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6. Dezember 2014

Vom Glauben

Ich habe aus diesem Wort einen Terminus technicus gemacht, was für sich genommen vielleicht gar nicht weiter schlimm ist, aber ich mag das Phänomen dabei unzulässig verengt haben, und zwar auf seine Altersstufe.

Denn so wie ich Glauben beschrieben habe, kann ihn ein Kind nicht besitzen, als Vertrauen auf eine bestimmte Entwicklungsrichtung.

Ein Kind mag aber durchaus glauben, nur eben auf andere Weise.

Glauben braucht meiner persönlichen Erfahrung nach Bekenntnis- und Anvertrauensdurchringungen, wobei das mit dem Ringen fast wörtlich gemeint ist, Phasen der Versenkung in den Glaubensinhalt, seiner Verherrlichung und der eigenen Hintanstellung in Form von Unterwerfung oder Auslieferung.

Letzteres involviert eine Entwicklungsrichtung, welche an ihr Ende gekommen zu sein scheint und für welche man sich in Treue zu ihr zum Opfer bringt.

Darin beweist sich dann der eigene Glaube.

Was dort geschieht, ist die Befreiung des Fundaments von seinen Aufbauten, das Austreiben eines Baumes unterhalb des abgestorbenen Stamms, die Auferweckung des Lazarus, von uns allen, letztlich, der Begriff des Menschseins wandelt sich, zunächst unmerklich, später unübersehbar.

Und dadurch gewinnt der eigene Glaube auch überhaupt erst seine historische Form. Am Anfang steht einzig das Vertrauen auf ein Prinzip, genauer gesagt auf Werke, Wunder oder Wacht, welche die Zeiten in aller Ewigkeit auf einander folgend gestalten.

Alle drei sind Gewähr, Träger der Menschen aus den Verstrickungen des Alters, welche zu Starre und Tod führen, in eine im Toten keimende und wachsende Zukunft, welche älter als das verbleichende Zeitalter ist.


Jede Gewähr erfordert indes eine aktive Annäherung an sie, bevor man sich ihr bekennend anvertrauen kann, und diese Annäherung besteht in der zunehmenden Überzeugtheit von ihrer Grundwahrheit, im Falle der Wunder davon, daß alles, gleich einem selbst, seine Existenz aus Gott heraus hat, daß alles, gleich einem selbst, wieder in Gott eingeht und daß also alles mit einander in einem Wesen verbunden ist, was getrennt scheint, in Wirklichkeit nur kurz Luft schnappt, bevor es wieder in das Eine eintaucht: Wir sind das Blut, die materielle Welt die Lunge und Gott der Körper.

Eine solche Überzeugung wächst im Laufe der Zeit heran, nicht weil man nach ihr suchte, sondern weil man nichts anderes findet.

Aber auch nur, wenn man ehrlich nach anderem gesucht hat.

Und daß man damit begänne, bedarf es auch einer bekennenden Anvertrauung, nur nicht einer Gewähr, sondern einer Gewahrung, nämlich des Schönen, Wesentlichen oder Mächtigen.

Denn so gewährt die Gewähr, daß die Menschen das ihre gewahren. Werke wachsen aus erkanntem Schönen, Wunder aus erkanntem Wesentlichen und Wacht aus erkanntem Mächtigen.

Wer also noch dem alten Zeitalter verhaftet ist, vertraut sich bekennend dem Schönen an. Und wenn er dort nichts findet, wird in ihm die Überzeugung von der Einheit der Welt wachsen, bis er sich bekennend Wundern anvertraut.

Wer bereits im neuen Zeitalter verhaftet ist, vertraut sich bekennend dem Wesentlichen an und wird, da es jung ist, dort viel finden, so daß er ihm verhaftet bleibt.

Jeder, der herüber wechselt, weckt Lazarus weiter auf, wie er selbst auch Lazarus ist, in leicht verschiedenem Sinne.

Indem der Einzelne sich zurücksetzend einem Glauben anschließt, schreitet dieser voran, und indem der Einzelne voranschreitend an einem Glauben festhält, wird der Glaube zurückgesetzt.

Berg ist dabei das Wachstums des Glaubens, der fortschreitende transzendente ideelle Akt, und Sternenhimmel der verbürgte Kurs, der zurücksetzende transzendente ideelle Akt.

Bleiben die Grundwahrheiten der Werke und Wacht. Die Grundwahrheit der Werke ist das gemeinsame Interesse der Menschen.

Man kann nicht sagen, daß sie falsch wäre, sie findet bloß kaum mehr eine Anwendung in der heutigen Zeit, und zwar letztlich, weil wir satt sind und erzwungene Diäten nicht Hunger, sondern Ärger wecken.

Und die Grundwahrheit der Wacht ist die Gleichheit des Wertes eines jeden Menschens. Einstweilen bringt sie nur nichts, weil diese Gleichheit erst dann interessant wird, wenn sich die Menschen ihrer göttlichen Eingebundenheit bewußt sind.

Dann nämlich können sie gezielt beten und auf diese Weise wachen.

Ich finde es interessant, daß Parmenides suggeriert, wir müßten erst die Welt von Grund auf physikalisch verstehen, bevor wir die Wahrheit unseres Bewußtseins erkennen könnten. Man kann darin ein Programm erblicken. Ein paar physikalische Fakten zählt Parmenides in Über die Natur auf, bevor das Fragment abbricht, den Rest mußten wir schreiben.

Je nun, jetzt müssen wir also Gebete bis zu Ende studieren, bevor wir die Gleichheit des Wertes menschlichen Lebens verstehen werden.

Und wenn wir dann wiederum genug studiert haben werden, welche Konstellationen zur gegenseitigen Wacht taugen, werden wir die Gemeinsamkeit im menschlichen Interesse wiedergefunden haben.

Also, rekapitulierend: Der gebundene Mensch glaubt an Gewahrung, der ungebundene an Gewährung.

Bleibt einzig die Frage, ob der Ungebundene wieder neu gebunden werden kann.

Mag gut sein, daß nicht: Er erhebt sich über sein einstiges Bekenntnis, aber neu zu gründen vermag er sich wahrscheinlich nicht.

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