Bereitschaftsbeitrag

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3. Oktober 2020

Zum Umgang mit Halbbegriffenem

Ein Kind meint, alles zu begreifen, weil es meint, daß begreifen nicht mehr bedeutet, als die Definition eines Ausdrucks zu kennen. Irgendwann stellen sich ihm dann aber Fragen, auf welche es keine Antworten hat, und auf welche ihm auch andere keine Antworten geben können. Dann begreift es, daß es unvollständig Begriffenes gibt, oder Halbbegriffenes, wie ich es nennen möchte.

Dieses Halbbegriffene übt unter Umständen eine Faszination auf den es halb Begreifenden aus, aber er mag es auch scheuen. Ob es das eine oder das andere ist, hängt nicht zuletzt davon ab, ob der sich Fragende sich selbst bespiegelt, das heißt sich selbst als halbbegriffen betrachtet, oder ob er sich selbst begreift, wobei es genau genommen nur darauf ankommt, daß er begreift, was er tun sollte.

Wenn ein Mensch sich selbst bespiegelt, so bemerkt er natürlich, daß er durch Halbbegriffenes behindert wird, und also fasziniert es ihn, es ganz zu begreifen. Wenn ein Mensch hingegen begreift, was er tun sollte, so lernt er bald, daß er nichts dadurch gewinnt, wenn er sich auf Taten einläßt, welche dem zuwiderlaufen oder in keiner erkennbaren Beziehung zu ihm stehen. Das heißt, er lernt, daß es hinsichtlich des an ihm zu tun Liegenden gar keine Halbbegriffenheit gibt: Wenn es nicht positiv dem entspricht, was er tun sollte, dann sollte er es besser lassen.

Sind Halbbegriffenheiten also schattenhafte Gespenster, welche uns umkreisen, und welche wir besser ignorieren sollten?

Nun, eine allgemeine Antwort möchte ich nicht geben, aber darauf hinweisen, daß die Prüfung von etwas halb Begriffenen oftmals dazu führt, daß wir etwas anderes ganz begreifen. Besser als das Bild schattenhafter Gespenster ist also das Bild von Fäden, an welchen möglicherweise Preise hängen, wie auf dem Jahrmarkt: Man weiß vorher nie, was man bekommt, aber oftmals gewinnen wir, und nebenbei ist es ein Weg, überhaupt etwas zu tun zu haben.

Insbesondere ist die Wiederkehr Christi etwas Halbbegriffenes, welches wir erst dann ganz begreifen, wenn Er vor uns steht. Das Fortschreiten des Christentums auf seiner Bahn hängt nicht davon ab, daß Christen es als den Weg zur Wiederkehr Christi verstehen, und das widerspräche auch der vorigen Beteuerung, daß es genügt, stets nur das zu tun, von welchem man positiv weiß, daß man es tun sollte. Aber die Apokalypse deckt auf, wie es ihr Name verspricht. Zweifelsfrei verstehen wir mehr, wenn wir aus ihr unsere Schlüsse ziehen. Und auch wenn es zunächst nicht danach aussieht, daß uns dadurch ein Auftrag erteilt wird, fließen doch mannigfache Rücksichten in unsere Taten ein. Wichtig ist nur, daß diese Rücksichten aus tatsächlich Begriffenem entspringen, denn wenn sie es tun, kann sich auf diese Weise nichts Böses Bahn brechen.

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