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6. Mai 2013

Die Fähigkeit sich selbst zu regieren als Teil der Friedensarchitektur

Ein wesentlicher Bestandteil der platonischen Lehre, wenn nicht der wesentlichste überhaupt, ist die Forderung, daß sowohl der Einzelne als auch eine Gemeinschaft in der Lage sein sollte, sich selbst zu regieren, wobei letztere dieses dadurch erlangt, daß sie jene Mitglieder, welche für sich dazu in der Lage sind, über jene, welche es schon für sich nicht können, regieren läßt.

Selbstverständlich verbürgte diese Forderung Frieden, wenn sie erfüllt würde, und es ist schwer zu ersehen, wie Frieden auf andere Weise verbürgt werden sollte.

Und damit muß sie ein zentraler, wenn nicht der zentrale Bestandteil des Denkens jedes um Frieden bemühten Herrschers sein - und ist es auch gewesen.

Es gibt nur zwei Weisen, auf welche eine Gemeinschaft diese Forderung nicht erfüllen kann, entweder ermangelt sie bereits innerlich der Regentschaft oder nur äußerlich, wobei oftmals die innere Regentschaft auf Kosten der Fähigkeit sich äußerlich selbst zu regieren erkauft wird, so etwa schon bei Räuberbanden.

Staatswesen, welche nur zu letzterem nicht in der Lage sind, sind gefährlich, Staatswesen, welche bereits zu ersterem nicht in der Lage sind, nicht so sehr - jedenfalls nicht für die Menschen außerhalb ihrer.

Dies muß eine vernünftige Bündnispolitik bedenken.

Eine andere Frage ist, woher der letztere Mißstand rührt, und wie er sich schon im Keim vermeiden ließe.

Diesbezüglich liefert Deutschland ein studierenswertes Beispiel. Deutschland war traditionell ein Bundesstaat, das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, welcher sich selbst zu regieren verstand, ebenso wie das spätere Königreich Preußen, der deutsche Nationalstaat von 1871 hingegen nicht.

Es muß eine Sünde in der inneren Ordnung letzteren Staatswesens liegen, und ich glaube zu verstehen, welche das ist.

Nie darf die höchste staatliche Instanz mehr von den niederen Instanzen fordern, als die Menschen, über welche sich der Staat erstreckt, ihr freiwillig geben.

Ich habe hier bewußt den Ausdruck Volk vermieden, denn darin liegt die Krux der Sache: Wer im Namen eines Volkes regiert, der kann von niederen Instanzen so viel fordern wie er will, aber wer lediglich im Namen eines Bündnisses von Menschen verschiedener Völker regiert, der muß den Vertretern der einzelnen Völker ihren Spielraum lassen, denn wenn er das nicht tut, dann haben jene Vertreter ein Druckmittel gegen ihn in der Hand, mit welchem sie ihn zu Taten zwingen werden, welche im Gegensatz zu seiner Fähigkeit sich selbst zu regieren stehen, und ihn faktisch zu einem Räuberhauptmann degradieren.

Es ist also von der allerhöchsten Wichtigkeit, daß ein Herrscher zu keiner Zeit versucht, einen höheren Titel zu führen, als welcher ihm naturgemäß zusteht.

Allgemeiner betrachtet handelt es sich hierbei schlicht um Versuchung: Selbst wer sich selbst zu regieren vermag, kann noch zu Torheiten versucht werden, über welchen er diese Fähigkeit einbüßt. Das gilt natürlich ganz allgemein und ist entsprechend verbreitet, aber wenn es das Schicksal von Staatswesen betrifft, ist pedantische Kleinkariertheit angebracht und die Angelegenheit nicht aus den Augen zu verlieren.

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