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7. Januar 2020

Glaubenszuträgliche Anzeichen

Wenn ich auch meine, daß das Potential der Affektion vorzuziehen ist, vertrete ich doch nicht den Standpunkt, daß alle Affektion durch die Welt zu verachten wäre, wie es eine übermäßig strenge Lesart von I Johannes 2:16-17 nahelegen würde.

Vielmehr gibt es eine Klasse von Affektionen, welche sogar glaubensnotwendig ist, nämlich die Anzeichen des Möglichen, indem sie dem Glauben Inhalt geben.

Genauer gesagt ist ein Anzeichen eine Affektion, welche uns zur Besinnung bringt, wir aktualisieren also bloß gedanklich. Und die Anzeichen des Möglichen, welchen unsere Aufmerksamkeit gilt, sind jene, welche unserem Glauben zuträglich oder abträglich sind.

Über diese läßt sich auch leicht ein Überblick gewinnen, und zwar ist dem Glauben zuträglich
  • im Zeitalter der Werke:
    • die Gutwilligkeit der Menschen und
    • die Ausbaubarkeit der Rechtschaffenheit,
  • im Zeitalter der Wunder:
    • die Glaubensstärke der Menschen und
    • die Ausbaubarkeit der Verbundenheit,
  • im Zeitalter der Wacht:
    • die Edelkeit der Menschen und
    • die Ausbaubarkeit des Friedens.
Hier ist nicht die Stelle, die Zeitalter genauer zu erläutern, es genügt mir, mich an das mir Bekannte zu halten, also an die Gutwilligkeit und die Ausbaubarkeit der Rechtschaffenheit. Letztere verdient die genauere Erläuterung.

Wenn wir etwas schaffen, ein Haus zum Beispiel, so mag es uns oder andere entweder dazu anregen, an es anzuknüpfen, oder auch die Anknüpfung unmöglich erscheinen lassen. Generell ist es dabei so, daß jede unnötige gestalterische Festlegung im Rahmen einer überflüssigen Entsprechung die Anknüpfbarkeit erschwert. Und es ist das Siegel jeder künstlerischen Begabung, die eigenen Werke für die Ansprüche der Zukunft offen zu halten. Ich habe lange darunter gelitten, daß mir jedes meiner Werke im Augenblick seiner Fertigstellung tot erschien, ja sogar die Musikstücke, welche ich mir auf Schallplatte zu sichern gedachte, aber ich habe diese innere Öde überwunden, als ich zu meinem Glauben fand, also mit 30 Jahren. Seitdem verzichte ich schlicht darauf, den Fehler der versuchten vollständigen Identifikation zu begehen, und erlaube dem Werk seinen eigenen Wirkungsrahmen. Ich habe mich, um es kurz zu sagen, also schlicht dafür entschieden, mich nicht weiter zu geißeln.

Konkret empfinde ich die Ausbaubarkeit der Rechtschaffenheit aber vor allem beim Blick auf ausgedehnte Wälder. Was die Leute so an Häusern in die Landschaft stellen, regt micht selten positiv an. Ein anderes Beispiel war Google's Panoramio Seite, welche mir stets ein Anzeichen für eine wundervoll verknüpfte Zukunft all der Menschen, welche sich gegenseitig die wunderschönsten Urlaubsreisen gönnen, war. Aber jetzt, wo Google sie eingestellt hat, stehe ich wieder mit beiden Beinen in der Gegenwart, in welcher Hotelbesitzer und Konsorten es nur auf mein Geld abgesehen haben.

Nun ja, es rechnete sich nicht, und irgendwo muß Google ja auch das Geld hernehmen, um die EU dafür zu bezahlen, daß es meinen Browser darum bittet, Cookies zu speichern. Das geht ja immer gleich in die Milliarden.

Nein, ich schweife nicht ab, ich leite über. Es gibt also glaubenszuträgliche und -abträgliche Anzeichen, und aus ihnen heraus lebt der Glaube. Also besteht das Geschäft der Propheten auch gerade darin, diese Anzeichen festzuhalten. Nicht hingegen besteht es darin, sie zu beherrschen. Dostojewski ist ein Prophet, Soros nicht. Doch leider weitet sich der Wirkungsbereich jener, welche es als ihr Geschäft ansehen, die glaubenszuträglichen und -abträglichen Anzeichen zu beherrschen, aus, und das ist schade, weil es aufgrund ihrer Armseligkeit stets darauf hinausläuft, Glauben zu ersticken. Oder ist es leichter, ein zartes Pflänzlein zu verfertigen, als es zu zertreten? Ein seelisch Reicher hingegen mag sich wohl gegen das Unerhörte wenden, doch kann er den Raub von der Nahrung unterscheiden.

Post Scriptum vom selben Tag. Nicht wenige der Armseligen schätzen die zuträglichen Anzeichen mehr als den Glauben selbst und gebrauchen Gutwilligkeit als Zahlungsmittel.

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