Zu Ursprung und Schicksal der einfachen Form der Erzählung in der Spätmoderne
Ich schrieb bereits von der hohen und der einfachen Form der Erzählung, siehe Life in plastic, it's fantastic!, und dem Grund des Zurückweichens der hohen Form in den letzten Jahrzehnten, aber nicht vom Aufkommen der einfachen Form in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Die Vehikel der einfachen Form sind Comics, Pulp und der amerikanische Film, welcher im Gegensatz zum europäischen Film niemals die hohe Form wählt, ausgenommen einzig einige Highschool-Szenen in Teenager-Filmen, etwa die Unterrichtsstunden in Ferris macht blau, und einige Drill-Szenen in Kriegsfilmen, etwa in Full Metal Jacket.
Abgesehen davon geben amerikanische Filme prinzipiell keine Einblicke in die real existierende amerikanische Lebenswirklichkeit, sondern legen ihrer Handlung stets eine künstlich konzipierte Welt zu Grunde.
Und diese Mode breitet sich aus, schon vor längerer Zeit nach England und seit Luc Besson auch nach Frankreich, wobei auch Jean-Pierre Jeunet nicht ganz frei von einigen künstlichen Elementen ist, im ganzen aber noch die hohe Form verteidigt.
Was den jüngeren deutschen Film angeht, so scheint er, so weit ich das beurteilen kann, nur deshalb nicht gänzlich der einfachen Form zu fröhnen, weil es den jüngeren deutschen Schauspielern an Abstraktionsvermögen mangelt, so daß ihre Lebenswirklichkeit stets mit in den Film hineinkriecht - Bully, freilich, muß ich hier ausnehmen, denn er läßt sich ganz bewußt nie auf die einfache Form ein.
Deshalb ist der jüngere deutsche Film in der Regel so unsagbar peinlich, weder hält er am Altbewährten fest, Milieuablichtung und Kammerspiel, noch besitzt er die nötige geistige Reife aller vor und hinter der Kamera Beteiligten, um eine Kunstwelt trocken zu konzipieren und darzustellen.
Aber nach diesen abschweifenden Bemerkungen, welche indes hinsichtlich der geschichtlichen Erfassung des Phänomens nicht gänzlich unwichtig sind, zurück zum eigentlichen Thema dieses Beitrags. Heute breitet sich die einfache Form aus einem Verlangen nach Regression heraus aus und trägt selbst zur Verflachung und Infantilisierung der Menschheit bei, wiewohl natürlich in ganz unterschiedlichem Maße, und wenig kann man in dieser Hinsicht den Filmen vorwerfen, welche ich zu meinen Lieblingsfilmen zähle, und man muß auch zugeben, daß ein Film wie Meet the Fockers, wiewohl in einer Kunstwelt angesiedelt, sich doch kaum mehr wesentlich von einem Kammerspiel unterscheidet, so daß also auch hier und da die einfache Form aufwärts strebt, aber der Aufstieg der einfachen Form in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist weder dem Verlangen nach Regression, noch sinistren Erwägungen zur Wirkung der einfachen Form auf die Menschheit geschuldet, sondern etwas ganz anderem.
Die Begeisterung für Kunstwelten entspringt, wie es auch zu erwarten ist, dem amerikanischen Pioniergeist. Die diesbezügliche Entwicklung ist also hochgradig ausufernd verlaufen, anstatt den gesellschaftlichen Fortschritt vorzubereiten, ist die Phantasie so weit vorausgelaufen, daß dem Aufbruch der Jugend unmittelbar die Wehmut des Alters gefolgt ist, denn unter ihrem üppigen Gewand hat sich die Gesellschaft in eine andere Richtung bewegt.
Auch eine Lehre für künftige Kunstschaffende, wiewohl der Geist freilich auch weiterhin das Gedeihliche wirkt - nur eben nicht auf einer Bahn, welche dem heutigen Kunstschaffen folgte, sondern allenfalls auf einer, auf welche es durch die realen Gegebenheiten schließlich gezwungen wird.
Dies dürfte im Übrigen für viele Menschen das Maß ihrer Zuversicht sein: Wie sehr das Leben der Fiktion, welche ja ihren Wünschen angepaßt ist, entspricht - was wahrscheinlich auch den Grund für die jüngste Senkung des Niveaus im komödiantischen Bereich darstellt, vorexerziert in Filmen wie Super Bad und Step Brothers, wobei letzterer freilich rein technisch gesehen ausgezeichnet ist und auch künstlerisch wertvoll, wenn man ihn als Tragödie auffäßt, was er immerhin zuläßt.
Aber diese Verkehrung von Ursache und Wirkung funktioniert nicht auf Dauer, nach einer gewissen Zeit wendet sich das Publikum von Filmen, welche nicht an seine Wünsche angepaßt sind, sondern lediglich das Ziel verfolgen, Zuversicht durch Übereinstimmung der Kunstwelt mit der realen zu erzeugen, ab. Das ist eine Besonderheit der einfachen Form der Erzählung: Da sie auf künstlichen Konzepten beruht, wird sie nicht nach ihrer Wahrheit beurteilt, wie die hohe Form der Erzählung, sondern einzig nach ihrem Gefallen, und in dem Trilemma, entweder nicht zu gefallen (Super Bad), Unzufriedenheit mit der Welt wachzurufen (Pirates of the Caribbean: The Curse of the Black Pearl) oder gesellschaftlich destruktive Phantasien zu nähren (Kick-Ass), ist das Ende der einfachen Form beschlossen, weshalb der amerikanische Film gegenwärtig auch derart abebbt.
