Die Abfolge der Glauben
Weder ging es mir gestern abend noch geht es mir heute morgen um eine Festlegung. Ich versuche vielmehr mich beschreibend einer schwierigen Frage zu nähern, nämlich was sich letztlich konkret im Laufe der Jahrtausende ändert.
Um also an den gestrigen Beitrag anzuknüpfen, worin bestand der alte Glaube?
In der Ehrfurcht vor Leistung und Glück, in der Ehrfurcht vor dem Schicksal, welches alles just so hat werden lassen, wie es einem begegnet.
Und der neue?
Nun, der christliche Glaube lebt dem Vorbild Christi nach, sehnt sich also nach und freut sich an christlichen Taten, durch welche die Christen innerlich an ihrer Idee des Guten teilhaben.
Mit anderen Worten war der alte Glaube ein Achtungsglaube und der neue ist ein Sorgenglaube, er sorgt sich um das Gemeinwohl.
Wollte man den Kreis hier schließen, käme als nächstes ein Glaube der Lust, also der Freude an der eigenen Willkür - und so ganz falsch ist das auch nicht, denn zweifellos muß die zuvor erwähnte Schrumpfung auf der untersten Ebene ausgeglichen werden, nur daß dies selbstverständlich keine Entschuldigung dafür sein kann, die höheren Ebenen zu vergessen.
Doch vielleicht verhält sich das alles ja auch ganz anders, als zunächst von mir suggeriert. War der alte Glaube ein reiner Achtungsglaube?
Gab es in ihm keine innere Teilhabe an einer Idee des Guten?
Die mag es doch durchaus gegeben haben, jedenfalls spiegelt der Wortschatz des Altsächsischen eine intime Kenntnis der eigenen Stimmung und ihres Umschlagens wider, welche auf das sich seiner selbst bewußte Wirken der Sorge zurückgehen muß.
Nur, wenn ich konkret an diesem Beispiel dran bleibe, gab es ein Grundverständnis der Aufgabe hier auf Erden, welches die Achtung betonte, Frieden bedeutete Wachsamkeit und Behütung. Es läßt sich also nicht nur denken, sondern auch belegen, daß ein Achtungsglaube kein Glaube ist, welcher mit der Achtung aufhört, sondern einer, welcher mit der Achtung anfängt, daß er im Gegensatz zu einem Sorgenglauben in Fragen der Achtung unflexibel, da gebunden ist.
Und entsprechend wäre dann auch ein Lustglaube als einer zu verstehen, welcher mit der Lust anfängt, welcher bereits in Fragen der Lust gebunden ist, konkret in den transzendenten Akten, das heißt in der Verehrung von Menschen, deren Gebete Wirkung zeigen, wofür Regenmänner wohl das elementarste Beispiel abgeben.
Das jedenfalls ergibt einen Rahmen jenseits des einzelnen Glaubenszykels, welcher eine gewisse Wahrscheinlichkeit besitzt. Aus ihm folgen drei Zeitalter, das Zeitalter der Wunder, das Zeitalter der Wacht und das Zeitalter der Werke, und diese Abfolge ist eine Abfolge des Genug sein Lassens, erst werden die Wunder aufgegeben, dann die Wacht, und zwar weil es ihrer jewels nicht mehr bedarf. Die Wunder haben die Krisis des Zeitalters der Werke überwunden und die Wacht dann wohl die Krisis des Zeitalters der Wunder.
Ergibt das Sinn?
Worin besteht wohl die Krisis des Zeitalters der Wunder? Nun, ich könnte mir schon vorstellen, daß sie in größenwahnsinnigen Hexenmeistern besteht. Und denen begegnete eine geschlossene Front der Wacht. Und nachdem nichts mehr von den Hexenmeistern übrig ist, wird die Wacht lästig, und das Zeitalter der Werke befreit uns von ihrer Krisis, nämlich den allgegenwärtigen Einschränkungen.
Und schließlich kommt das Zeitalter der Werke in seine Krisis, nämlich die Ohnmacht der Menschen, und das Zeitalter der Wunder bricht an und befreit uns von ihr.
Nein, ich würde sagen, es ergibt schon Sinn.
Die Frage ist allerdings interessant, ob dies so nur in Gesellschaften Erwartender und Gestimmter geschieht.
