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19. April 2015

Gesellschaftsverträge

Ich möchte in diesem Beitrag den Blick weiten auf die unterschiedlichen Arten von Gesellschaftsverträgen und die Voraussetzungen und Notwendigkeiten ihres Zustandekommens.

Bisher besprach ich ausführlich die idealgebundenen Verträge, das heißt die der Harmonie, Größe oder Ewigkeit verbundenen, in welche die Mitglieder der Gesellschaft eine der ihnen passenden Rollen, Forscher oder Errichter, Schlichter oder Verteidiger, Zwinger oder Bringer, ausfüllen, siehe den Beitrag Gemeinschaftsstiftende Erzählungen.

Die Notwendigkeit dieser Verträge besteht darin, die politische Handlungsfähigkeit der betroffenen Gesellschaften auf Dauer zu gewährleisten. Und die Bedingung ihres Zustandekommens ist, diese Notwendigkeit einmal zu erleben.

Denn ohne ein solches Gemeinschaftserlebnis schließen einander Fremde keinen idealgebundenen Vertrag. Beispiele hierfür in der heutigen Zeit sind die Vereinigten Staaten von Amerika und Brasilien. In den übrigen Staaten der amerikanischen Kontinente gibt es zwar auch keine idealgebundenen Verträge auf nationaler Ebene, sehr wohl aber innerhalb der verschiedenen gesellschaftlichen Schichten. Es handelt sich bei ihnen also um Kastenstaaten.

Idealgebundene Verträge sind aber nur eine Art von Gesellschaftsverträgen, nämlich die horizontalen. Die vertikalen bestehen aus den Generationenverträgen.

Es gibt dabei im wesentlichen wiederum zwei verschiedene Arten von Generationenverträgen, nämlich
  1. die Verschenkung von Gelegenheiten und
  2. die Verschenkung von Privilegien.
Der Unterschied zwischen diesen beiden Polen, welche selbstverständlich auch gemischt auftreten können, besteht in der Determiniertheit der Gesellschaft, oder anders ausgedrückt, ihrer Starre, denn während die ältere Generation im ersten Fall lediglich Versuche anstellt, die Verhältnisse innerhalb der nächsten zu bestimmen, legt sie diese im zweiten Fall nach Maßgabe ihres eigenen Urteils fest.

Die Vereinigten Staaten geben ein Beispiel für die erste Art ab, Brasilien eines für die zweite.

Aber so, wie eine Gesellschaft ohne horizontalen Vertrag sein mag, mag sie auch ohne vertikalen sein. Denn auch vertikale Verträge besitzen eine Voraussetzung, nämlich die Zuneigung der Generationen zu einander.

Doch kommen wir auf die Notwendigkeit dieser Art Verträge zu sprechen.

Angenommen, die ältere Generation betrachtet die jüngere mißliebig und ist in Folge dessen nicht geneigt, ihr irgendwas zu schenken, so wird sie die jüngere entweder ausnutzen und in dieser einen dozilen Typ züchten oder, wo ihr Wissen veraltet ist, Gefahr laufen, von dieser betrogen zu werden.

Ist also in einem Land das Generationenverhältnis zerrüttet, gewinnen Seilschaften aufgrund fehlender Konkurrenz an Gewicht und dadurch Verschwörungen gegen das Gemeinwohl, denn die politische Vertretung des Gemeinwohls lebt nicht von der Selektion seiner Vertreter, sondern von seinem Anklang, und ist darum in einem von Seilschaften dominierten Umfeld nicht zu Hause.

Es muß an dieser Stelle allerdings angemerkt werden, daß der Staat durch seine Einstellungspraxis im öffentlichen Dienst erheblichen Einfluß auf die Gesamtsituation nimmt, welcher freilich nur aus sehr abstrakter Zuneigung quillt oder nicht quillt: Je mehr Freiräume der Staat dort der jüngeren Generation gibt, desto mehr kann er gesamtgesellschaftlich kitten.

Frankreich tut sich diesbezüglich positiv hervor. Es mag sein, daß sich das nordeuropäische Gelegenheitsdenken hier mit dem Prinzip staatlicher Bevollmächtigung beißt - ein Widerspruch, welcher vielleicht nicht überall klar erkannt wird.

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