Bereitschaftsbeitrag

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5. Juni 2012

Ordnungsmächte

Jede Ordnung beruht auf einem Vorteil, welchen sie einer hinreichend großen Gruppe, um sie aufzurichten und aufrecht zu erhalten, gewährt.

Eine Klassifizierung dieser Vorteile scheint mir sehr möglich, aber einstweilen begnüge ich mich mit einem historischen Überblick über verschiedene Vorteile und die Verwendung ihrer Nutznießer zur Aufrichtung verschiedener Ordnungen.

Beginnen wir gleich mit dem kompliziertesten Beispiel, nämlich der katholischen Kirche. Bei den orthodoxen Kirchen sieht es grundsätzlich genauso aus, nur daß sie national und nicht international agieren. Der Vorteil, welchen die katholische Kirche verspricht, ist, dafür Sorge zu tragen, daß Gottes Wille wie im Himmel so auch auf Erden geschehe. Richten tut sich dieses Versprechen als solches an potentielle Priester und Mönche. Nur jenen ist es wichtig genug, um in der Folge dann das Nötige zu tun, um es einlösen zu helfen.

Deshalb ist der Fall der katholischen Kirche so kompliziert, der Vorteil ist kein konkreter, sondern einer, welcher ständig neu konkretisiert werden muß. Und wenn er dann konkretisiert wurde, muß er anderen schmackhaft gemacht werden, welchen er von Haus aus nicht schmeckt.

Die Kirche braucht also neben ihrem primären Vorteil, Menschen die Hoffnung geben zu können, auf das Reich Gottes zuzusteuern, noch sekundäre, weltliche Vorteile, um ihre weltlichen Partner in die gewünschte Richtung zu lenken. Über die Rolle der Juden dabei habe ich schon gesprochen, an dieser Stelle möchte ich einen kleinen Überblick über die verschiedenen Vorteile geben, welche unterschiedliche europäische Völker bewogen das Christentum anzunehmen.

Sachsen und Esten bewog das gegen sie erhobene Schwert. Die Franken bewog das Angebot, den ethnischen Gegensatz in ihrem Reich zu überwinden. Die Spanier bewog die Unterstützung in ihrem Kampf gegen die verhaßten westgotischen Besatzer, welche nie als Christen anerkannt waren. Die Letten bewog militärischer Beistand gegen die Esten und die Litauer die Aussicht, ihre nationale Eigenständigkeit in schwierigen Zeiten zu bewahren. Die Wikinger, wie gesagt, bewogen Gold und versprochene Königswürden.

Wie man sieht, setzte die Kirche ihren Ordnungsrahmen kompromißlos durch, verwandte dabei aber ganz unterschiedliche Mittel.

Im Gegensatz zum Christentum verspricht der Islam nicht das Reich Gottes, sondern das Auskommen der Gläubigen in einer ihnen feindlich gesonnenen Welt. Die von mir bereits rezensierte Sure Die Färse bringt es auf den Punkt. Auch der Islam verwendet verschiedene Mittel zur Aufrichtung seiner Ordnung, rät Gewalt als Mittel zu ihr aber zentraler an, als es das Christentum tut.

Es wäre allerdings falsch zu glauben, daß das Christentum in seinen relevanten Schriften, also den Briefen des Paulus und der Offenbarung des Johannes, Gewalt, auch im großen Maßstab, nicht anraten würde.

Daß das Christentum seine Aufrufe zur Gewalt indes solcher Art verschleiert, hängt damit zusammen, daß die Kirche nur ausgesprochen selten direkt Gewalt ausübt und kein Interesse daran hat, Menschen aufzunehmen, welchen daran gelegen ist. Sie ist eben eine Kirche und wirkt auf die beschriebene indirekte Weise.

Wenden wir uns nun nach diesen beiden zumindest partiell psychologischen Vorteilen den rein materialistischen und ihren Ordnungen zu.

Materieller Vorteil bedeutet Besitz - fragt sich nur: von was?

Hier ist die Klassifikation nun gewiß möglich, aber ich begnüge mich wiederum mit historischen Beispielen.

In Rußland ist es der Besitz des Landes, nicht durch Privatpersonen, sondern durch die lokale Bevölkerung, welcher das ordnungsstiftende Element darstellt. Einerseits können die Leute alles in ihm machen, was sie gerne wollen, andererseits müssen sie es in einem bestimmten Zustand bewahren, was voraussetzt, daß sie es auch verteidigen können.

Land ist natürlicherweise teilbar, man lebt ja nunmal natürlicherweise als Gruppe zusammen in ihm. Ganz anders verhält es sich beim Besitz von Geld.

Wo der Vorteil im Besitz von Geld besteht, dort ist die errichtete Ordnung eine die Menschen trennende, differenzierende. Noch zu den feinsten Differenzierungen kommt es, um dem freien Geldfluß Hindernisse aus dem Weg zu räumen, welche sich ergäben, wenn neben dem Geld noch anderes in Betracht käme, was der Fall wäre, wenn man sich nicht einer genau umgrenzten finanziellen Klasse zugehörig fühlte. Die finanzielle Differenzierung verdrängt andere Formen von Identitäten und wird bewußt aus dem Wunsch, dem Geld alles unterzuordnen, betrieben.

Dieser Wunsch erklärt sich übrigens aus dem Glauben, Geld könne alle Arten von Wert messen und besser messen als sonst etwas. Ein Glaube, welcher für sich genommen keineswegs dumm ist, allerdings aufgrund seiner Systemfähigkeit zu schwer überschaubaren Konsequenzen führt.

Freilich, auch die landbesitzbasierte Ordnung führt zu weiteren Konsequenzen, insbesondere zu Innovationsfeindlichkeit. Im Vergleich zur geldbesitzbasierten ist sie aber recht überschaubar und vorhersehbar. Ein spezielles und gravierendes Problem letzterer besteht ja in ihrer völligen Instabilität gegenüber Verbrechen, der erfolgreiche Räuber, welcher spendet, ist ihrgemäß ein Heiliger, der beste Mensch von allen, und alleine dadurch entstehen Spannungen und Verwerfungen gänzlich unkontrollierbarer Art.

Nun, ich hoffe einen brauchbaren Aufriß dieses Themas verfaßt zu haben, welcher meine bisherigen Betrachtungen zu verwandten Themen sinnvoll ergänzt, etwa Über die Organisationsprinzipien einer Tyrannei und Zur Klassifikation militärischer Organisationen nach Stanisław Andrzejewski.

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