Prinzessin Mononoke
Prinzessin Mononoke ist Hayao Miyazakis ernsthaftester Film und gerade deswegen ein wenig anstößig. Er beschreibt die westliche Kultur, das heißt das real existierende Christentum, als Empörung über die Freiheit des Stärkeren, den Schwächeren zu mißhandeln, als Auflehnung der menschlichen Erfindungskraft gegen die Grenzen, welche dem Leben gesetzt sind.
Natürlich ist diese Analyse weitestgehend korrekt, nichts anderes habe ich selbst über das Zeitalter der Werke und seine Tendenz, den Menschen als Störenfried aufzufassen, welchen es bestmöglich zu neutralisieren gilt, geschrieben, aber in Miyazakis Psychologisierung steckt nebenbei eine knüppeldicke Beleidigung, nämlich der Vorwurf, die Christen hätten sich aus einer emotionalen Aufwallungen heraus gegen den Gott des Lebens und des Todes gewandt - und dieser Gott ist selbstverständlich der eine Gott, welches zu verstehen, sie zu dumm wären.
Aber so ist es natürlich nicht: Christentum ist nicht Mord an Gott aus Unverständnis der Voraussetzungen und Aufgabe des Lebens, nämlich aus der empfangenen Freiheit etwas passendes zu formen, was nur im Rahmen möglichen Mißbrauchs und göttlicher Gerechtigkeit denkbar ist, sondern lediglich die Betonung der Göttlichkeit des Schönen als Leitstern der Werke.
Das Zeitalter der Werke begann nicht mit Jesus Christus, Jesus Christus gab ihm lediglich eine verbindliche Form - seinen Segen, sozusagen. Es liegt nicht in der Macht des Menschen, das Zeitalter selbst zu wählen, in welchem er lebt, sondern nur, sich an es anzupassen. Miyazaki stellt es aber so dar, als ob Menschen willkürlich ins Zeitalter der Werke eingetreten wären und nicht aus Überdruß am Zeitalter der Wacht, dessen Alterserscheinungen in seinem Film fehlen, weshalb Eboshi eben leicht hysterisch erscheint.
Wahrscheinlich liegt aber gerade in dieser Verfälschung der Erfolg des Films in Japan begründet, denn mit einer unzurechnungsfähigen westlichen Eboshi auf der einen Seite und einer ungezügelten wilden Natur auf der anderen, fällt es Ashitaka, dem Mann aus dem Osten, zu, den versöhnenden Ausgleich zu finden.
Miyazakis Blick dabei ist durchweg sehr speziell, was beispielsweise Feuerwaffen angeht, konzentriert er sich auf die beiden Elemente des Gewaltausgleichs und der Verantwortungsübernahme für ihren Gebrauch, mit anderen Worten auf den Schutz der Schwachen vor den Starken durch sie einerseits und die mangelnde nötige persönliche Reife der Schwachen für ihre Handhabung andererseits, womit er den europäischen Imperialismus zu einer Art Erziehungsproblem erklärt - und nicht nur ihn.
Völlig unbeachtet bleibt dabei das Machtgefälle zwischen jenen, welche Feuerwaffen besitzen, und jenen, welche sie nicht besitzen, und der damit einhergehende Machtzuwachs der Rüstungsindustrie und dessen Folgen für die Gesellschaft als ganze. Hinter dem Gedanken, daß alle Feuerwaffen haben, treten die naheliegenden weiteren Fragen nach Kaliber, Reichweite, Schußfrequenz, Sprengkraft, Panzerung, intelligenter Steuerung und so weiter in den Hintergrund, wohingegen sie in der Realität derart im Vordergrund stehen, daß der geringste technologische Vorsprung Macht zu millionenfachem Mißbrauch des Schwächeren gibt - was die Japaner wohl auch genau wissen.
Miyazaki tut also so, als ob wir Herr unserer Handlungen wären, als ob es unsere mangelnde Reife wäre, welche uns zu Mördern unserer Mitmenschen macht, und nicht die Sachlogik des Wettrüstens, daß wir folglich nur etwas lernen müßten - nämlich fremden und eigenen Verlust gerecht zu wiegen. Das Problem dabei ist nur, daß solches Wiegen ein Gegenüber voraussetzt, welches ebenso wiegt, und daß es also nur auf der Grundlage irgendwelcher Garantien statthaben kann.
