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14. Mai 2022

Statische und dynamische Verbündung

Nachdem ich im vorletzten Beitrag Zusagen genauer unter die Lupe genommen habe, werde ich es in diesem mit Verbündungen tun.

Verbündung ist koordinierte Haltung, delegierte Haltung hingegen das Urteil des Prüfers über den Kandidaten. Da es keinen Grund gibt, sich freiwillig dem Urteil eines Prüfers zu unterstellen, andererseits aber jeder die Möglichkeit besitzt, jeden Menschen, welcher ihm begegnet, als Kandidaten zu betrachten und ihn zu beurteilen, findet die Delegierung der Haltung stets wechselseitig statt, und daraus ergibt sich Erwiderungsgebundenheit für alle Haltung Delegierenden.

Die statische Verbündung besteht nun darin, Verantwortungsbereiche abzustecken und den Verbündeten zu überlassen, wobei die Haltung der Verbündeten wechselseitig von ihnen aufgrund ihrer Qualifikation für den jeweiligen Verantwortungsbereich anerkannt wird.

Die dynamische Verbündung besteht hingegen darin, die Erwiderungsgebundenheit von Verbündeten zu erkennen und ihre Haltung auf dieser Basis anzuerkennen. Zwar mag dies zu asymmetrischen Verbündungen führen, wo der eine gebunden ist und der andere nicht, aber praktisch macht das keine weiteren Schwierigkeiten.

Ich möchte zwei Beispiele von Erwiderungsgebundenheit betrachten. Zunächst ist jede auf statischer Verbündung beruhende Gesellschaft, konkret jene des Zeitalters der Wacht, durch die Absteckung von Verantwortungsbereichen in ihrer Aufnahmefähigkeit von Fremden beschränkt, denn
  1. ist ihre Haltung nicht an die Verantwortungsbereiche angepaßt,
  2. widerstrebt es ihnen womöglich, oder sind sie dazu gar nicht in der Lage, sie an die Verantwortungsbereiche anzupassen, und
  3. würden sie dadurch in Konkurrenz zu den bereits Verantwortung Tragenden geraten.
Deshalb bleibt einer solchen Gesellschaft, wenn sie auf Fremde trifft, nur übrig, sie auf unerwünschte Tätigkeiten abzuschieben, auf einfachste Weise durch Sklaverei, aber wie das Beispiel der Arier in Indien zeigt, gibt es auch andere Lösungen.

Wenn nun ein Stamm in Afrika wie die Yoruba eine Religion annimmt, welche Platons Diktum in den Nomoi entspricht, nämlich daß die beste Staatsordnung jene des Goldenen Zeitalters sei, also die Besessenheit durch Daimonen (Elegua, Ogun und so weiter), wird er ipso facto für das Zeitalter der Wacht formatiert, und hinsichtlich seines Umgangs mit anderen afrikanischen Stämmen läßt sich eine kriegerische Erwiderungsgebundenheit vorhersagen, welche ihn zu einem natürlichen dynamischen Verbündeten für Sklavenhändler macht. Ogun ist natürlich der Daimon der Schmiede, und die Schmiedekunst erreichte Westafrika gegen 500 nach Christus, also zur selben Zeit als die Westgoten Spanien erreichten und der Islam Arabien. Über die Westgoten wissen wir nur wenig, aber der Islam ist ein weiteres interessantes Beispiel für Erwiderungsgebundenheit.

Dazu zunächst folgende Überlegung. Damit Verantwortung für den Wohlstand von jemandem übernommen werden kann, muß zunächst die Verantwortung für seine Sicherheit übernommen werden, da er ansonsten beraubt werden könnte. Indem der Koran also jeden Stamm für seine eigene Sicherheit verantwortlich macht, macht er ihn zugleich auch für seinen eigenen Wohlstand verantwortlich, und da Stämme von überschaubarer Größe sind, stehen sie überall im Wettbewerb mit einander, und also erwächst ihnen aus ihrer Erwiderungsgebundenheit die Notwendigkeit, Handelsbeziehungen einzugehen: Selbst wenn sie sich nicht sicher sein können, daß der Handelspartner die Ware nicht gegen sie einsetzen könnte, ist der unmittelbare Nachteil, auf den Handel zu verzichten, schwerwiegender. Mit anderen Worten stellt die Verbreitung des Islams im Mittleren Osten sicher, daß der indische Außenhandel Europa erreicht und der europäische Indien, was ihn zu einem natürlichen Verbündeten aller Händler macht.

Hingegen zeichnet sich das Abendland gerade dadurch aus, daß keinerlei Erwiderungsgebundenheit von außen an ihm zu erkennen ist, was eine direkte Folge der Zentralisierung der Macht ist, welche ihrerseits eng damit zusammenhängt, daß es innergesellschaftlich nicht auf statische Verbündungen gegründet ist, sondern auf dynamische, konkret auf die Erwiderungsgebundenheiten der Kirche, Könige und Juden, beziehungsweise in moderner Zeit der Medien, Politiker und Unternehmen, wobei diese aber gerade aus den Fugen geraten.

So, wie das Zeitalter der Werke Universitäten bedarf, welche im Zeitalter der Wunder zerschlagen werden müssen, bedarf das Zeitalter der Wacht statischer Verbündungen, welche im Zeitalter der Werke zerschlagen werden müssen, also weil die Entdeckung von Planungsansätzen im letzteren Einzelnen überlassen ist (und im ersteren die Gemeinschaft ihre Entwicklung durch grundlegende Ansätze plant, welche Verantwortungsbereiche abstecken, woher ja auch der Name: Zeitalter der Wacht und Warte, wobei ein Wart ersichtlicherweise ein statisch Verbündeter ist).

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