Bereitschaftsbeitrag

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16. Juni 2017

Abstiegsängste

Mit 27 Jahren beschloß ich, meine wissenschaftliche Karriere nicht weiterzuverfolgen. Bis zum 31. Oktober 2001 saß ich mein Stipendium aus, in dessen letzte Tage freilich auch noch ein anderes weltveränderndes Ereignis fiel.

Ich nahm es damals als eine Art Abschiedsgruß, so nach dem Motto:
Viel Spaß noch in eurer rational geordneten erwachsenen Verantwortungsträgerwelt.
Aber leicht fiel mir der Abschied dennoch nicht. Ich mußte es tun, weil mir die haarsträubende Unreife der letzten Begründungen unserer Gesellschaft, auf welche zu stoßen in meinem Fall eben 6 Jahre Studium voraussetzte, offenbar wurde. Daß alles nach dem Prinzip des Legebatteriemanagements läuft, anstelle etwa des Prinzips der bestmöglichen Wappnung. Daß nicht ein einziger Gedanke an das Umfeld verschwendet wird, in welchem sich die Produktionsteams behaupten müssen, beziehungsweise wo das doch geschieht, es in seiner lokalen Begrenztheit, seinem Eifer und seiner Hektik der Lächerlichkeit preisgegeben ist.

Mit anderen Worten  befindet sich jedenfalls Deutschland vollständig in der Bestürztheit der Beklommenheit, das heißt in einem reinen Modus der Bewältigung dessen, was ihm in den Weg geworfen wird, und auch wenn dies eben die Natur des Zeitalters ist, in welchem wir noch leben, so hat ein Staat doch zu jeder Zeit Ressourcen, sind ihm doch seine Bürger zu jeder Zeit zur Formung und Ordnung anvertraut, weshalb sich ein Staat stets bis zu einem gewissen Grade in der Bestürztheit der Betretenheit, dem Vertrauen auf und die Sorge um die Macht, von welcher er abhängt, nämlich dem Wohlergehen seiner Bürger, befinden sollte, denn er ist ein Staat und kein Individuum.

In Deutschlands Fall gibt es freilich solche, welche sich um die Formung der Bürger kümmern, nicht aber solche, welche sich um die Ordnung der Bürger kümmern, und daraus folgt schon, daß die Formung unmöglich praktischen Nutzen haben kann, denn es ist die Ordnung, welche die ihr nützlichen Formen bestimmt, wobei ich hier von der Ordnung des Legebatteriemanagements absehe und der ihr zuträglichen Formung. Nein, es gibt Formung darüberhinaus, nur fügt sie sich in keine Ordnung, und dadurch wird diese Formung selbst zu etwas, was dem Legebatteriemanagement in den Weg geworfen wird: Was als Überwachung der Einhaltung der richtigen Parameter gedacht ist, wird zu einer Unbill, welcher sich die Werke Vollbringenden stellen müssen.

Solcher Art ist eben Deutschlands politische Unreife, die Deutschen kämpfen, die Deutschen regeln, aber die Deutschen erkennen keine grundlegenden Gesetze der politischen Einrichtung an, weil ihnen das Frieden und Übereinkunft stiftende Element suspekt ist, letztlich, weil Deutschland eben schon seit mehr als 1000 Jahren multikulturell ist.

Eine einheitliche Ordnung hat Deutschland immer nur verordnet bekommen, wenn das Machtgefüge aus dem Gleichgewicht geriet, und entsprechend unausgegoren waren diese Ordnungen. Das ist das Schicksal aller auf Uneinigkeit fußenden Bündnisse.

Derzeit hängt Deutschland am Zipfel der amerikanischen Ordnung, welche sich indes keinen Deut um Deutschlands Lage schert oder auch nur scheren könnte. In dieser Abhängigkeit ist das Bestreben, der amerikanischen Ordnung positive Aspekte abzugewinnen, der Ersatz für nationale Formungs- und Ordnungspolitik, und wo er selber fehlt, erschwert sich die Aufgabe, vor welcher die hiesigen Produktionsteams stehen, nur weiter.

Kurz: Als Deutsche zeichnet die Deutschen Zerstrittenheit aus, und als solche ist es ihnen am zuträglichsten, wenn sie hinreichend dominiert werden, um sich die Dominanz schönzureden, nur sonderlich zuträglich ist ihnen auch das nicht. Und dasselbe gilt für alle Völkerschaften, welche ihre Differenzen hintanstellen.

Gut, soviel zu meiner konkreten Situation des sozialen Abstiegs. Nach der voranstehenden Klarstellung steckt im Kern des eingangs von mir bekannten Mottos also
Wir werden ja sehen, wer von uns beiden zuerst untergeht.
Ich kann also nicht sagen, daß ich so ganz friedfertig von dannen gegangen wäre, und dennoch habe ich meinen Abstieg ausgesprochen vorbildlich gemeistert, es hat nur drei Jahre gedauert, bis ich meine neue Situation akzeptiert hatte.

Mir war selbstverständlich die ganze Zeit über klar, daß ich keinen Anspruch auf das hatte, was ich verloren hatte, und daß mein Ärger über eine Fehlinvestition aufgrund irreführender Werbung als geringer einzuschätzen war als die Verdammnis der Auslieferung an das irreführend Beworbene.

Und Gott hat meine Selbstbeherrschung ja auch schließlich belohnt, nach drei Jahren, wenn man es so nennen kann.

Hüstel, hüstel, hust.

Worauf ich hinauswill?

Auf die Stärke des Geistes, auf die Gewalt seiner Bahn, auf die graduelle Natur seiner Ablenkung und auf die Aufwendungen seiner Korrektur.

Was werden so genannte Wissenschaftler, welchen die Politik Lehrstühle verschafft hat, tun, wenn sich die Politik ändert?

Was all die andern in ihren Dienst Gestellten?

Sie werden sich der Vernunft nicht beugen, denn sie haben einander. Der Weg zur Eskalation von hier an ist ein rein passiver: ruhiges, sachliches Beharren auf dem Offenbaren - es wird sie zur Gewalt treiben und die Sterilisation ihrer Gewalt zu mehr Gewalt.

Irgendwann im Laufe dieses Prozesses werden sie ihren Gott anflehen, daß er seine Herrlichkeit zeigen möge: Und er wird es tun, und seine Menschenverachtung wird offenbar sein, und ihm wird widerfahren, was er selbst gebar.

Bevor er es aber tun wird, kann der Glaube an ihn nicht gebrochen werden, andernfalls die Eskalation durch Beherztheit gestoppt werden könnte, auf daß seine Diener versprengt würden, aber welche Maßnahme erreichte das?

Das Netz ist gewoben, und es genügt nicht, es an einer Stelle zu zerreißen, um sich aus ihm zu befrei'n. Der Jäger wird die Beute haben, aber nur um den Preis seines Auftritts.

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