Wenn diese hingegen nicht vorhanden sind, kann der Mensch in dem Bemühen, etwas passendes aus seiner Macht zu formen, Mißbrauch, wie in anderen Belangen auch, nicht vermeiden, nur in diesem Falle eben in weit größerem Maßstab. Die Antwort des Christentums darauf ist die Offenbarung, daß, wenn die Machtkonzentration ins Unerträgliche gesteigert sein wird, das gegenwärtige Zeitalter endet, und daß wir, so lange dies noch nicht geschehen ist, den Mißbrauch nach Kräften aufzuhalten haben, aber daß er da ist und nicht etwa durch unser Christen-Sein aus der Welt geschafft.
Vielleicht ist es für die Japaner leichter zu ertragen, wenn sie in Europäern Menschen sehen, welche beschlossen haben, alles Häßliche aus ihrem Leben zu verbannen, und daß sie dabei ihren Kopf verloren hätten. Aber so ist es nicht. Vielmehr haben sich die Europäer von der Grundlage aller kulturübergreifenden Verständigung abgewandt - und nicht nur sie. Aber wer hört das schon gerne. Die Folgen sind bitterer und die Aussicht düsterer*.
Indes, wie Ponyo ja zeigt, ist Miyazaki dem Leben ergeben und fürchtet sich nicht vor ihm. Prinzessin Mononoke ist oberlehrerhafter, die Buddhisten kriegen übrigens auch ihr Fett weg, aber dazu möchte ich mich nicht äußern, doch im Gegensatz zum ähnlich gelagerten Nausika im Tal der Winde geht es in Prinzessin Mononoke wenigstens um ein beleuchtenswertes Thema.
* Wenn man Prinzessin Mononoke gewogen ist, kann man natürlich einwenden, daß der Waldgeist für die Bedingtheit des eigenen Lebens durch das Göttliche steht, und damit insbesondere auch für den nötigen Respekt vor dem Göttlichen in allen Lebenslagen, aber das ist sehr weit hergeholt. Miyazaki stellt es eben nicht so dar, daß Eboshi lustvoll Perlen zermalmt, sondern daß sie auf ihre Weise sehr ehrfürchtig ist - nur eben innerhalb eines irren, eingeschränkten Blicks. Nunja, das Bild mit den Perlen findet sich in einem anderen Miyazakifilm... wenn man sich Chihiros Eltern in die Eisenstadt denkt und Ohngesicht, dann erhält man schon ein wahrheitsgemäßeres Bild. Im wandelnden Schloß geht es übrigens auch um die Gefahren, welche der Tugend im Westen begegnen, insgesamt ist Miyazaki also weit verständiger als es den Anschein hat, wenn man nur Prinzessin Mononoke betrachtet, aber vielleicht hat Miyazaki ja auch stückweise dazugelernt.
Natürlich ist diese Analyse weitestgehend korrekt, nichts anderes habe ich selbst über das Zeitalter der Werke und seine Tendenz, den Menschen als Störenfried aufzufassen, welchen es bestmöglich zu neutralisieren gilt, geschrieben, aber in Miyazakis Psychologisierung steckt nebenbei eine knüppeldicke Beleidigung, nämlich der Vorwurf, die Christen hätten sich aus einer emotionalen Aufwallungen heraus gegen den Gott des Lebens und des Todes gewandt - und dieser Gott ist selbstverständlich der eine Gott, welches zu verstehen, sie zu dumm wären.
Aber so ist es natürlich nicht: Christentum ist nicht Mord an Gott aus Unverständnis der Voraussetzungen und Aufgabe des Lebens, nämlich aus der empfangenen Freiheit etwas passendes zu formen, was nur im Rahmen möglichen Mißbrauchs und göttlicher Gerechtigkeit denkbar ist, sondern lediglich die Betonung der Göttlichkeit des Schönen als Leitstern der Werke.
Das Zeitalter der Werke begann nicht mit Jesus Christus, Jesus Christus gab ihm lediglich eine verbindliche Form - seinen Segen, sozusagen. Es liegt nicht in der Macht des Menschen, das Zeitalter selbst zu wählen, in welchem er lebt, sondern nur, sich an es anzupassen. Miyazaki stellt es aber so dar, als ob Menschen willkürlich ins Zeitalter der Werke eingetreten wären und nicht aus Überdruß am Zeitalter der Wacht, dessen Alterserscheinungen in seinem Film fehlen, weshalb Eboshi eben leicht hysterisch erscheint.
Wahrscheinlich liegt aber gerade in dieser Verfälschung der Erfolg des Films in Japan begründet, denn mit einer unzurechnungsfähigen westlichen Eboshi auf der einen Seite und einer ungezügelten wilden Natur auf der anderen, fällt es Ashitaka, dem Mann aus dem Osten, zu, den versöhnenden Ausgleich zu finden.
