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18. November 2007

Vom vernünftigen Urteile

Wenn wir hier und im folgenden Urteile und allgemeiner Auffassungen besprechen, tun wir es zunächst einmal von dem Standpunkt aus, daß uns ihre Form schon auf irgendeine Weise bewußt sein wird und wir die genaue Begründung dieser Form durch unsere Nachbildungen auf später verschieben können.

Die allgemeine Form eines Urteils ist, wie bereits erwähnt, die folgende. Eine Sammlung von Gegenständen {A, B, C, ...} steht in Verhältnissen {a, b, c, ...} zueinander, und wir halten dies durch einen Ausdruck der Form AaB CbD ... fest.

Weniger klar hingegen sind die Verhältnisse, in welchen Gegenstände stehen können. Sie aufzufinden ist eine Angelegenheit der Erfahrung, und letztlich werden wir uns stets mit einer Sammlung zufrieden geben müssen, welche unseren Ansprüchen gerecht wird. Daß sich dabei nicht alles so verhält, wie es zunächst scheint, mag das folgende Beispiel illustrieren.

Anstatt „Der Ball ist rot.“ kann ich beispielsweise auch „Rot ist die Farbe des Balles.“ sagen. Der Ball ist dabei ein Anschauungsgegenstand, welchen der Verstand als ein Ganzes flächig verteilter Farben auffäßt, und Rot ein potentiell flächig verteilter Verstandesgegenstand. Der in den obigen Urteilen ausgedrückte Sachverhalt ist nun der, daß Rot über die Oberfläche des Balles verteilt ist, allgemein gesprochen stehen also zwei Verstandesgegenstände in einem ihnen möglichen Verstandesverhältnis, so daß die kanonische Form des Urteils „Rot bedeckt den Ball.“ lautet, was wir mit A für den Ball, B für Rot und a für bedecken auch als BaA schreiben können. Das Wort „ist“ in den eingangs beschriebenen Formen steht hingegen für Verkörperung, in der ersten verkörpert der Ball die Nachbildung „ein rot Bedecktes“ und in der zweiten verkörpert Rot das Farbglied in der Gliederung des Balles, genaueres dazu später.

Diese Art Urteile bilden die Gruppe der Urteile in unmittelbarer Anschauung eines Sachverhaltes, aber wenn man auch nur „wenn“ verstehen will, muß man diese Situation schon hinter sich lassen. „Wenn“ bezeichnet nämlich das Einhergehen eines Urteils mit den Mitgliedern einer Schar. Eine Schar wird dabei von den Inbegriffen eines Begriffs gebildet, welcher die Weise ist, in welcher ein Gegenstand im Verhältnis zu anderen Gegenständen steht. Der für Urteile allgemeinste Begriff ist „Gegenstand“ selbst, welcher umgangssprachlich zumeist in der Form „etwas“ verwendet wird und nicht mehr besagt, als daß seine Inbegriffe in irgendwelchen Verhältnissen stehen. Wenn wir also „wenn“ benutzen, so legen wir unserem Urteil, eigentlich unserem Zutrauen, einen Vorgriff auf eine Schar zu grunde, unter derer einzeln vorausgesetzter Gegenwart ihr das Behauptete, welches in möglicher Abhängigkeit vom jeweils betrachteten Mitglied der Schar steht, zugetraut wird.

