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4. Oktober 2013

Möglichkeiten persönlicher und faszinativer Kunst

Kunst besteht dort, wo Rezeption zu einem transparenteren Ort geleitet, das heißt zu einem Ort, welcher nicht alltägliche Einsichtnahmen erlaubt.

Diese Einsichtnahmen nun eröffnen entweder den Blick auf eine Person, ihr Wesen und ihre Lebensumstände, das Schicksal, welches beide verknüpft, oder sie bilden ein Faszinosum, auch Genre genannt.

Die klassische Musik ist kein Genre, sondern persönliche Kunst, faszinative Kunst entsteht für den Markt, für anonyme Kunden, deren Faszination der Künstler einzig kennt und bedient. Persönliche Kunst hingegen hat ein genau bekanntes Objekt, dessen Wesen sie möglichst wirksam einfängt. Dabei ist dieses Objekt nicht notwendigerweise ihr Auftraggeber. Freilich, bei der ältesten Hofmusik war es so, und der Künstler verherrlichte den König direkt. Später allerdings gefiel es dem Adel zusehends, seine eigene Menschenkenntnis und -zuwendung dadurch unter Beweis zu stellen, zeitlose Schicksale und dann auch zeitgenössische Schicksale seiner ihm Anvertrauten von Künstlern darstellen zu lassen.

So also stieg der Barock über Gluck zu Mozart hinab.

Der Nationalismus war die letzte Knospe dieses Zweigs, doch da brach er ab, seitdem ist persönliche Kunst die Ausnahme.

Woran liegt das? Ich, mit meinen bescheidenen Mitteln, widme mich den Menschen, welche mir am Herzen liegen. Ich würde es nicht tun, wenn ich nicht das Gefühl hätte, daß ich auf diese Weise Dinge ausdrücken kann, welche sonst unvermittelt blieben, Dinge, welche mir wichtig sind, weil sie für mich mustergültige Konstellationen beschreiben, Dinge, welche immer wieder erlebt werden und der Einordnung und Anknüpfung bedürfen, wie es alle wichtigen Stationen im Leben tun. Aber damit Kunst im Sinne der einleitenden Definition bestünde, wäre es nötig, daß das so Erfaßte an Menschen geriete, welche ihr Leben gerade entlang dieser Stationen lebten, denn andernfalls brächte sie ihnen kaum Gewinn.

Persönliche Kunst lebt also von einem Gestell, welches ihr ihr Publikum zuführt, sei es Hofzeremoniell, klassische Bildung oder Ständeordnung, es muß eine Gemeinsamkeit im Leben der Betroffenen geben.

Es ist also einigermaßen einleuchtend, daß mit der zunehmenden Freiheit des Volkes, die Relevanz persönlicher Kunst quantitativ abnimmt, sie immer nur einer kleinen Gruppe etwas bedeutet und diese auch nur schwer erreicht.

Dieses Kulturgut ist also verloren, wenn nicht Koerzion oder verbesserte Organisation Gleichgesinnter es zurückbrächten, wobei es selbst natürlich umgekehrt auch der Organisation und Einheit der Lebensform dient.

Ein Genre hingegen zieht eben als Faszinosum die Menschen zu sich, zum Beispiel in die Jazzbar. Dies aber geschieht immer dadurch, daß es ein Lebensgefühl vermittelt, welches fertig angenommen werden kann. Da also, wo persönliche Kunst den Zuhörer für Figuren im Lebensspiel gewinnen will, welche er in Eigenregie auf seine persönliche Lage übertragen muß, führt die faszinative Kunst ihn in eine Unterwelt mit ihren eigenen Regeln ein. Die persönliche Kunst zielt auf die Bewährung des Einzelnen im Allgemeinen, die faszinative Kunst auf die Einbindung ins Milieu.

Ich  jedemfalls habe kein Interesse daran, ein Milieu zu erschaffen, mir geht es um eine neue Allgemeinheit und die Bewährung in ihr.

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