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29. September 2020

Beherrschungsmandate

Ich sprach bisher von der aristotelischen Selbstoptimierungsgemeinschaft, um die Identifikation der Beherrschten mit ihren Beherrschern zu bezeichnen. Statt dessen führe ich nun den Begriff des Beherrschungsmandats ein.

Zunächst einmal ist festzuhalten, daß ein solches Mandat keinesfalls in jeder Gesellschaft vorliegt. Liegt es nicht vor, so möchte ich die Gesellschaft politisch frei nennen. Liegt es vor, so heiße die Gesellschaft politisch kultiviert.

Wir verdanken die politische Kultivation wie gesagt Aristoteles, jedenfalls im europäischen Kulturraum. Platon war sie noch völlig fremd. Und praktisch begann sie ihren bis heute anhaltenden Siegeszug mit Alexander dem Großen.

Es gibt sechs Beherrschungsmandate, für jeden Herrschaftsverein eines. Drei von ihnen sind positive Mandate, bei welchen sich die Beherrschten als würdig betrachten, und die übrigen drei sind negative, bei welchen sie es nicht tun.

Die positiven Mandate

Ordensmandat. Die Beherrschten betrachten sich als freie Gesetzesgemeinschaft, also als eine Gemeinschaft von Menschen, welche dasselbe moralische Gesetz beherrscht. Sie eint also ihre Ordnungsliebe, und also übertragen sie die Verantwortung, die geliebten Ordnung zu vertreten, auf einen Orden.

Verbandsmandat. Die Beherrschten betrachten sich als freie Wegesgemeinschaft, also als eine Gemeinschaft von Menschen, welche denselben Weg mit einander gehen wollen. Sie eint also ihre Möglichkeitswertschätzung, und also übertragen sie die Verantwortung, das Abenteuer der geschätzten Möglichkeit zu ergreifen, auf einen Verband.

Ratsmandat. Die Beherrschten betrachten sich als freie Schicksalsgemeinschaft, also als eine Gemeinschaft von Menschen, welche dasselbe Schicksal für sich wählen. Sie eint also ihre Bewirkungsanteilnahme, und also übertragen sie die Verantwortung, die Zusammenarbeit, an welcher sie anteilnehmen, zu leiten, auf einen Rat.

Die negativen Mandate

Standesmandat. Die Beherrschten betrachten sich als gezwungene Gesetzesgemeinschaft, also als eine Gemeinschaft von Menschen, welche die Vernunft dazu zwingt, dasselbe moralische Gesetz zu befolgen. Sie eint also ihre nichtgewachsene Sorge, und also übertragen sie die Verantwortung, die anerkannte Interaktion im Fleisch zu vertreten, auf einen Stand.

Bundesmandat. Die Beherrschten betrachten sich als gezwungene Wegesgemeinschaft, also als eine Gemeinschaft von Menschen, welche die Scham dazu zwingt, sich auf denselben Weg zu machen. Sie eint also ihre nichtgewachsene Achtung, und also übertragen sie die Verantwortung, das Abenteuer der anerkannten Ordnung im Fleisch zu ergreifen, auf einen Bund.

Schulmandat. Die Beherrschten bertachten sich als gezwungene Schicksalsgemeinschaft, also als eine Gemeinschaft von Menschen, welche die Unbeholfenheit dazu zwingt, dasselbe Schicksal zu teilen. Sie eint also ihre nichtgewachsene Lust, und also übertragen sie die Verantwortung, die Zusammenarbeit der anerkannten Ordnung in der Interaktion zu leiten, auf eine Schule.

Mit diesen Mandaten sind selbstverständlich wieder die Herrschaftsformen des I Chings verbunden, mit
  • dem Ordensmandat die Herrschaft der Sorge,
  • dem Verbandsmandat die Herrschaft der Achtung,
  • dem Ratsmandat die Herrschaft der Lust,
  • dem Standesmandat die Herrschaft der Unvernunft,
  • dem Bundesmandat die Herrschaft der Rücksichtslosigkeit und
  • dem Schulmandat die Herrschaft der Abgemessenheit,
aber die Herrschaftsformen des I Chings treten auch in politisch freien Gesellschaften auf. Platon, etwa, beschreibt im Hauptteil der Nomoi eine Herrschaft der Achtung.