Miyazakis Blick dabei ist durchweg sehr speziell, was beispielsweise Feuerwaffen angeht, konzentriert er sich auf die beiden Elemente des Gewaltausgleichs und der Verantwortungsübernahme für ihren Gebrauch, mit anderen Worten auf den Schutz der Schwachen vor den Starken durch sie einerseits und die mangelnde nötige persönliche Reife der Schwachen für ihre Handhabung andererseits, womit er den europäischen Imperialismus zu einer Art Erziehungsproblem erklärt - und nicht nur ihn.
Völlig unbeachtet bleibt dabei das Machtgefälle zwischen jenen, welche Feuerwaffen besitzen, und jenen, welche sie nicht besitzen, und der damit einhergehende Machtzuwachs der Rüstungsindustrie und dessen Folgen für die Gesellschaft als ganze. Hinter dem Gedanken, daß alle Feuerwaffen haben, treten die naheliegenden weiteren Fragen nach Kaliber, Reichweite, Schußfrequenz, Sprengkraft, Panzerung, intelligenter Steuerung und so weiter in den Hintergrund, wohingegen sie in der Realität derart im Vordergrund stehen, daß der geringste technologische Vorsprung Macht zu millionenfachem Mißbrauch des Schwächeren gibt - was die Japaner wohl auch genau wissen.
Miyazaki tut also so, als ob wir Herr unserer Handlungen wären, als ob es unsere mangelnde Reife wäre, welche uns zu Mördern unserer Mitmenschen macht, und nicht die Sachlogik des Wettrüstens, daß wir folglich nur etwas lernen müßten - nämlich fremden und eigenen Verlust gerecht zu wiegen. Das Problem dabei ist nur, daß solches Wiegen ein Gegenüber voraussetzt, welches ebenso wiegt, und daß es also nur auf der Grundlage irgendwelcher Garantien statthaben kann.
Wenn diese hingegen nicht vorhanden sind, kann der Mensch in dem Bemühen, etwas passendes aus seiner Macht zu formen, Mißbrauch, wie in anderen Belangen auch, nicht vermeiden, nur in diesem Falle eben in weit größerem Maßstab. Die Antwort des Christentums darauf ist die Offenbarung, daß, wenn die Machtkonzentration ins Unerträgliche gesteigert sein wird, das gegenwärtige Zeitalter endet, und daß wir, so lange dies noch nicht geschehen ist, den Mißbrauch nach Kräften aufzuhalten haben, aber daß er da ist und nicht etwa durch unser Christen-Sein aus der Welt geschafft.
Vielleicht ist es für die Japaner leichter zu ertragen, wenn sie in Europäern Menschen sehen, welche beschlossen haben, alles Häßliche aus ihrem Leben zu verbannen, und daß sie dabei ihren Kopf verloren hätten. Aber so ist es nicht. Vielmehr haben sich die Europäer von der Grundlage aller kulturübergreifenden Verständigung abgewandt - und nicht nur sie. Aber wer hört das schon gerne. Die Folgen sind bitterer und die Aussicht düsterer*.
Indes, wie Ponyo ja zeigt, ist Miyazaki dem Leben ergeben und fürchtet sich nicht vor ihm. Prinzessin Mononoke ist oberlehrerhafter, die Buddhisten kriegen übrigens auch ihr Fett weg, aber dazu möchte ich mich nicht äußern, doch im Gegensatz zum ähnlich gelagerten Nausika im Tal der Winde geht es in Prinzessin Mononoke wenigstens um ein beleuchtenswertes Thema.
* Wenn man Prinzessin Mononoke gewogen ist, kann man natürlich einwenden, daß der Waldgeist für die Bedingtheit des eigenen Lebens durch das Göttliche steht, und damit insbesondere auch für den nötigen Respekt vor dem Göttlichen in allen Lebenslagen, aber das ist sehr weit hergeholt. Miyazaki stellt es eben nicht so dar, daß Eboshi lustvoll Perlen zermalmt, sondern daß sie auf ihre Weise sehr ehrfürchtig ist - nur eben innerhalb eines irren, eingeschränkten Blicks. Nunja, das Bild mit den Perlen findet sich in einem anderen Miyazakifilm... wenn man sich Chihiros Eltern in die Eisenstadt denkt und Ohngesicht, dann erhält man schon ein wahrheitsgemäßeres Bild. Im wandelnden Schloß geht es übrigens auch um die Gefahren, welche der Tugend im Westen begegnen, insgesamt ist Miyazaki also weit verständiger als es den Anschein hat, wenn man nur Prinzessin Mononoke betrachtet, aber vielleicht hat Miyazaki ja auch stückweise dazugelernt.
Labels: 15, filmkritik, metaphysik, rezension, ἰδέα, φιλοσοφία