Die Vehikel der einfachen Form sind Comics, Pulp und der amerikanische Film, welcher im Gegensatz zum europäischen Film niemals die hohe Form wählt, ausgenommen einzig einige Highschool-Szenen in Teenager-Filmen, etwa die Unterrichtsstunden in Ferris macht blau, und einige Drill-Szenen in Kriegsfilmen, etwa in Full Metal Jacket.
Abgesehen davon geben amerikanische Filme prinzipiell keine Einblicke in die real existierende amerikanische Lebenswirklichkeit, sondern legen ihrer Handlung stets eine künstlich konzipierte Welt zu Grunde.
Und diese Mode breitet sich aus, schon vor längerer Zeit nach England und seit Luc Besson auch nach Frankreich, wobei auch Jean-Pierre Jeunet nicht ganz frei von einigen künstlichen Elementen ist, im ganzen aber noch die hohe Form verteidigt.
Was den jüngeren deutschen Film angeht, so scheint er, so weit ich das beurteilen kann, nur deshalb nicht gänzlich der einfachen Form zu fröhnen, weil es den jüngeren deutschen Schauspielern an Abstraktionsvermögen mangelt, so daß ihre Lebenswirklichkeit stets mit in den Film hineinkriecht - Bully, freilich, muß ich hier ausnehmen, denn er läßt sich ganz bewußt nie auf die einfache Form ein.
Deshalb ist der jüngere deutsche Film in der Regel so unsagbar peinlich, weder hält er am Altbewährten fest, Milieuablichtung und Kammerspiel, noch besitzt er die nötige geistige Reife aller vor und hinter der Kamera Beteiligten, um eine Kunstwelt trocken zu konzipieren und darzustellen.
Aber nach diesen abschweifenden Bemerkungen, welche indes hinsichtlich der geschichtlichen Erfassung des Phänomens nicht gänzlich unwichtig sind, zurück zum eigentlichen Thema dieses Beitrags. Heute breitet sich die einfache Form aus einem Verlangen nach Regression heraus aus und trägt selbst zur Verflachung und Infantilisierung der Menschheit bei, wiewohl natürlich in ganz unterschiedlichem Maße, und wenig kann man in dieser Hinsicht den Filmen vorwerfen, welche ich zu meinen Lieblingsfilmen zähle, und man muß auch zugeben, daß ein Film wie Meet the Fockers, wiewohl in einer Kunstwelt angesiedelt, sich doch kaum mehr wesentlich von einem Kammerspiel unterscheidet, so daß also auch hier und da die einfache Form aufwärts strebt, aber der Aufstieg der einfachen Form in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist weder dem Verlangen nach Regression, noch sinistren Erwägungen zur Wirkung der einfachen Form auf die Menschheit geschuldet, sondern etwas ganz anderem.
Die Begeisterung für Kunstwelten entspringt, wie es auch zu erwarten ist, dem amerikanischen Pioniergeist. Die diesbezügliche Entwicklung ist also hochgradig ausufernd verlaufen, anstatt den gesellschaftlichen Fortschritt vorzubereiten, ist die Phantasie so weit vorausgelaufen, daß dem Aufbruch der Jugend unmittelbar die Wehmut des Alters gefolgt ist, denn unter ihrem üppigen Gewand hat sich die Gesellschaft in eine andere Richtung bewegt.
Auch eine Lehre für künftige Kunstschaffende, wiewohl der Geist freilich auch weiterhin das Gedeihliche wirkt - nur eben nicht auf einer Bahn, welche dem heutigen Kunstschaffen folgte, sondern allenfalls auf einer, auf welche es durch die realen Gegebenheiten schließlich gezwungen wird.
Dies dürfte im Übrigen für viele Menschen das Maß ihrer Zuversicht sein: Wie sehr das Leben der Fiktion, welche ja ihren Wünschen angepaßt ist, entspricht - was wahrscheinlich auch den Grund für die jüngste Senkung des Niveaus im komödiantischen Bereich darstellt, vorexerziert in Filmen wie Super Bad und Step Brothers, wobei letzterer freilich rein technisch gesehen ausgezeichnet ist und auch künstlerisch wertvoll, wenn man ihn als Tragödie auffäßt, was er immerhin zuläßt.
Aber diese Verkehrung von Ursache und Wirkung funktioniert nicht auf Dauer, nach einer gewissen Zeit wendet sich das Publikum von Filmen, welche nicht an seine Wünsche angepaßt sind, sondern lediglich das Ziel verfolgen, Zuversicht durch Übereinstimmung der Kunstwelt mit der realen zu erzeugen, ab. Das ist eine Besonderheit der einfachen Form der Erzählung: Da sie auf künstlichen Konzepten beruht, wird sie nicht nach ihrer Wahrheit beurteilt, wie die hohe Form der Erzählung, sondern einzig nach ihrem Gefallen, und in dem Trilemma, entweder nicht zu gefallen (Super Bad), Unzufriedenheit mit der Welt wachzurufen (Pirates of the Caribbean: The Curse of the Black Pearl) oder gesellschaftlich destruktive Phantasien zu nähren (Kick-Ass), ist das Ende der einfachen Form beschlossen, weshalb der amerikanische Film gegenwärtig auch derart abebbt.
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