Doch betrachten wir besser die Gegenwart. Die Vereinigten Staaten sind bisher eine politisch freie Gesellschaft. Frankreich ist eine gezwungene Gesetzesgemeinschaft, seine Regierung ermächtigt, die nationalen Standesinteressen auszugestalten. Deutschland unter Hitler war eine freie Schicksalsgemeinschaft und Hitler ermächtigt, Rat über Deutschlands Zusammenwirken zu halten, heute allerdings ist Deutschland eine freie Wegesgemeinschaft und seine Regierung ermächtigt, den nötigen Wissenstransfer und Infrastrukturausbau voranzutreiben, um Deutschlands weiteren wirtschaftlichen Erfolg zu ermöglichen. Und was den Sozialismus betrifft: traditionell haben sich sozialistische Parteien vor der Revolution als gezwungene Gesetzesgemeinschaften verstanden, welche die Standesinteressen der Arbeiter ausgestalten, und erst nach der Revolution sind daraus stets gezwungene Wegesgemeinschaften geworden, welche sich mit der Formung des neuen Menschen beschäftigen. Heute allerdings tun sich moderne Sozialisten dadurch hervor, daß sie sich bereits vor der Revolution am neuen Menschen versuchen.

Nicht immer stimmt dabei die Realität mit dem politischen Selbstbild überein. Deutschland, etwa, wählt die gezwungene Wegesgemeinschaft in der Theorie, doch die freie in der Praxis. Und so freiheitlich sich viele osteuropöische Staaten auch gerne verfassen würden, de facto sind sie weiterhin gezwungene Wegesgemeinschaften. Was letztlich entscheidet ist das Selbstvertrauen.

Und schließlich ein paar Worte zur Zukunft. Es sieht so aus, als ob die Vereinigten Staaten keine politisch freie Gesellschaft bleiben. Biden steht explizit mit einer gezwungenen Weges- und Trump implizit mit einer gezwungenen Gesetzesgemeinschaft zur Wahl, welche die Nation zu restaurieren sucht. Ich glaube aber nicht, daß sich die Amerikaner als unwürdig in Sorge oder Achtung betrachten, also daß sie logische Pflichten anerkennen würden oder sich für ihre Haltung schämten. Zu einem negativen Mandat wird es also nicht kommen, doch wenn ich die Zeichen der Zeit richtig lese, wird es zu einem positiven kommen, indem die Restauratoren so viel Verantwortung auf sich laden, daß sie zu einer freien Schicksalsgemeinschaft werden.

Die Wiederkehr Christi bringt eine freie Gesetzesgemeinschaft mit sich, anderes läßt sich gar nicht denken. Eine solche besteht zurzeit nirgends. Gezwungene Gemeinschaften müssen zerbrochen werden, im Falle des Standesmandats schlicht durch dessen Aufhebung, sonst durch Abreißen der Kultur, freie können in anderen freien aufgehen, vorausgesetzt, daß das Festhalten an einem Seelenteil und die fast vollendete Erneuerung eines anderen einander zeitweilig begleiten. Genauer gesagt wechselt der
  • Zusammenarbeitende zum Abenteuer, indem er sich seiner Möglichkeiten bewußt wird, und
  • zur Vertretung, indem er sich seiner selbst bewußt wird, und
  • der Abenteuerer zur Vertretung, indem er sich seiner Ziele bewußt wird.
Jemand möchte wohl meinen, daß wir Christus gegenüber unwürdig sind. Doch kann sich ein Mensch ja nicht um alle andern kümmern, und wenn Christi Helfer unwürdig wären, so wären wir schlecht beraten, ihnen ein negatives Mandat zu erteilen. Wenn sie aber würdig sind, so werden sie selbst Christus ein positives Mandat erteilen, und dies muß die erste Herrschaftsform sein.

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