Bereitschaftsbeitrag

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11. Dezember 2014

Partielle Bewußtheit

Es gibt Geisteshaltungen, welche man wohl nachvollziehen kann, zugleich aber bei dem Gedanken erschauert, fortwährend in ihnen zu bleiben.

Es ist ein bißchen so, als wenn man einen für einen wichtigen Ort vergäße, doch so vage möchte ich es hier nicht belassen.

Konkret denke ich an zwei solche Haltungen, beide betreffen die eigene Identität.

Ich sprach auch schon von beiden, aber die Bezüge bilden hier keinen Mehrwert.

Die erste Haltung wird dadurch gekennzeichnet, daß die eigene Identität als ein Thema von vielen Themen verstanden wird, welche die Menschen einander gleichsam im Spiel übertragen, wie Kinder, wenn sie Rollen unter einander verteilen.

Die zweite Haltung zeichnet sich dadurch aus, daß die eigene Identität rein verhaltend, also rein passiv ausgelegt ist: Es gibt keine vorgefaßten Pläne, keine Bekenntnisse, nur den Vorsatz, die Welt zu erfahren.

Letzteres ist in gewisser Hinsicht das Gegenteil von kindlich, es wirkt wie eine Vorstufe des Todes, und wer weiß, daß er nur noch eine begrenzte Zeit zu Leben hat, mag in diese Haltung verfallen. Doch darum geht es mir hier gerade nicht, sondern um jene, welche zeitlebens so sind.

Diesen beiden Typen muß etwas fehlen, ihr Bewußtsein muß auf irgendeine Weise defizitär sein.

Beginnen wir mit dem erstgenannten Fall. Ich kann mich durchaus noch an die Zeit erinnern, in welcher ich plötzlich, weil ich in den falschen Kreisen verkehrte, anders zu sprechen anfing. Ich kann mich aber auch noch daran erinnern, daß mir das bewußt wurde, und ich damals schon gezielt gegensteuerte, indem ich mich darauf besann, wie ich mich ausdrücken wolle.

Diese Besinnung beruht auf einem Selbstbild, welches Teil der eigenen Idealvorstellungen ist. Und ich bin hinreichend sicher, daß der erste Typ eben dadurch gekennzeichnet ist, daß er keine eigenen Idealvorstellungen besitzt.

Dabei könnte man es belassen, aber eigentlich wird es hier ja erst interessant. Was bringt die eigenen Idealvorstellungen hervor?

Es ist, denke ich, eine spezifische Form des Gefallens, nämlich des ethischen Gefallens, daß einem bestimmte Regelungen unter ethischen Gesichtspunkten gefallen, mithin die eigene Anteilnahme an sozialen Gesetzen, offensichtlich als Teil der eigenen Sorge.

Diese also geht den entsprechenden Menschen ab. Sie haben kein Gespür für gesellschaftliche Regeln und damit nicht die Möglichkeit, ihnen selbst entsprechende Regeln herauszuarbeiten.

Es ist eine banale Folgen dessen, daß ihr politisches Wahlrecht entsprechend einzuschränken ist, so es denn keine signifikanten technischen Schwierigkeiten bereitet.

Wobei, da wir nun darauf zu sprechen gekommen sind, heute eh andere Dinge zur Wahl stehen sollten, wenn dem Gedanken moderner Demokratien Folge geleistet wird, nach welchem der Bürger nicht Lenker, sondern Leitplanke ist, der statischen sozialen Natur der dritten Phase des Glaubenszykels entsprechend.

Wann hingegen soziale Gefüge in ihrer Entwicklung begriffen sind, müssen jene gesetzesgleichgültigen Menschen von ihrer Formung ferngehalten werden.

Kommen wir also zum zweiten Typ. Dieser besitzt durchaus eigene Idealvorstellungen - sogar sehr klare. Was er hingegen nicht besitzt, ist ein Bewußtsein der eigenen Bedeutung - er ist schicksalsblind.

Schicksalsbewußtsein ist dabei die Empfänglichkeit für die spirituellen Warnungen, welche via Vermeidung oftmals auch auffordernden Charakter besitzen, und durch welche wir überhaupt nur ein Gefühl für unsere eigene Zeitlichkeit entwickeln können, da uns nur in ihnen das Koexistente zeitlich entgegentritt, und zwar durch die zeitlichen funktionalen transzendenten Akte, was fortan eine alternative Bezeichnung für die spirituellen Warnungen sein möge.

Versuchen wir an dieser Stelle, das ethische Gefallen ebenfalls klarer einzugrenzen. Es ist Teil der Sorge, nicht zeitlichen, sondern ewigen Charakters und Teil des Schönen, welches diesen Charakter insgesamt hat.

Die Vermutung liegt nahe, daß es der ideelle Teil des Schönen ist. Was wären seine anderen beiden Teile?

Das funktional Schöne sind wohl die Manieren, genauer gesagt die Grazie an ihnen, das materiell Schöne die Proportionalität, also daß Mittel und Zweck einander entsprechen, die Zweckmäßigkeit.

Läßt es sich so sagen? Daß das Schöne
  • Ethik,
  • Anmut und
  • Zweckmäßigkeit
ist?

Ich will es einstweilen hoffen.

Also, der erste Typus besitzt eine partielle Blindheit bei der Gewahrung des Ewigen und der zweite eine partielle Blindheit bei der Gewahrung des Zeitlichen, der erste sieht das ideell Schöne nicht und der zweite das zeitlich funktional Wesentliche.

Unter Umständen ist die Blindheit der beiden Typen aber umfassender, mag gut sein, daß der erste Typus das Schöne insgesamt nicht kennt und der zweite das Wesentliche insgesamt nicht.

Da läge es natürlich nahe zu vermuten, daß es auch noch solche gibt, welche das Mächtige insgesamt nicht sehen.

Wenn ich es so bedenke, die gibt es auch. Es handelt sich dabei um so genannte verkopfte Typen, welchen der Zugang zur Gegenwärtigkeit fehlt, welche hier neben Ewig- und Zeitlichkeit gesetzt sei, wobei allerdings auch das Wesentliche einen gegenwärtigen Teil aufweist, nämlich jene fortschreitenden transzendenten Akte, welche entweder uneingebunden sind, das heißt direkt auf Gott zielen, oder in Konstellation und Ablauf immer gleich, denn nur das ist Zeit, in welchem sich Verschiedenes in Bezug auf sich einzigartig entwickelt. Zeitlichkeit ist also mehr als Gegenwärtigkeit, wohingegen Ewigkeit etwas gänzlich anderes ist, nämlich Sinngebung.

Das erklärt dann nebenbei auch, wann es keine Zeit mehr gibt.

Wer nun aber in einer Epoche lebt, welche auf einer bestimmten Gewahrung beruht, und zu dieser Gewahrung nicht fähig ist, kann in dieser Epoche nicht in einem tieferen Sinne am Leben teilnehmen, sondern wird vielmehr, aus seiner Sicht willkürlich, herumgestoßen.

Nun gut, damit beschließe ich diesen Beitrag. Falls sich an ihn anschließende Fragen stellen sollten, werde ich sie zur gegebenen Zeit behandeln.

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