Bereitschaftsbeitrag

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29. Mai 2020

Schulden und schenken

Drei Formen der Macht verbinden sich damit zu schulden und zu schenken:
  • die Macht Schulden einzutreiben,
  • die Macht Schulden zu begleichen und
  • die Macht zu schenken.
Vertrauen bildet sich stets in Folge von Machtausübung. Angewandt auf die vorstehenden Formen der Macht bedeutet dies,
  • daß der Schuldeneintreiber die Möglichkeit hat, das Vertrauen der Schuldigen zu gewinnen, indem er darauf verzichtet, ihre Schulden einzutreiben,
  • daß der Schuldenbegleicher die Möglichkeit hat, das Vertrauen seiner Gläubiger zu gewinnen, indem er seine Schulden stets bestimmungsgemäß begleicht und
  • daß der Schenkende die Möglichkeit hat, das Vertrauen seiner Klienten zu gewinnen, indem er sie beschenkt.
Ersteres und letzteres vollzieht sich relativ schnell, das zweite dagegen nur langsam.

Es stellt sich die Frage, was dies für verschiedene Gesellschaftsformen bedeutet. Fragen wir also zunächst genauer, wer die Schulden eintreiben sollte.

Wenn die Aufgabe, die Schulden einzutreiben, bei den Gläubigern liegt, steht nicht zu erwarten, daß sie auch nur einem Schuldigen seine Schuld erlassen werden. Liegt sie hingegen in anderen Händen, so mag das Vertrauen der Schuldigen schwerer wiegen als die eingetriebene Schuld. Die Gläubiger der meisten Schulden, Dienstschulden und Wiedergutmachungsschulden, sind die Bürger eines Gemeinwesens. Mit der Eintreibung jener Schulden sind heute hingegen Presse und Gerichte betraut. Es ist also wichtig, daß diese nahe an den Bürgern bleiben, andernfalls sie ihre Macht dazu verwenden könnten, sich das Wohlwollen von Veruntreuern und Gewaltverbrechern zu gewinnen. Nahe, freilich, bleiben sie jenen, welche sie bezahlen.

Fragen wir als nächstes, ob es für das Vertrauen auf die Obrigkeit besser ist, wenn sie sich rechtfertigen muß oder nicht, wiewohl ich die Antwort natürlich schon gegeben habe, nämlich daß der Rechtfertigungszwang die Gewinnung des Vertrauens sehr verlangsamt.

Selbstverständlich mag es andere gute Gründe geben, die Obrigkeit dazu zu zwingen, sich zu rechtfertigen, aber in einer Situation, in welcher das Vertrauen ungewiß ist, wäre es verhängnisvoll, darauf zu bestehen. Vertrauen zwischen gleich Mächtigen mag schleichend dadurch gewonnen werden, einander Fesseln anzulegen, Vertrauen zwischen ungleich Mächtigen wird dadurch erschwert.

Wir werden also gut daran tun, Stabilisierung stets durch die unter keiner Kontrolle stehende Tat zu suchen.

Und wenn es uns um mehr als nur Stabilisierung geht, nämlich um eine Gesellschaft voller Vertrauen statt Mißtrauen, werden wir allgemein fordern müssen, daß ein jeder seiner Arbeit möglichst frei, möglichst wenig schuldend und mit möglichst großer Gelegenheit zu schenken, nachgehen kann.

Das sind völlig unstrittige Punkte. Und sie zeigen uns überdeutlich, welche Folgen die Einsetzung von Kontrollgremien ungewisser Loyalität hat. Gibt es tatsächlich eine ernstzunehmende politische Kraft, welche darauf wettet, daß der Durchschnittsbürger zu dumm ist, um zu bemerken, welches Spiel hier mit ihm getrieben wird?

Was ich meine ist dies: Ist es glaubwürdig, daß die Mehrheit einer durch solche Gremien dominierten Architektur ihre Zukunft anvertraut? Eine solche Dummheit kann es doch nicht geben. Und damit ist die ganze Kulisse ein einziger Popanz. Letztlich, jedenfalls. Auch wenn bis zur hinreichend erwachten Klarheit noch etliche gespensterhafte Leiden durch die Straßen ziehen müssen.

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