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26. Januar 2015

Nochmals zu den Anlehnungsbeziehungen

Ich hatte zwei verschiedene Arten von sexuellen Beziehungen beschrieben. Einmal die politische Beziehung, in welcher die Partner einander wählen, weil ihr Zusammenleben sie durch den Umgang mit dem Geist des jeweils anderen bereichert, und zum anderen die Anlehnungsbeziehung, in welcher ein konkreter Akt der Anlehnung das gemeinsamkeitsstiftende Element ist.

Aus ersteren ergeben sich auch die möglichen Gesellschaften im Großen, der private Umgang mit einander informiert den öffentlichen.

Letztere habe ich auch versucht, nach den in ihnen verbundenen Geistern zu klassifizieren, aber das erscheint mir mittlerweile als Irrweg, welcher nur zu weiteren Konfusionen Anlaß gibt.

Der richtige Ansatz ist durch die seelischen Attraktoren gegeben. Es handelt sich hier also um solche Beziehungen, von welchen Nietzsche sagt, daß es bei ihnen immer nur darum gehe, daß eine Seele der anderen etwas stehlen wolle, und zwar eben Erlebnisse, Teilnahmen und Heimaten.

Bei den Erlebnissen ist der eine Partner arm, der andere reich, und ersterer sieht dann auf einmal einen Ausweg aus seinen bisherigen Beschränkungen. Kennen Sie vielleicht, wurde auch mit Julia Roberts verfilmt.

Bei den Teilnahmen geht es um die Aufnahme in gesellschaftliche Kreise, zu welchen man zuvor keinen Zugang hatte. Hier ist es wesentlich das Flair, welches diese Kreise umweht, welches ihre Anziehungskraft auf den Außenstehenden ausmacht. Auch das wurde kulturell behandelt, noch zu zünftigeren Zeiten, wenn Spaniens Blüten blühen.

Die kulturellen Erzeugnisse ähneln einander hierbei, aber der Schwerpunkt liegt bei ihnen doch auf unterschiedlichen Punkten, was aber nicht heißt, daß zweites heute kein wichtiger Motivator mehr wäre. Es ist genauso wichtig, wie seit eh und je, nur wird es mittlerweile beschwiegen, weil wir vorgeben, in einer Gesellschaft zu leben, in welcher es keine exklusiven Kreise gibt, oder, wenn es diese auch gäbe, so jedenfalls in einer, in welcher es sich nicht ziemt, zu ihnen dazugehören zu wollen.

Was aber natürlich niemanden davon abhält, seine Chance zu sehen, wenn sie ihm entgegentritt, zum Beispiel in der Disco: Wirklich? Sie sind ... ?

Der erste Fall ist einfach, da kann wenig schiefgehen, aber er kostet. Und wer einen Menschen aus reinem Gefallen an ihm beschenkt, wird dafür auch nur eine Weile seiner Dankbarkeit versichert sein können. Am Ende wird er oder sie sich nach seinem eigenen Glück umsehen, was er oder sie sich ja nun endlich leisten kann.

Ein solches Verhalten scheint also närrisch, aber gesellschaftlich gesehen ist es gar nicht so schlecht, da jede Verteilung von Kapital ihr gutes hat.

Im zweiten Fall ergeben sich schon größere Hindernisse, schließlich stellen gerade die interessantesten Kreise gewisse Anforderungen an ihre Mitglieder. Dafür kostet es weniger, aber etwas kostet es auch, denn wenn jemand von außen erfolgreich in einen Kreis integriert wird, so wird er geradezu zwangsläufig Veränderungen bewirken, welche den bisherigen Mitgliedern gewisse Unannehmlichkeiten bereiten, was aber letztlich für die Gesellschaft als Ganzes auch nur wieder gut ist, weil auf diese Weise der Ideenkreislauf zirkuliert.

Andererseits, falls die Person an den Anforderungen eines Kreises scheitert, so ist es sowohl für sie als auch für ihren Gönner eine schmerzliche Angelegenheit, indes wohl zu verschmerzen.

Diese Tendenz setzt sich fort, wenn wir den dritten Fall betrachten, wo das Geschenk weder in Geld, noch in Kontakten besteht, sondern im Frieden mit sich selbst. Dieser kostet den Gebenden nichts, aber er ist schwer zu geben, und wenn es mißlingt, so mag auch er es nicht verschmerzen können.

Aber wiederum, wenn einer, sagen wir, zwölf anderen ihren Frieden zu geben versucht, und bei einem mißlingt's, bei den anderen aber gelingt es, wiewohl der eine Fehlschlag auch den Spender zu Fall bringt, so war es für die Gesellschaft als Ganzes doch ein Erfolg.

Gut, das ist jetzt nur als Gleichnis gemeint, ich unterstelle da keine Sexualität. Ich denke aber, in der Sache ändert das nichts.

Mit anderen Worten sind sämtliche Anlehnungsbeziehungen ambivalent, gleich welchen Seelenteil sie betreffen. Man könnte sie gesellschaftliche Viren nennen, in dem Sinne, daß sie einen schwächen, aber die Gesellschaft in ihnen lebt.

Natürlich komme ich hier auf diese Dinge zu sprechen, weil ich mich mit der Frage auseinandersetze, ob dem Herzen tatsächlich immer zu trauen ist, denn das habe ich ja behauptet, daß ich es könne.

Die Antwort in diesem Fall, welcher auch eine gewisse Exemplarizität besitzen dürfte, ist, daß man in ambivalenten Situationen vernünftigerweise auch nichts besseres als ambivalente Gefühle erwarten kann, also daß in diesem Umstand als solchem kein Makel liegen muß.

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