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14. Februar 2014

Life in plastic, it's fantastic!



Hmmm... es gibt Erscheinungen, welche ausgesprochen bedeutsam sind, dies aber ausgesprochen erfolgreich verhehlen. Es ist nicht das erste Mal, daß ich mir darüber Gedanken mache, wiewohl ich sie möglicherweise erstmals zu Papier bringe. Ja, es geht um den LEGO-Film. Aber nicht nur um ihn.

Was ist Leben in Plastik?

Warum ist Aqua damals so eingeschlagen?

So ganz unbefangen käme man vielleicht drauf, daß es etwas mit Regressionssehnsucht zu tun haben muß. Aber welcher? Wogegen lehnt sich das innere Kind auf und worin sucht es Zuflucht?

Und da denke ich nunmehr, daß es letztlich um die Form der Erzählung geht, das Ziel ist die Regression der Form der Erzählung.

Ich kam drauf, als ich zu meinem Erstaunen feststellen mußte, daß der Begriff kosmopolitisch ein viel deutlicheres Gefühl von Oberflächlichkeit vermittelt als Aldous Huxley's Brave New World.

Wie kann das sein? Inhaltlich jedenfalls kann es nicht begründet sein, bleibt also nur die Form.

Kosmopolitisch ruft Assoziationen wie Art déco und Roaring Twenties hervor, reale Dinge, welche in der hohen Form der Erzählung verewigt wurden, welche da ist, zum Wesen der Erscheinungen vorzudringen. Und gerade deswegen vermittelt das so Erzählte starke und klare Eindrücke seiner Gegenwart, es zwingt einen in es hinein, und man kann nicht anders als diese Gegenwart wie gegenwärtig auf sich wirken zu lassen und zu beurteilen.

Ganz anders hingegen die kindliche Erzählweise, von welcher auch Aldous Huxley Gebrauch gemacht hat. Ein Kind hat ja, wenn es sich eine Geschichte ausdenkt, noch nicht einmal Probleme damit, nachträglich das bisher Erzählte aufzuheben, um so weitererzählen zu können, wie es das gerade will. Seine Geschichte ist nicht anschaulich gegenwärtig, sondern nur in Form ihrer Aussagen, ähnlich wie man sich in einem Krimi ja auch nur merkt, wer was wann gemacht hat, wobei Sherlock Holmes Geschichten allerdings leichter zu lösen sind, wenn man sich ihnen nicht in dieser kindlichen Denkungsart nähert, sondern versucht, sich in sie hineinzuversetzen.

Nun, der LEGO-Film wird selbstverständlich auch auf die kindliche Weise erzählt. Aber bevor ich ihn näher betrachte, und da gibt es einiges zu betrachten, muß ich noch den Bogen schließen, warum Aqua also solchen Erfolg mit Barbie Girl hatte.

Warum sollte irgendjemand die Sehnsucht verspüren, Geschichten nicht so erzählen zu müssen, daß sie den Anschein von Wirklichkeit besitzen?

Eine Sehnsucht, welche massenhaft vorhanden war.

Nun, weil es nichts zu erzählen gibt, warum sonst? Man hat Gelegenheit, aber keine Anliegen, ungeformtes Potential en masse. Die kindliche Form erlaubt es einem, dieses Potential hervorzuheben und den Mangel an Form zu verschleiern. Wenn sich eine junge Frau, welche rein äußerlich als Studentin durchgehen könnte, als Barbie Girl stilisiert, betont sie schlicht, was sie dem Anschein nach Barbie voraus hat, wobei ihr das umso besser gefallen muß, desto weniger sie ihr tatsächlich voraus hat.

Und eine Sehnsucht, welche auch weiterhin massenhaft vorhanden ist, denn sonst wären Filme wie der LEGO-Film, welche auf die nämliche Weise erzählt werden, nicht so populär.

