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8. Oktober 2013

Das ewige Gerede

Hesse führte es mir leider wieder vor Augen, das ewige Gerede. Dieses Aneinanderreihen von Beobachtungen, gebündelt nicht vom eigenen Empfinden, sondern von den zeitlos gültigen Urteilen des Volkes. Ich verzichte auf ein spontanes Beispiel, will mir die Laune nicht gänzlich verderben. Es ist ja auch nicht nötig, andere geben mir Stoff genug.

Hesse also zuletzt, indem er Josef Knecht verwundert nicht bedenken läßt, daß er als Magister keinen Lehrer mehr hat und in Ermangelung der Krücke des hierarchischen Aufstiegs die Linearität des Erkenntnisgewinns in Frage stellend seine Abwendung von Kastalien mit Phrasen schmückt, deren Kern recht eigentlich ist, daß es doch schön sei, wenn man etwas täte.

Gewiß, es geht uns um Transzendenz, und für die der Achtung Verhafteten im speziellen um schicksalshafte Verknüpfungen. Und wenn sich Kastalien außerhalb des Schicksals gegründet wissen will, so muß es damit einen achtungsverhafteten Menschen frustrieren.

Das ist banal, nicht tief. Das ewige Gerede hilft genau das zu kaschieren, darum gefällt's mir nicht. Bleiben wir noch kurz bei dem Beispiel, denn es ist interessant, Hesse hat's nur unbearbeitet gelassen.

Angenommen, den Kastaliern ginge es nicht um Achtung, sondern um Sorge, was hieße das für ihren Orden?

Nun, ich hab's zuletzt bereits gesagt, es hieße, daß es die Aufgabe des Ordens wäre, sich den in der menschlichen Existenz zeigenden Widersprüchen zu stellen, sie auszuhalten, bis sich Wege aus ihnen auftäten.

Hat Hesse gar keinen Begriff von.

Doch genug von ihm. Das ewige Gerede ist mächtig. In ihm wirkt die Tendenz, in der Welt genau das zu erkennen, was man von vornherein in ihr erwartete.

Vielleicht die Stelle etwas selbstkritisch zu werden. Hege ich seit jeher eine bestimmte Erwartung an die Welt? Heute sieht's wohl so aus, aber man kann's nicht redlich sagen. Meine Grundeinstellung, an welcher sich auch allem Anschein zum Trotz nichts geändert hat, ist, daß ich schlicht zu wenig wisse, daß die Existenz grenzenlos und unbekannt ist. Nun, darin steckt eine Hoffnung, aber die Erwartung verbietet sich.

Und ich bin auch überrascht von meinem Leben und werde ständig wieder von ihm überrascht. Meine Träume kommen aus mir, mein Leben nicht.

Und doch, es gibt bei all dem einen Punkt im eigenen Bewußtsein, der sich auf die Schenkel schlägt. Eine Stimme, die sagt: Na, aber irgendetwas wird immer sein. Glaub' mir, ich bin schon alles gewesen.

Das wäre mein ewiges Gerede. Meine Tendenz... in der Form aber impotent. Das Mögliche muß zuerst gemocht werden, um sich zu bewähren. Mir ist reden also wesentlich, um das Geliebte zu erfassen, weil ich die Hoffnung habe, daß sich die Gründe, welcher seiner Existenz entgegenstehen, auflösen werden, auf welchem Wege auch immer. So ist die Sorge.

Soll aber der, wem das Reden unwesentlich ist, darum dem ewigen Gerede überlassen sein?

Darin liegt Tragik. Ewige Wiederholung. Verzicht auf's Gebet.

Ja, seltsam, nicht? Gerade dadurch, daß man das nächste Ziel immer wieder von neuem ins Auge faßt, wird die Ewigkeit erträglich. Wohl auch für die anderen, nur daß sie kurzsichtiger sind.

Johannes war groß. Wie groß! Was muß ein Mensch erlebt haben, um so weit zu sehen?

Gut, mag es also Eigennutz der Weitsichtigen sein, daß sie die Kurzsichtigen nicht dem ewigen Gerede überlassen, damit sie selbst die Ewigkeit ertragen können, wen kümmert das?

Denn dieses ewige Gerede... nehmen wir nur mal AIDS als Beispiel. Ein Virus, aus einer Rinderkrankheit gezüchtet, den Homosexuellen und Schwarzen im Zuge der Impfung gespritzt? Gottes Strafe für die Primitiven, welche die demographischen Verhältnisse zu Recht rückt? Eine Erfindung der Homolobby, um mehr Geld für die Behandlung all ihrer verschiedenen Krankheiten zu bekommen, welche opportun unter dem Begriff der Immunschwäche zusammengefaßt wurden?

Man wird sich nicht einigen, denn überall stützt sich die Meinung auf letzte Möglichkeiten, an welche sie im Gegensatz zu den anderen glaubt, ja, die anderen Meinungen neigen stark dazu, gerade diese Möglichkeiten gar nicht erst zur Kenntnis zu nehmen.

Ewiges Gerede letztlich auch das, nur konkretisiert, eingekleidet in seine gerade aktuelle Bestätigung.

Aber die Menschen nicht dem ewigen Gerede zu überlassen, heißt nicht, es aus der Welt zu schaffen, sondern lediglich, ihnen Themen vorzusetzen, auf welche sie alleine nicht verfielen.

Sind nicht unwichtig solche Themen, daß die meisten kurzsichtig sind, hat dabei auch seine gute Seite, denn eine Idee gewinnt nichts durch die Zahl ihrer Anhänger in der Diskussion, wenigstens da nicht!, und also hat jeder Weitsichtige nicht nur die Pflicht, sondern auch die Möglichkeit seinen Beitrag zu leisten.

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