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6. Mai 2022

Apologie des Geistes

Der vorige Beitrag hat große Bedeutung für das Denken Arthur Schopenhauers, und ich möchte ihn in diesem von dieser Seite her betrachten.

Schopenhauer sieht das Tier als ein betrogenes Wesen und den Menschen als seine den Betrug erkennende Weiterentwicklung. Und freilich gibt es in der im vorigen Beitrag beschriebenen Sicht der älteren Verwandtheit eine fundamentale Asymmetrie zwischen dem betrachtenden Subjekt, welches die Welt als für es gemacht betrachtet, und den von ihm betrachteten Objekten, wohingegen der Mensch Subjekt und Objekte als von einer Art erkennt, melodramatisch ausgedrückt, denn der Spruch bedeutet mehr: Tat twam asi.

Betrügt der Geist die Tiere also durch das Gefühl der älteren Verwandtheit, oder schenkt er ihnen vielmehr eine Richtschnur, welche ihre Erkenntnis übersteigt und sie vernünftiger werden läßt, als sie es von alleine wären?

Wie Schopenhauer durchaus richtig erkannt hat, zählt unter Tieren nicht das Individuum, sondern ihre Art, und so ist es auch beim Gefühl der älteren Verwandtheit, mit anderen Worten: Nicht das individuelle Tier ist das Objekt, sondern seine Art. Und indem das Tier als Subjekt also Tierarten als Objekt betrachtet, wird es nicht darüber getäuscht, daß es seinesgleichen verspeist, daß es selbst der Ursprung seiner Leiden ist, sondern vielmehr dazu gebracht, Dankbarkeit gegenüber den Umständen, welche ihr Leben ermöglichen, und den Tierarten zu empfinden, von welchen es sich ernährt, wozu es andernfalls in keiner Weise fähig wäre.

Achtet ein Tier also das Gefühl der älteren Verwandtheit, indem es das ihm Verwandte verteidigt, so weist sein Verhalten eine menschlich scheinende Fürsorge auf. Warum also sollten Menschen denken, daß der Geist sie betrügt, indem er sich ihnen als ihre Vorliebe, ihr (subjektiver) Glaube und ihr Gewissen zeigt?

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