Der Abgrund
Propheten und Priester, gehen allesamt mit Lügen um und trösten mein Volk in seinem Unglück, daß sie es gering achten sollen, und sagen: "Friede! Friede!", und ist doch nicht Friede.Wie ich im Beitrag Machttransformation und -regeneration schrieb, muß auf die höchste Konzentration der Macht in den Händen Weniger ihre größte Zerstreuung in den Händen Vieler folgen, und zwar indem die Not den Glauben der Vielen herauskristallisiert, welcher sie alsdann neu zusammenschließt.
Andererseits hängt diese Abfolge vom technischen Entwicklungsstand ab, denn dieser bedingt das Gleichgewicht zwischen oberer und unterer Macht. Während in der vorindustriellen Zeit die Masse der Menschen rechtlos gehalten werden konnte, ohne daß dies die Basis, welche durch geteilte Vorstellungen des sozial Akzeptablen die Spitze bindet, zu sehr ausgedünnt hätte, wurde es im industriellen Zeitalter nötig, die Basis zu verbreitern, um die neuen Möglichkeiten der Spitze auszugleichen.
Im Informationszeitalter nun wäre es nötig, die Basis durch Hirnimplantate und dergleichen mehr zu halben Kampfrobotern aufzurüsten, um das Gleichgewicht auch weiterhin zu wahren. Unterbleibt dies, so besteht ein systemisches Übergewicht an oberer Macht, welches die Machttransformation und -regeneration so lange verhindert, wie die Grundlagen des technischen Entwicklungsstandes bestehen bleiben.
Denn sie werden sagen: Es ist Friede, es hat keine Gefahr, so wird sie das Verderben schnell überfallen, gleichwie der Schmerz ein schwangeres Weib, und werden nicht entfliehen.Kriege, als äußerste soziale Anstrengungen, können, so lange ein Gleichgewicht zwischen oberer und unterer Macht besteht, nur mit Rücksichtnahme auf die Basis geführt werden, müssen also sozial akzeptabel sein, und das heißt konkret die Lebensgrundlage der Gesellschaft verbreitern (Existenzebene der Lust), die Gesellschaft von funktional einschränkenden Umständen befreien (Existenzebene der Achtung) oder die eigene Verfassung als Rechts- oder gar Pflichtenstaat sichern (Existenzebene der Sorge).
Wir sind heute soweit, diesen Gründen zu wehren, oder stehen jedenfalls an der Schwelle dazu, wenn Einsicht unsere Akzeptanz von Ordnungsrahmen, sowohl für uns selbst, als auch für andere, leitete. Die Verheißung des Friedens ist also nah.
Nur ist es kein Friede, denn indem die Basis ihre Macht verliert, ändert der Krieg sein Antlitz.
Denn die da schlafen, die schlafen des Nachts, und die da trunken sind, die sind des Nachts trunken; wir aber, die wir des Tages sind, sollen nüchtern sein, angetan mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung zur Seligkeit.Nacht ist Unkenntnis. Hesse hat, neben vielen schlechten Gedichten, auch ein gutes geschrieben.
EntgegenkommenDas Beunruhigende der Tiefe, des Inneren der Dinge, besteht darin, daß dort wohl etwas ist, was wir aber nicht kennen. Unser Umgang ist auf die Oberfläche beschränkt, und was noch neben uns an anderen Dingen in der Welt ist, wird den meisten Menschen durch ihn vertraut. Sie sprechen, was sie sehen, als Dinge an und legen ihre Beobachtungen in ihr Wesen. So wird die Welt ihnen nah, aber nur ein Teil der Welt, ihre Oberfläche. Und wenn sie noch so viele Schnitte führen, stets bleibt der Abgrund, auch wenn ihn einige erfolgreich verdrängen.
Die ewig Unentwegten und Naiven
Ertragen freilich unsre Zweifel nicht.
Flach sei die Welt, erklären sie uns schlicht,
Und Faselei die Sage von den Tiefen.
Denn sollt es wirklich andre Dimensionen
Als die zwei guten, altvertrauten geben,
Wie könnte da ein Mensch noch sicher wohnen,
Wie könnte da ein Mensch noch sorglos leben?
Um also einen Frieden zu erreichen,
So laßt uns eine Dimension denn streichen!
Denn sind die Unentwegten wirklich ehrlich,
Und ist das Tiefensehen so gefährlich,
Dann ist die dritte Dimension entbehrlich.
Wohl hingegen denen, welchen Gott nah und die Welt durch Gott nahe ist.
So, und damit habe ich den 666sten Beitrag auf diesem Blog, hoffe ich, würdig geschrieben.
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