Bereitschaftsbeitrag

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28. Juni 2012

Vom Hang der Wirtschaft zur Verantwortungsdurchreichung

Ein, wenn nicht der, wesentliche Grund für die Menschenunwürdigkeit der modernen Welt besteht darin, daß die Niedrigzinsmarktwirtschaft - man verzeihe die contradictio in adiecto - in sämtlichen Wirtschaftsbereichen dazu führt, daß es für Verkäufer günstiger ist, sich Produkte nach ihren Spezifikationen herstellen zu lassen, als aus bereits bestehenden Produkten neue zusammenzustellen.

Verkäufer ist dabei immer der, welchen die Kunden suchen.

Ein paar Beispiele.
  • Autowerkstätten. Ist ein Teil beschädigt, wird es nicht repariert, sondern ein neues bestellt.
  • Markensupermärkte.  Die Markenproduzenten richten ihre Produktauslagen selber ein. Der Supermarkt mietet lediglich die Verkaufsfläche für sie.
  • Discounter. Zum einen wird der Supermarkt als ganzer als Verkaufsfläche für den jeweiligen Discounter gemietet (z.B. bei LIDL), m.a.W. dasselbe wie oben nur mit einer Marke, zum anderen finden sich Produzenten, welche gemäß den Vorgaben der Discounter produzieren.
  • Franchisenehmer. Wiederum wird schlicht die Verkaufsfläche für die Marke gemietet.
In allen diesen Fällen stellt sich die Produktstruktur für den Verkäufer so dar, daß es in viele kleine Teile zerfällt, um welche sich jeweils ein anderer Produzent kümmert, wobei ein Teil des Produkts eben auch schlicht eine Verkaufsfläche sein kann, denn für den Markeninhaber, welcher seine Marke verkauft, ist die Verkaufsfläche eben das, was noch von anderen produziert werden muß, um sein Produkt zu vervollständigen. Das spezifische an dieser Lage ist, daß es, im Gegensatz zur Werkstatt, welche repariert und nicht bloß austauscht oder dem Händler, welcher sein Sortiment nach eigener Prüfung zusammenstellt, kein Zusammenspiel von mehreren freien Akteuren gibt, sondern daß der Verkäufer stets die gesamte Produktion kontrolliert.

Ich möchte das für die Autowerkstatt etwas genauer erläutern. Verkäufer ist hier die Automarke, und die Werkstatt steuert lediglich die Instandsetzung als ihr Produkt bei, worin sie aber nicht frei ist, denn sie kann ja nur auf die Produzenten von Ersatzteilen zurückgreifen, welchen die Automarke eine Lizenz verkauft hat.

Die Konsequenz daraus ist natürlich, daß, wenn auch nur irgendein Teil eines Automodells nicht mehr hergestellt wird, man das ganze Auto vergessen kann.

Natürlich wären Werkstätten lieber frei, aber je komplexer Autos werden, insbesondere dadurch, daß sie immer mehr Elektronik aufweisen, desto spezifischer werden ihre Einzelteile und desto schwieriger wird es also, sie in Eigenregie zu ersetzen.Und es liegt natürlich im Interesse der Automarken, Lizenzen zu verkaufen und erzwingen zu können, daß sich Kunden ein neues Modell zulegen, so daß einzig ein Streik der Werkstätten sie von diesem Kurs abbringen könnte. Aber aufgrund des niedrigen Zinses kann ja jeder ohne weiteres eine Werkstatt eröffnen. Also haben die Werkstätten keine Möglichkeit, ihre Interessen durchzusetzen.

Und so verhält sich überall. Stets ist es letztlich der niedrige Zins, welcher bewirkt, daß der Verkäufer den Produzenten kontrolliert und der Produzent damit keine Verantwortung jenseits dessen übernehmen kann, was der Verkäufer ihm zugewiesen hat, und das ist üblicherweise so gut wie nichts.

Alle Verantwortung liegt in den Händen des Verkäufers, welcher oftmals freilich auch Fabrikinhaber ist, was aber nur heißt, daß ein Produzent rechtzeitig erkannt hat, daß er zum Verkäufer werden muß, um zu überleben.

Unsere Wirtschaft, wie sie heute geregelt ist, mündet immer in diesen Zustand, stets sitzt irgendwo die Spinne mit dem großen Namen und hält alle Fäden in der Hand, während alle anderen Aufgaben übernehmen, welche man getrost als Lagerarbeit bezeichnen kann.

Gezielte Einforderung von Industriestandards, Interesse an der Funktionsweise der Produkte, welche man benutzt, ein Bewußtsein für die wirtschaftliche Autonomie der eigenen Gemeinde, nur so kann die Menschheit diesem Zustand entkommen.

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