Es könnte durchaus so sein, weil nur diese Gesellschaften die innere Starrheit besitzen, um überhaupt durch den Glaubenszykel durchzukommen. Andere Gesellschaften blieben etwa in immer neuen organisatorischen (funktionalen) Zykeln, ohne dabei im Sinne des Glaubenszykels voranzuschreiten. Oder sie durchliefen einen Glaubenszykel, ohne ihre Errungenschaften zu sichern, so daß es keine Notwendigkeit gäbe, den nächsten Glaubenszykel anders zu durchlaufen.
Wo allerdings Achtung und Sorge stark in einer Gesellschaft sind, da zwingt die Sorge die Achtung durch den Glaubenszykel und die Achtung zwingt die Sorge durch die unterschiedlichen Zeitalter.
Und, da ich gerade davon rede, auch wenn ich nur Vermutungen aufstellen kann, im Falle der tibeto-japanischen Gesellschaft ist eine bestimmte Abfolge von organisatorischen Zykeln anzunehmen, welche in keinem erkennbaren Sinne voranschreitet, da die Sorge fehlt, und im Falle der semitischen die immer gleiche Wiederholung des Glaubenszykels in weit kürzeren Zeitintervallen als im Falle der indogermanischen Gesellschaften, welche dabei durch die unterschiedlichen Zeitalter gehen.
Und noch ein Gedanke. Es mag durchaus sein, daß die funktionalen Zykel, durch welche tibeto-japanische Gesellschaften gehen, davon abhängen, in welchem Zeitalter sie zuletzt maßgeblich von einer indogermanischen Gesellschaft beeinflußt wurden, was den Unterschied zwischen Japan und den Indianern Nordamerikas erklären würde. Andererseits, wenn man die inneramerikanischen Kulturunterschiede bedenkt, sind auch andere Mechanismen denkbar, welche die Abfolge der funktionalen Zykel in tibeto-japanischen Gesellschaften beeinflussen.
Nun, wie auch immer, jedenfalls ist auf diese Weise ein Rahmen gegeben, in welchem das menschliche Streben bleibt, ein Rad, in welchem es im Kreis läuft, ohne es zu merken. Und seltsamerweise gibt mir das Zuversicht, ein Gefühl von Geborgenheit. Es ist ja auch nicht so, daß ein solches, stets sich wiederholendes Durchlaufen anderweitigen Fortschritt ausschließen würde, es ist nur so, daß ein solcher anderweitiger Fortschritt akzidentiell wäre, nichts, worum es uns willensmäßig ginge.
Um also an den gestrigen Beitrag anzuknüpfen, worin bestand der alte Glaube?
In der Ehrfurcht vor Leistung und Glück, in der Ehrfurcht vor dem Schicksal, welches alles just so hat werden lassen, wie es einem begegnet.
Und der neue?
Nun, der christliche Glaube lebt dem Vorbild Christi nach, sehnt sich also nach und freut sich an christlichen Taten, durch welche die Christen innerlich an ihrer Idee des Guten teilhaben.
Mit anderen Worten war der alte Glaube ein Achtungsglaube und der neue ist ein Sorgenglaube, er sorgt sich um das Gemeinwohl.
Wollte man den Kreis hier schließen, käme als nächstes ein Glaube der Lust, also der Freude an der eigenen Willkür - und so ganz falsch ist das auch nicht, denn zweifellos muß die zuvor erwähnte Schrumpfung auf der untersten Ebene ausgeglichen werden, nur daß dies selbstverständlich keine Entschuldigung dafür sein kann, die höheren Ebenen zu vergessen.
Doch vielleicht verhält sich das alles ja auch ganz anders, als zunächst von mir suggeriert. War der alte Glaube ein reiner Achtungsglaube?
Gab es in ihm keine innere Teilhabe an einer Idee des Guten?
Die mag es doch durchaus gegeben haben, jedenfalls spiegelt der Wortschatz des Altsächsischen eine intime Kenntnis der eigenen Stimmung und ihres Umschlagens wider, welche auf das sich seiner selbst bewußte Wirken der Sorge zurückgehen muß.
Nur, wenn ich konkret an diesem Beispiel dran bleibe, gab es ein Grundverständnis der Aufgabe hier auf Erden, welches die Achtung betonte, Frieden bedeutete Wachsamkeit und Behütung. Es läßt sich also nicht nur denken, sondern auch belegen, daß ein Achtungsglaube kein Glaube ist, welcher mit der Achtung aufhört, sondern einer, welcher mit der Achtung anfängt, daß er im Gegensatz zu einem Sorgenglauben in Fragen der Achtung unflexibel, da gebunden ist.
