Bereitschaftsbeitrag

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2. Januar 2019

Die Grenzen der Welt

Ein Eindruck beschäftigt mich seit einiger Zeit. Er betrifft die Erscheinungsweise von Bäumen. Seltsam unwirklich erscheinen sie, mehr wie gemalt als ragend, ein Gewirr von Rindenmustern und Knospstellen, von überraschend auftrumpfenden Farben, selbst die unterschiedlichen Grün- und Braunschattierungen der Stämme scheinen interessant, ein Kind mag die Welt wohl so sehen.

Der Wahrnehmung auf den Grund gehend stieß ich auf das Wunder der Zeit, daß entsteht, was man sich nicht bewegen sieht, daß im Augenblick mehr wirkt, als was man selbst erfassen kann. Der Eindruck ist der Offenheit geschuldet: Wer auf die Zukunft wartet, anstatt sie zu erzwingen, dem begegnet die Welt also in ihrer Breite.

Und zugleich ist der Wartende bei sich selbst, wie der gerade aus dem Bett Aufgestandene noch bei sich selbst ist, bevor sich seine Sinne langsam der Welt bemächtigen. Bei sich selbst sein, im doppelten Sinne beim Grund des eigenen Welterlebens, was einem Kraft und Ziel gibt. Und die Welt, sie ist da irgendwo, da draußen, und hält erwartet-erhofft etwas für einen bereit, die Umstände seiner Begegnung einstweilen verworren, aber so viel ist doch klar, daß wir angewiesen sind, an ihr dran zu bleiben.

Oder auch nicht. Schrecklich ragt ein andrer Eindruck auf, daß die Welt vor einem zu Ende geht, die Sonne strahlt, der Wind bläst vor ihr her, nichts ist einem zu tun geblieben, über den Boden ergießt sich die Leere. Es ist eine erstaunliche Offenbarung, daß der Boden, welcher einem das Leben gibt, begrenzt sei, das Umfeld für die eigene Entfaltung. Doch Grenzen hat die Welt, sie beschreiben das Fenster unsres Wirkens.

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