Im Zutrauen „Wenn der Himmel klar ist, regnet es nicht.“ besteht die zu grunde liegende Schar aus den Wahrnehmungen eines klaren Himmels, von denen alsdann behauptet wird, daß sie auch Wahrnehmungen des Fehlens von Regen sind. Die Behauptung erfolgt hierbei nicht in Abhängigkeit des jeweils betrachteten Mitglieds, es spielt keine Rolle welche Wahrnehmung eines klaren Himmels gerade betrachtet wird, die Behauptung ist stets, daß Regen fehlt, das Zutrauen „Wenn ein Kern in die Erde gesteckt wird, dauert es eine gewisse Weile bis er keimt.“ hingegen behauptet die Existenz einer gewissen Zeitspanne, der Keimungsdauer, zwischen Pflanzung und Keimung in Abhängigkeit der jeweils betrachteten Pflanzung. Die Existenz ist hierbei nichts anderes als das Zutrauen, daß nicht alle Zeitspannen keine Keimungsdauern sind, wobei der Teil „Alle Zeitspannen sind keine Keimungsdauern.“ auch wieder so formuliert werden kann: „Wenn es eine Zeitspanne ist, ist sie keine Keimungsdauer.“ Die Existenz ist also nichts Neues, sondern lediglich ein Beispiel dafür, daß eine urteilsartige Behauptung durch eine weitere Bedingung, einen weiteren Vorgriff zu einer zutrauensartigen erweitert wurde, hier also „Regen fehlt.“ durch „Es ist nicht so, daß, wenn es eine einhergehende Zeitspanne ist, sie keine Keimungsdauer der einhergehenden Pflanzung ist.“

Mit „wenn“ zu formulieren ist genau so ungelenk wie zu verneinen, und beides muß auch nicht sein, statt „wenn“ läßt sich stets „jeder“ verwenden und statt „jeder“ und die folgende Behauptung zu verneinen, stets „es gibt“, womit das zweite Zutrauen zu „Zu jedem gepflanzten Kern gibt es eine Zeitspanne, die seine Keimungsdauer ist.“ wird. Wie bereits gesehen können den einzelnen Mitgliedern einer Schar weitere Scharen einhergehen und deren Mitgliedern dann wiederum und so fort. Die allgemeine Form eines Zutrauens ist also:

O(A1) (A2)... I(B1) (B2)... O(C1) (C2)... I(D1) (D2)... :
... (A1)a1b1.11(B1) (A1)a1b1.12(B1)... , ... (A1)a1b1.21(B1) (A1)a1b1.22(B1)... ,

wobei eine Leerstelle „und“ bedeutet und ein Komma „oder“. O bedeutet „jeder“, I bedeutet „es gibt“ und die runden Klammern „Mitglied der bezeichneten Schar“.

Um Scharen zu definieren, bieten sich geschweifte Klammern an, also wenn a „bedeckt“ bedeutet und B „Rot“, so ist Ba der Begriff eines roten Gegenstandes und {Ba} ihre Schar. In diesem Falle ist es schlicht ästhetischer (Ba) statt ({Ba}) für die Mitglieder zu schreiben.

In den urteilsartigen Teil des obigen Ausdrucks lassen sich nach Gusto auch noch einzelne Gegenstände einbinden, nötig ist das aber nicht, denn wenn A ein Gegenstand ist, so ist {A} die Schar, die nur aus ihm besteht, wobei diese Notation faul ist, {=A} wäre besser, und nur dort verwendet werden sollte, wo Begriffe nicht als Gegenstände betrachtet werden. Der obige Ausdruck ist endlich lang und zwei O oder I folgen nie aufeinander, denn entweder die Behauptung gilt in Abhängigkeit vom ersten Mitglied für alle zweiten, in welchem Falle aber offensichtlich gar keine Abhängigkeit besteht, oder es gibt ein zweites Mitglied in Abhängigkeit zu einem ersten, in welchem Falle das aber auch wieder keine ist. Negationen erfolgen als Negationen der Verhältnisse und können also formal ignoriert werden, und daß schließlich „oder“ nur im urteilsartigen Teil auftritt liegt daran, daß man Scharen kopieren kann, also aus O(Z): (Z)G, O(Z): (Z)U, Z: Zahl, G: gerade, U: ungerade, was nicht stimmt, nicht etwa O(Z): (Z)G, (Z)U machte, was stimmte, sondern O(Z) (Z'): (Z)G, (Z')U, was mit dem ersten gleichbedeutend ist. Z, Z', G und U sind hier übrigens alles Begriffe, welche ich aber erst einmal noch nicht definieren möchte.

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