Und entsprechend wäre dann auch ein Lustglaube als einer zu verstehen, welcher mit der Lust anfängt, welcher bereits in Fragen der Lust gebunden ist, konkret in den transzendenten Akten, das heißt in der Verehrung von Menschen, deren Gebete Wirkung zeigen, wofür Regenmänner wohl das elementarste Beispiel abgeben.
Das jedenfalls ergibt einen Rahmen jenseits des einzelnen Glaubenszykels, welcher eine gewisse Wahrscheinlichkeit besitzt. Aus ihm folgen drei Zeitalter, das Zeitalter der Wunder, das Zeitalter der Wacht und das Zeitalter der Werke, und diese Abfolge ist eine Abfolge des Genug sein Lassens, erst werden die Wunder aufgegeben, dann die Wacht, und zwar weil es ihrer jewels nicht mehr bedarf. Die Wunder haben die Krisis des Zeitalters der Werke überwunden und die Wacht dann wohl die Krisis des Zeitalters der Wunder.
Ergibt das Sinn?
Worin besteht wohl die Krisis des Zeitalters der Wunder? Nun, ich könnte mir schon vorstellen, daß sie in größenwahnsinnigen Hexenmeistern besteht. Und denen begegnete eine geschlossene Front der Wacht. Und nachdem nichts mehr von den Hexenmeistern übrig ist, wird die Wacht lästig, und das Zeitalter der Werke befreit uns von ihrer Krisis, nämlich den allgegenwärtigen Einschränkungen.
Und schließlich kommt das Zeitalter der Werke in seine Krisis, nämlich die Ohnmacht der Menschen, und das Zeitalter der Wunder bricht an und befreit uns von ihr.
Nein, ich würde sagen, es ergibt schon Sinn.
Die Frage ist allerdings interessant, ob dies so nur in Gesellschaften Erwartender und Gestimmter geschieht.
Es könnte durchaus so sein, weil nur diese Gesellschaften die innere Starrheit besitzen, um überhaupt durch den Glaubenszykel durchzukommen. Andere Gesellschaften blieben etwa in immer neuen organisatorischen (funktionalen) Zykeln, ohne dabei im Sinne des Glaubenszykels voranzuschreiten. Oder sie durchliefen einen Glaubenszykel, ohne ihre Errungenschaften zu sichern, so daß es keine Notwendigkeit gäbe, den nächsten Glaubenszykel anders zu durchlaufen.
Wo allerdings Achtung und Sorge stark in einer Gesellschaft sind, da zwingt die Sorge die Achtung durch den Glaubenszykel und die Achtung zwingt die Sorge durch die unterschiedlichen Zeitalter.
Und, da ich gerade davon rede, auch wenn ich nur Vermutungen aufstellen kann, im Falle der tibeto-japanischen Gesellschaft ist eine bestimmte Abfolge von organisatorischen Zykeln anzunehmen, welche in keinem erkennbaren Sinne voranschreitet, da die Sorge fehlt, und im Falle der semitischen die immer gleiche Wiederholung des Glaubenszykels in weit kürzeren Zeitintervallen als im Falle der indogermanischen Gesellschaften, welche dabei durch die unterschiedlichen Zeitalter gehen.
Und noch ein Gedanke. Es mag durchaus sein, daß die funktionalen Zykel, durch welche tibeto-japanische Gesellschaften gehen, davon abhängen, in welchem Zeitalter sie zuletzt maßgeblich von einer indogermanischen Gesellschaft beeinflußt wurden, was den Unterschied zwischen Japan und den Indianern Nordamerikas erklären würde. Andererseits, wenn man die inneramerikanischen Kulturunterschiede bedenkt, sind auch andere Mechanismen denkbar, welche die Abfolge der funktionalen Zykel in tibeto-japanischen Gesellschaften beeinflussen.
Nun, wie auch immer, jedenfalls ist auf diese Weise ein Rahmen gegeben, in welchem das menschliche Streben bleibt, ein Rad, in welchem es im Kreis läuft, ohne es zu merken. Und seltsamerweise gibt mir das Zuversicht, ein Gefühl von Geborgenheit. Es ist ja auch nicht so, daß ein solches, stets sich wiederholendes Durchlaufen anderweitigen Fortschritt ausschließen würde, es ist nur so, daß ein solcher anderweitiger Fortschritt akzidentiell wäre, nichts, worum es uns willensmäßig ginge.
Labels: 08, formalisierung, geschichte, metaphysik, ἰδέα, φιλοσοφία