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24. März 2019

Logik im Laufe der Zeit

Fichte schreibt:
   Setze man darum den zweiten Fall: Der Mensch könne von dem Gesetze seines natürlichen Daseins schlechthin durch sich selbst sich losreißen; (weil er nämlich kein bloß Natürliches, sondern ein Uebernatürliches ist:) so entstände ihm durch die Realisation dieses, freilich durch sein ursprüngliches Sein ihm mit gegebenen Vermögens ein ganz neues wirkliches Sein, sein Sein als frei und durch Freiheit. Sein Sein und Leben wäre über die Gränze des natürlichen Daseins hinaus erweitert, und zu dem ersten ein ganz neues Dasein hinzugekommen. Dieses letztere Dasein wäre nur für den da, der mit Freiheit sich losgerissen hätte, für jeden Andern durchaus und schlechthin gar nicht; und so könnte, obwohl in Absicht der Anlage die Menschen alle gleich wären, dennoch in Absicht der Wirklichkeit es zwei durchaus entgegengesetzte Klassen unter ihnen geben, deren Eine einen Sinn hätte, welche der andern schlechthin abzusprechen wäre. [...]
   Kurz, um durch das Vorige unterstützt, mich nun ganz verständlich auszudrücken: Wer in dem alten natürlichen Sinne eingekerkert ist, der glaubt, und kann nicht anders glauben, als daß er die Dinge unmittelbar wahrnehme; wem aber der neue Sinn, und vermittels dieses der Begriff von Sinn überhaupt als zusammengesetzt aus diesen beiden [...] Sinnen, aufgegangen ist, dem wird klar, daß unsere Aussage: es seien Dinge, durchaus keine Wahrnehmung ist, sondern ein Schluß, ein ganz regelmäßig geführter Syllogismus, der seine gehörigen Vordersätze hat, welche dem natürlichen Sinn verborgen bleiben; darum glaubt er, es sei unmittelbar und Aussage der Wahrnehmung, was doch nur eine Folgerung aus verborgenen Prämissen ist, welche nur dem neuen Sinne sichtbar werden, der darum die Sache anders sieht. Das Ganze verhält sich so: jenes Urtheil, es ist, vollzieht der natürliche Mensch nicht selbst; denn jenseits dieses Urtheils ist er als natürlicher Mensch gar nicht vorhanden, und nur durch die Befreiung erhebt er sich jenseits; sondern in ihm vollzieht er das Naturgesetz, sein geistiges Leben zu diesem Urtheile bestimmend. An diesem, also durch eine fremde Kraft entstandenen Urtheile aber gelangt er erst zum Bewußtsein seiner selbst; dieses Urtheilen und das Selbstbewußtsein ist ihm also in Einem Schlage, und darum hält er es für unmittelbar, und so für Wahrnehmung. Die Freiheit aber dehnt das Selbstbewußtsein aus über diese Gränze des Gegebenen, wodurch es nun nicht mehr als Wahrnehmung erscheint, sondern als Vermitteltes.
Er meint damit die Reflexion des Verhältnisses zwischen Gegenstand und Begriff, beziehungsweise zwischen Gegenständen und dem Verhältnis, in welchen sie in der Anschauung zu einander stehen: Allein die Tatsache, daß die Griechen für Begriff und Verhältnis dasselbe Wort λόγος verwendet haben, beweist schon, daß Kant mitnichten der erste war, dem dieser neue Sinn, die Metareflexion, aufgegangen ist, aber bei all den vielen Worten, welche Fichte macht, sagt er doch nichts falsches:
Nur für denjenigen, für welchen ein Ding ein abstraktes Objekt ist, welches mit Begriffen, Verhältnissen und anderen Gegenständen in Verhältnissen steht, erscheint es nicht so, als ob er Dinge in seiner Anschauung wahrnehmen würde.

Nochmal zum Vergleich Johannes:
Ἐν ἀρχῇ ἦν ὁ λόγος, καὶ ὁ λόγος ἦν πρὸς τὸν θεόν, καὶ θεὸς ἦν ὁ λόγος.
οὗτος ἦν ἐν ἀρχῇ πρὸς τὸν θεόν.
Wahrscheinlich sollte jeder das im Original auswendig lernen. Dies ist die einzige Übersetzung:
Im Anfang war der Begriff, und der Begriff bezog sich auf Gott, und Gott war der Begriff.
Dieser bezog sich im Anfang auf Gott.
Heute hingegen auf das Gemeinwohl, die Wirtschaftsleistung, Lebenserwartung, Alphabetisierungsrate und was wir sonst noch heilig nennen. Wir können wohl davon ausgehen, daß Johannes die Beziehung zwischen Gegenständen und ihrem Begriff bewußt war, und nicht nur als abstrakte Tatsache, sondern in Form der Konkretion des Heiligen im Laufe der Zeit, wonach jemand das Heil in Form der eigenen Beziehung zu Gott durch den Begriff des Heiligen in seiner ursprünglichen Vollständigkeit predigen könnte, und nicht als heilig erkannt werden würde, vergleiche dazu auch die beiden Beiträge zu den sechs und zur einen Schule.

In dem speziellen Fall ist der Begriff freilich ebenso dynamisch, wie die Gegenstände, welche er beschreibt, darum, daß er vorweltlich ist und die Zeit selbst aus ihm fließt.

Was Johannes zuletzt mit diesen Worten ausgedrückt hat, ist, daß Christus darum, daß er nicht erkannt wurde, nicht daran gehindert wurde, die Zeit zu bestimmen, in Gott verherrlicht zu werden, mit demselben Recht und auf dieselbe Weise wie die Alten. Und er stellt es in Form der Himmelfahrt auch noch anderen in Aussicht.

Ich bin nicht sauer auf Fichte. Anfang des 19. Jahrhunderts hatte man noch viel Zeit, um sich über den sich eröffnenden Horizont zu freuen.

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