Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

12. Juli 2017

Permissivität

Wann immer ein Machthaber darauf verzichtet, seine Macht zur Behebung eines Mißstandes einzusetzen, geht er davon aus, daß sich der Mißstand nicht weiter auswächst, sondern an seiner eigenen Unzulänglichkeit eingeht.

Es gibt in der Natur lebensfeindliche und lebensfreundliche Zustände, allgemein und im Speziellen, und das Interesse einer Untergruppe an einer bestimmten Einrichtung mag sich nicht mit dem der Obergruppe decken, wobei es in dem Fall für die Verschiebung der Gewichte und die Möglichkeit zur Permissivität entscheidend ist, wie lebensfeindlich der Weg vom gegenwärtigen Zustand zu einer anderen Einrichtung zwischenzeitlich wird: Ist er mit absehbarer Mühe gangbar, so wird er nicht offengehalten werden.

Dies ist die Situation in einem Interessenkonflikt. Daneben gibt es aber auch den nicht auf einen Interessenkonflikt zurückführbaren Systemkonflikt, in welchem Verhaltensweisen nicht als zielgeleitet angenommen werden können, beispielsweise im Bereich der Kindererziehung.

Bei Systemkonflikten hängt die Geeignetheit der Permissivität denn auch nicht von der lokalen relativen Lebensfreundlichkeit der gegenwärtigen Einrichtung ab, sondern von der Verträglichkeit zweier sich überschneidender Systeme, und genau darin wurzelt die Methode, mit welcher Kinder sich ein Bild vom Umfang des Systems machen, in welchem sie leben: Immer wenn die Eltern wütend werden, gehört eine Regel zum System.

Im Lichte dieser Betrachtung ist ein Mensch also genau dann erwachsen, wenn ihm seine Fehler selber Weh, oder wie man sagt, Leid tun.

So viel zur allgemeinen Situation. Im speziellen interessiert mich aktualitätsbedingt ein spezifisch weiblicher Pazifismus, nämlich sich so lange durchprügeln zu lassen, bis dem Macker die Puste ausgeht.

Nach dem Vorigen dürfte klar genug sein, daß die die Ordnung garantierende Gewalt keinen Fehler begeht, wenn sie ihren Kritikern auf diese Weise ihr grammatikalisches Geschlecht veranschaulicht: die Polizei, der schwarze Block, nicht?

Aber wie weit reicht dieser Ansatz?

Männer verprügeln Frauen natürlich, weil diese keine ihnen genehme Form haben, und das weibliche Kalkül besteht darin, auf die Einsicht zu setzen, daß die Verantwortung eines Mannes der wirklichen und keiner Wunschform gilt, zu welcher sich wohl jeder Mann bei hinreichender Erschöpfung schließlich durchringt.

Und das ist auch der natürliche Anwendungsbereich dieses Ansatzes: Wo Unmut schließlich der Reue über den angerichteten Schaden oder dem Entsetzen über die gänzliche Fruchtlosigkeit weicht.

Und wenn der Mensch im allgemeinen nicht pyroman veranlagt wäre (Feuer!), so fiele der Protest der Autonomen gegen die Staatsgewalt auch mustergültig in diese Kategorie.

Aber was ändert die Bewunderung der eigenen Herrschaft über das weltverschlingende Element schon? Gut, sie erleichtert die Mobilisierung, aber irgendwann ist es dann ja auch wieder genug, zu Ostern, an Johanni, neuderdings am 1. Mai und wenn die größten 20 Staatschefs eine Fete schmeißen.

Man gönnt sich ja sonst nichts.

Doch es gibt wohl auch anders gelagerte Fälle, und um das einzusehen, müssen wir das Thema Gewalt gegen Frauen gar nicht verlassen. Einige Männer haben nämlich dazugelernt, und verprügeln Frauen nicht mehr, was ja doch nichts bringt, sondern schütten ihnen stattdessen jetzt Säure ins Gesicht, darauf spekulierend, daß dies wohl tatsächlich zu weiblichen Verhaltensänderungen führt.

Ja, und so ist das auch. Also, um dies ins Allgemeine zu übertragen: Permissivität stößt da an ihre Grenzen, wo Unmutsäußerungen mit strategischen Geländeverlusten einhergehen.

Indes, derart auf dem Ehrenrührigen herumreitend möchte ich diesen Beitrag nicht beschließen. Das eigentliche Problem ist weder, daß die Polizei zu sehr einer Hure gleicht, noch daß strategisch Stücke aus der Staatsmacht herausgeschlagen würden  - also jedenfalls nicht von unten - das eigentliche Problem besteht in der Unterdrückung gesundheitserhaltender Zurechtweisungen in einem Systemkonflikt: Natürlicherweise werden auf diese Weise sämtliche Konfliktpunkte peu à peu entschieden, wohingegen der heutige ethnische Repräsentationsansatz (zur gegenleistungsarmen Regierbarkeit) zur Schollenbildung im Verhaltensregelnbereich führt, und niemand kann abschätzen, wie diese Systemreste harmonieren werden, wenn sie zusammengefügt werden.

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