Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

16. November 2007

Vom Werte der Bildung

Der Mensch lernt, wie bereits erwähnt, in seinem Leben vieles, er meistert seine Handlungen, erkundet die Welt und entwirft und überprüft Thesen über ihr Verhalten, und offensichtlich ist die Vermittlung eines jeden solchen Wissens Bildung irgendeiner Art. Wenn ich jetzt aber an dieser Stelle von Bildung rede, so meine ich damit einen Satz von Instruktionen, der das Allgemeingut einer Gesellschaft ist und der ihr dazu dient, ihren nachwachsenden Mitgliedern die Beherrschung der gesellschaftstragenden Fertigkeiten zu ermöglichen, also in der heutigen Gesellschaft das Sprechen, Lesen und Rechnen.

Was auch immer sich die Heutigen sonst noch auf die Fahne schreiben, entweder ist es ihnen nicht ernst damit oder es ist überflüssig, wie das Schreiben. Überlegen wir aber mal andersherum was es hieße, wenn die Menschen nicht mehr rechnen könnten. Offenbar verbäte sich dann der Geldgebrauch, und sie wären auf die Tauschwirtschaft zurück geworfen. Nun ist ja jedem der Vorteil der Geldwirtschaft offensichtlich, aber wievielen ist es das Prinzip, das es uns erlaubt, diesen Riesenschritt zu unser aller Wohl zu tun?

Es ist das Prinzip vom Werte der allgemeinen Gebildetheit, das darin besteht, daß erweiterte Urteilskraft damit einhergeht größere Verantwortung übernehmen zu können, wodurch Bildung das Kooperationspotential der Gesellschaftsmitglieder vergrößert, was das Gemeinwohl, aller Erfahrung nach, stärkt. Die heutige Gesellschaft legt, wie gesagt, großen Wert auf das richtige Beurteilen von Differenzen, Summen, Produkten etc. sowie die richtige Beurteilung von Buchstaben- und Lautfolgen. Daß sie darauf Wert legt, daran tut sie gut, daß sie nur darauf Wert legt, daran wird sie zugrundegehen.

Alle Bildung muß das Urteilsvermögen mehren, sonst handelt es sich nicht um Bildung. Und fürwahr, was wir heute Bildung nennen, das nahm seinen Ursprung auch in einem andern Bemühen als dem Ringen des Menschens um eine Vergrößerung seines Kooperationspotentials. Was wurde ihm durch die Sprache möglich? Mit welchem Fieber arbeitete er daran, die so gewonnene Freiheit zu vervollkommnen? Und nun vergleiche man das mit dem Zwang, unter dem sich die Mächtigen der Länder dazu gezwungen sahen ihre Untertanen, ob sie nun so hießen oder nicht, gegeneinander in Stellung zu bringen, denn in ihm wurzelt und atmet auch weiterhin die heutige so genannte Bildung.

Nach vorne blickend will ich nun die Frage stellen, an welcher Art Urteilen es den Heutigen mangelt und die Probleme aufzeigen, die ihnen daraus erwachsen. Es handelt sich dabei um zwei Schwierigkeiten, denen die Menschen, jedenfalls in ihrer Masse, nicht gewachsen sind. Die erste Urteilsschwäche besteht darin, Begriffsumfänge in jeweiliger Verwendung exakt zu bestimmen, sowohl beim reden als auch beim zuhören, zu erkennen was gesagt werden sollte und was gemeint gewesen ist. Dieser Mißstand führt dazu, daß es den Menschen, in ihrer Masse, nicht möglich ist, die Gültigkeit eines verwickelteren Gedankens zu überprüfen, und zwar in dem Sinne, daß es ihnen nicht möglich ist zu sagen, unter welchen Voraussetzungen er Gültigkeit besäße und sich dann auf jene zu konzentrieren. Dieses ließe sich durchaus beheben, nur bedarf es dazu derselben Strenge, mit der Kindern das Lesen und Rechnen eingeschärft wird. Solange dies aber nicht geschieht, werden die Menschen über verwickeltere Angelegenheiten zusammen niemals Beschlüsse fassen, sondern zu diesem Zweck Führer wählen, denen sie dann zwar blind, aber nicht ohne sich Gedanken über ihre Alternativen zu machen, folgen. Dieses bewirkt natürlich lauter Übles, nämlich daß sich Führer wiederum mehr Gedanken darüber machen, die Alternativen ihrer Gefolgschaft einzuschränken, als ihre Aufgaben zu erfüllen, daß sich innerhalb der Gefolgschaft ein Koalitionswesen breit macht, das sachlichen Erwägungen zuwider gezüchtet ist, daß in langfristigen Angelegenheiten stets ein Unbeteiligter die Früchte guter oder schlechter Vorarbeit erntet und sich somit keine Schulen bilden können, die an ihren bisherigen Leistungen gemessen werden könnten. Letzteres mag man anzweifeln, darauf hinweisend, daß sich Führer ja gerne Schulen zurechnen, wodurch eine Anrechnung ihres Verdienstes ja möglich werden sollte. Das Problem besteht aber in der Schulhaftigkeit dieser Schulen, die das, Schulen, nämlich in den seltensten Fällen sind. Vielmehr handelt es sich um bloße, begrifflich bestimmte, Positionen, deren Vertreter von den Menschen natürlich wieder nicht auf ihre Linientreue überprüft werden, und zwar deshalb nicht, weil sie aufgrund ihrer Schwierigkeit Begriffe zu bestimmen, aus jenen Positionen keine Linie ableiten können.