Beschäftigen wir uns also jetzt mit ihm. Anfangs nervt er ziemlich, das Gezeigte ist als Wirklichkeit schlicht unerträglich, und ohne spezielle Hintergedanken erkennt man auch keine unterhaltsamen Aussagen. Gut, jetzt sozusagen das Gegenteil eines Spoilers, wenn Sie den Film von Anfang an genießen wollen, denken sie just an all das, was ich bisher beschrieben habe, lauter ungeformte Menschen, welche nicht wissen, wo ihnen der Kopf steht. Es hilft, wenn Sie diese Sorte Mensch verachten. Oh-hohoh, dann ist der Anfang aber gleich der Brüller, sonst nicht so. Schwer zu glauben, daß auch so ein Film am Ende noch familienfreundlich sein will, aber der LEGO-Film kriegt das sogar ziemlich locker fertig, denn es ist sozusagen eine liebevolle Verachtung und eine ironisch gebrochene Familienfreundlichkeit.

Nun gut, damit wäre schon einiges gesagt, nur noch nicht so recht, worum es eigentlich geht. Das Thema des Films, nach der etwas überdrehten Ouvertüre, ist, um es nicht unnötig zu strecken, die Gelegenheit, welche man ja hat, auch beim Schopf zu packen.

Na prima, wer wollte widersprechen?

Andererseits, der Film in seiner ganzen Form vermittelt eben nichts Anrührendes, sondern wendet sich an Menschen, welche lieber zitieren, um sich mit dem Zitat vergleichen zu lassen, wie eben Lene als Barbie Girl, als selbst auch nur für die kleinste Kleinigkeit zu stehen. Und was werden jene also machen, nachdem sie den Film gesehen haben?

Sie werden sagen: Ja, schon schlimm, wie beliebig und ungeformt wir sind, daß wir für nichts stehen, wo wir es doch könnten, aber, hey!, wenigstens wissen wir, wie es um uns bestellt ist, und das ist doch ziemlich cool, oder nicht?

Anders ist der Film auch nicht gemeint, am klarsten vielleicht an Batman's Spruch: Er ist der Held, den du verdienst.

Der Film ist also im Ganzen eine Art Massage, welche ein paar Verspannungen zu lösen versucht, darauf bedacht, Leuten auf die Schulter zu klopfen, welche bei sich denken, daß ihr Leben eher durchwachsen ist. Und als solcher ist er ja auch nicht ganz schlecht, außer daß eine stete Abfolge solcher Filme einen schließlich völlig einlullt.

Und das ist durchaus bedenklich. Denn fast alle Filme werden in der kindlichen, beliebigen Form erzählt, heutzutage, wie oft kommt schonmal ein Film wie La grande bellezza, welcher noch die hohe Form pflegt und nebenbei genau dieselbe Aussage hat, nur halt viel wirksamer, da viel anrührender?

Nach jenem Film tut es einem doch weh zu sehen, wie und wo man sich ergeben hat, aber nach dem LEGO-Film? Kinder reden über alles, Begriffe, wovon sie reden, haben sie nicht, und morgen ist's vergessen. Was in der heutigen Popkultur geschieht, ist im wahrsten Sinne des Wortes Gehirnwäsche. Der ganze Schmutz wird rausgewaschen, am Ende steht der Blick eines neugeborenen Kindes, welches sich darüber freut, daß es nichts lernen muß und nicht wachsen, sondern sogleich ohne jede Beschwer am Leben vollumfänglich teilhaben kann.

Einzig, daß uns alles, was uns wert ist, durch gute oder schlechte Erfahrungen erwächst, weil sich unser Wesen in unserem Umgang mit ihnen entfaltet und unsere Werte formuliert. Und während Kindern das noch leicht fällt, werden Erwachsene es schon vorziehen, sich nicht aufzuregen, und mit der Einstellung, welche sie bereits gewonnen haben, noch irgendwie durch den Rest ihres Lebens durchzukommen, also mit völliger Beliebigkeit, wenn die Gehirnwäsche Erfolg hatte.

Die Menschen haben diese Wäsche selbst gesucht, sie wollten den Abstand von ihren Erfahrungen, welche ihnen in der Masse unnütz schienen. Aber Leben in Plastik kann nicht lange währen und jede Institutionalisierung dieses Trends ist untrennbar mit Schreckensvisionen verbunden.

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