehen davon gibt es natürlich auch Bürger, welche sich dem Volk sowieso nur beigesellen, weil sie der Rechtschaffenheit grundsätzlich nichts zutrauen.
Beide erlauben indes, daß Gerechtigkeit und Legalität divergieren und sich also eine legalistische Gesinnung bilden kann, wobei man auch wieder verschiedene Arten von legalistischer Gesinnung unterscheiden müßte, wenn man es genauer betrachtet: die abendländische ist absolut, das Gesetz muß nichts mit der Gerechtigkeit zu tun haben, die morgenländische ist konventional, die Entsprechung der Gesetzespraxis mit der Gerechtigkeit wird anerkannt, so daß die Gerechtigkeit im Abendland zwischen den Wahlen ausgesetzt wird und im Morgenland allezeit revisionistische Usurpationen drohen.
Immerhin hat das Volk aber alle paar Jahre wieder die Chance, das Gesetz der Gerechtigkeit anzupassen, im Abendland. Und die abendländische Einrichtung mag tatsächlich auch Moden aufgreifen und die Verständigung voranbringen, oder sie mag es auch nicht: Formal ähneln Demokratien am ehesten Bünden, um deren Führung periodisch gebuhlt wird, und da sich diese Auffassung mit der realen Natur der Menschen nur schwer verträgt, schließlich bilden wir ja keine Affenhorde, besteht die natürliche Tendenz, daß der nationale Bund in verfeindete Parteienbünde zerfällt, wenn das Buhlen, also der Wahlkampf, nicht im Namen einer vom Volk bejahten Zukunft geführt wird.
Und damit bin ich wieder am Anfang dieses Beitrags angelangt: Er wird es nicht. Je weiter die Technologie voranschreitet, desto unwesentlicher wird der Mensch, sowohl als einzelner, als auch als Menge, wobei Wesentlichkeit stets einen konstruktiven Beitrag impliziert, denn was die destruktiven Beiträge angeht, nimmt die Gefährlichkeit des Menschen zu, so daß sich sein Bild von verheißungsvoll zu pathologisch wandelt, wie ab einem bestimmten Grad der Beschleunigung auch die Achterbahn kein Vergnügen mehr bereitet.
Ergo zerfallen moderne Gesellschaften in verfeindete Parteienbünde. Und aufgrund des Zusammenbruchs der Sowjetunion werden sie darüberhinaus künstlich mit sich Beigesellenden aufgebläht, welche zwar eine bessere Entwicklung suchen, aber keine Rechtschaffenheitsvorstellungen mitbringen, welche ihre neuen Heimaten weiterzuentwickeln vermöchten. Freilich, aufgrund der Zentralisierung der politischen Macht, welche der Scheu der Eliten vor dem Volk entspringt, fühlen sie sich an den Ostblock erinnert, aber bessere Rezepte zur Genesung kennen sie deswegen nicht.
In dieser Lage, nun, erkennen Politiker zusehends, daß es halt so ist und verzichten kategorisch darauf, das Volk anzusprechen, sind also nicht mehr nur unglaubwürdig, sondern orientieren sich an den Interessen von Bünden und sich Beigesellenden, und indem sie dies tun, schaffen sie die ach so seltene Klarheit. Deutschland hinkt da noch hinterher, Starmer aber stürmt voran und in der jetzigen Situation wird der ganze Troß wohl in eine Richtung laufen.
Übrigens hat Kaja Kallas völlig recht damit, daß das soziologische Verständnis der Chinesen primitiv und jenes der Russen super gut [Anm. d. Red. vielschichtig] ist, nur was sie auf dieser Basis vorschlägt, nämlich Zufriedenheit durch Ausschluß russischen Einflusses herzustellen, ist eindeutig ein vergifteter Apfel, welcher jegliche Manöver, an den Ursachen der Unzufriedenheit etwas zu ändern, paralysierte. Sie war mir ja schon vorher damit aufgefallen, die Vorteile kleiner Nationen gegenüber großen anzupreisen, wobei ich wohl der einzige bin, welcher dabei an den Übergang vom Sozialismus zum Kommunismus denken mußte. Sie stellt sich genauso bewußt dumm wie Marilyn Monroe, die Idioten sitzen bei ZeroHedge, welche nicht wissen, daß Stalin Japan erst am 9. August 1945 den Krieg erklärte.
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