Das heißt natürlich nicht, daß es nicht auch heute Schulen geben könnte, nur würden sie als solche nicht erkannt, und wie sich ein Bakterium, welches gegen dieses oder jenes Antibiotikum immun ist, gegen seine einfacher gestrickten Konkurrenten nicht durchsetzen kann, solange es jenen gut geht, so können es auch nicht Schulen. Zur Sinnhaftigkeit der Schulgründung unter diesen Bedingungen im Anschluß mehr.

Die zweite Urteilsschwäche resultiert aus der schon angesprochenen Verwirrung der Menschen über das Wesen der Welt und insbesondere über das menschliche Wesen, nämlich die Unfähigkeit zu beurteilen, was in den Menschen in einer bestimmten Situation zu wollen liegt, welches notwendig wäre, um eine Gemeinschaft im natürlichen Gleichgewicht zu halten, zu verhindern, daß, wie es jetzt geschieht, die unterschiedlichen Selbstverständnisse der Menschen sie in feindschaftlichen Gegensatz zu einander bringen und sie im niederträchtigsten Streben darauf bedacht sein läßt, ihrer jeweiligen Strömung zum Vernichtungssieg zu verhelfen. Diese Verwirrung zu beheben, schicke ich mich hier natürlich mit an, aber offenbar ist die Durchführung der Unterweisung viel schwieriger als jemandem einzubläuen, daß er sich unter etwas, was er sagt, eine bestimmte Sache vorstellen sollte und wenn er etwas hört, dessen Sinngehalt in Erfahrung bringen muß, wenn es ihm denn überhaupt etwas bedeuten soll. Das beste Mittel zu diesem Behuf sind seit alters her Geschichten, in denen bestimmte Ideen in konkrete, aber natürlich nicht unbedingt historische, Begebenheiten eingeflochten werden. Es ist sogar klug Sagen ausdrücklich als solche zu gestalten, um die Deutung der Historie nicht zu verstellen. Es liegt aber in der Natur der Sache, daß ein wahrhaft treffendes Urteil über die Ziele der Menschen auch nach diesen Maßnahmen nicht bei allen zu finden sein wird.

Ich reklamiere dieses Wissen für mich. Meine Ratschläge, sofern ich sie gebe, ergeben sich aus ihm, und eine Gesellschaft, die wahrhaft in gegenseitiger Bereitschaft für einander unter Achtung all der anderen Prinzipien, die ich genannt habe, Bestand haben soll, braucht mehr als nur individuelle Begriffsschärfe, die sie allerdings bitter nötig hat, wie sie ja an jeder Universität zu finden ist, um sich zu organisieren, sie braucht auch Zeugen des Wesens der Welt, die selbst eine Schule bilden müssen, um sich vor Verrückten zu schützen. Diese Zeugen müssen den Menschen ein Bild von einander und der Welt vermitteln, daß es ihnen erst erlaubt in Frieden mit einander und der Welt zu leben. Die Freiheit einer Gesellschaft ergibt sich aus dem Urteilsvermögen der Einzelnen, Frieden aber ergibt sich aus ihren Meinungen. Die Heutigen haben daraus den Schluß gezogen, daß es die Dinge unter allen Umständen schön zu reden gelte, wer von den Dingen aber etwas versteht wird wissen, daß es gute Entwicklungen in geordnete Bahnen zu lenken gilt und schlechten von Anfang an zu wehren. Diese Unterscheidung können aber eben nur jene treffen, welche von den Dingen etwas verstehen, und aus diesem Grunde bedarf es ihrer Schule.

Offenbar muß diese Schule vor der Gesellschaft gegründet werden, sie muß aber zugleich von Anfang an gesellschaftliche Aufgaben wahrnehmen, um sich nicht über sich selbst zu täuschen, denn es ist natürlich ein leichtes, Wissen zu reklamieren, wie ich es gerade getan habe. Also ist die Schule vor der Gesellschaft und die Gesellschaft vor der Schule. Wie also? Nun, die Gesellschaft muß als eine Gesellschaft der Einsehenden beginnen, die sich im Selbstversuch unter einfachen Bedingungen organisiert. Gelingt ihr das, so darf sie anfangen sich jenen zu öffnen, welche Begriffsschärfe besitzen und in Fragen des Wesens der Welt mit offenem Herzen zu ihr kommen, zu ihr, welche, als natürliche Minderheit, nur die Hochachtung und den Rat hat, um die Gesellschaft zu lenken. Eine kleine oppositionelle Minderheit darf es natürlich schließlich geben, einer unter zwanzig schadet sicher nicht, aber wenn dies überhand nähme, müßten die Grenzen neu gezogen werden. Übrigens ist dies alles von Männern gesagt. Es gibt zwei Möglichkeiten mit Frauen umzugehen, die selben Forderungen an sie zu stellen und ihnen die selben Rechte einzuräumen oder beides zu gleichen Teilen nicht, welches wohl die erfolgversprechendere von beiden ist. Einen gewissen evolutionären Druck sollte man dabei aber nicht scheuen, schließlich wird man von seinen Kindern auch nicht mehr als von ihrer Mutter erwarten dürfen.

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