Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

13. Juni 2012

Verschiedenes

Heroische und philosophische Gesinnung als eine Frage des Menschenbildes. Nicht zur Definition tauglich, aber immerhin noch ein gutes Kriterium für die Frage danach, ob einer heroisch oder philosophisch gesinnt ist, ist die Frage danach, ob einer glaubt, er könne seine Mitmenschen dazu bewegen, das zu tun, was er will, oder nicht, also ob er glaubt, daß die Handlungen seiner Mitmenschen Antworten auf seine Bemühungen sind oder aus ihren eigenen, inneren Gesetzen entspringen, soweit es den allgemeinen Fall betrifft, im privaten Bereich Bereich glaubt natürlich jeder eher das erstere.

Tabuisierte Umgangsformen und Ordnungsprinzipien. Es scheint üblicherweise so zu sein, daß es eine Gesellschaft nicht toleriert, wenn Umgangsformen ihr Ordnungsprinzip frontal angreifen. Besonders schön läßt sich das an den Vereinigten Staaten studieren. Ihr Ordnungsprinzip ist der Geldbesitz, wie ich ihn im vorletzten Beitrag beschrieb, also die Achtung einer Person nach der Wahrscheinlichkeit, daß sie einen für die eigenen Dienste bezahlt. Weil nun aber diese Wahrscheinlichkeit nicht unbedingt mit der natürlichen Achtung dieser Person übereinstimmt, sind in den Vereinigten Staaten offene Bekundungen der Verachtung, sei es durch ungehobelte Sprache oder durch Spott, strengstens geächtet.

Was Deutschland angeht, so kann ich nicht sagen, daß es so etwas wie ein allgemeines Tabu gäbe, soweit es die Umgangsformen betrifft, wohl aber gibt es spezielle Tabus in Teilgruppen der Gesellschaft, ja, diese speziellen Tabus kann man auch gleich wieder über einen Kamm scheren, denn sie betreffen die Zugehörigkeit zu einer Teilgruppe an sich. In der Gesellschaft kann ein Deutscher tun und lassen, was er will, aber in seiner Teilgruppe muß er genau darauf achten, daß seine Umgangsformen seiner Stellung in der Teilgruppe entsprechen. Deutschland ist also korporatistisch geordnet, wie sich auf diese Weise schnell ergibt. Ich schrieb auch schon von Korporationen als Ständen und selbstkontrollierenden Zwangsvereinigungen in der Hand totalitärer Regime. Ich würde sagen, beides kommt in Deutschland vor, der Schwerpunkt liegt aber, noch jedenfalls, bei den Ständen.

Im direkten Vergleich zu den Vereinigten Staaten stellt sich natürlich die Frage, woher dieser Unterschied in den Ordnungen kommt, denn letztlich sind die Vereinigten Staaten selbstverständlich auch ständisch organisiert, und Deutschland ist selbstverständlich auch kapitalistisch, und ich denke, ich habe diesen Unterschied jetzt schon weit besser beschrieben, als es üblicherweise unter dem Titel der sozialen Marktwirtschaft zu geschehen pflegt.

Zwar ist die Zerschlagung von Gewerkschaften das wichtigste Element, welches die beiden Ordnungen von einander trennt, aber letztlich ist die Sache psychologisch begründet. Der Deutsche verabscheut das Katzbuckeln vor der Kundschaft und der Amerikaner verabscheut es, stets seinen Rang in der Hierarchie zu bedenken.

Daß der Wert einer Person durch ihren Reichtum bestimmt sein sollte, ergibt sich für den Amerikaner aus Erwägungen seine persönliche Freiheit betreffend, nicht zuletzt, weil er seit seinen Anfängen besitzend ist. Bei den Deutschen hingegen gibt es keine Institution, über welche die gegenseitige Achtung abgewickelt würde, sie ist direkt zu erbringen und wird direkt erbracht.

Das deutsche Ordnungsprinzip ist also ein im wesentlichen psychologisches, wenngleich wieder ein indirektes, wie auch bei der Kirche. Was die deutsche Ordnung verspricht ist, daß in allen Unternehmungen Ordnung herrsche, also daß sich der Deutsche darauf verlassen könne, daß er ein hierarchisches Umfeld vorfindet, in welchem sein Bedürfnis nach Anerkennung erfüllt wird.

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