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21. September 2012

Unterschiede zwischen meiner zyklischen Betrachtung der Welt und der Spenglers

Wer in Oswald Spenglers Untergang des Abendlandes nachlesen möchte, der kann es hier tun: Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte Gestalt und Wirklichkeit.

Der fundamentale Unterschied in der Sinngebung unserer Existenz zwischen mir und Spengler besteht darin, daß Spengler die Welt als Ausdruck betrachtet und ich als Erlebnis, ich also mit anderen Worten den Willen mit der Wahrnehmung verschmelze, sie als untrennbare Teile eines Ganzen betrachte, welche sich gegenseitig begründen, ich will mein Sein, einschließlich meiner Wahrnehmung, und zugleich fließt aus meiner Wahrnehmung neuer Wille. Der Sinn der Existenz ist es, Bewußtsein zu ermöglichen, und der Sinn des Bewußtseins ist es, neuen Willen und damit neue Existenz zu ermöglichen. Wir leben in die Welt hinein und wieder heraus und dabei zugleich aus der Essenz heraus und wieder hinein.

Was an dieser Stelle vielleicht ganz interessant, aber deplatziert klingt, hat in Wahrheit die allergrößte Bedeutung für die Unterschiede zwischen Spenglers und meinen Zykelvorstellungen. Bei mir beginnt der Zykel mit der Konzeptualisierung, bei Spengler steht sie im Zenit. Weil ein neuer Gedanke gefaßt wurde, muß die Organisation der Masse sich ihm anpassen, weil die Masse sich neu organisiert, braucht sie neue Vertreter. Das sind die drei Ebenen der Existenz, wie ich sie betrachte, Prinzipien, Organisationen, Vertreter. Und was Spengler das Altern der Kulturen ist, das ist mir die Vervollkommnung einer Organisation gemäß eines Prinzips, oder, thermodynamisch betrachtet, nichts weiter als der Anstieg der Entropie in einem geschlossenen System (wobei das System, welches wir betrachten, nicht geschlossen ist und entsprechend etwas anderes mit der Entropie geschieht, was sich indes aus dem Anstieg der Entropie in einem geschlossenen System herleiten läßt.) Der Einbruch des Höheren, des Göttlichen, ist die Umkehrung der Zeit, wie Platon sie beschrieb, auf einmal sinkt die Entropie in einem geschlossenen System, was sonst zerfällt, weil die Gewalten der Natur an ihm nagen, fügt sich zusammen. Das ist die Kraft eines neuen Prinzips.

Transzendenz bedeutet Eintauchen in menschliche oder göttliche Zeit, in noch allgemeinerem Sinne, Bejahung von Prinzip, Organisation und Vertreter oder deren Verneinung, wobei der Körper der Verneinung nur der eigene sein kann, das Opfer, welches Gottes Gehörgang öffnet. Was einer aufgeben mag entscheidet darüber, was er abgeben kann, Regen, ferne Länder oder Sterne: So wie der Glaube die Menschen anzieht und verbindet, scheinbar Bergen gleich, welche das Treiben der Erde auftürmt, schleudert die Verzweiflung die innerste Glut in die Weiten des Alls, wo sie den Sternen am Firmament gleich die Geister der Menschen von ihren weltlichen Geschäften abzieht.

Spengler spricht also mit den verschiedenen Altern einer Kultur ein reales Phänomen an, und ich habe hiermit erklärt, warum das so ist, ja, wenn ich mir die Mühe machte, könnte ich wohl gar einen mathematischen Beweis ausgehend vom Sinken des Wertes des Integrals des inneren Produktes des Gradienten der Energie mit sich selbst über dem Raum im Lauf der Zeit geben oder wenigstens auf einen kanadischen Professor verweisen, welcher es bereits versucht hat. Doch wie bei aller Poesie ist die Hälfte falsch, nur die Hälfte, wenn es gute ist. Für Spengler heißt das, daß seine Abgrenzungen der einzelnen Kulturen, die Wesen, welche er ihnen zuschreibt, hochgradig willkürlich sind. Und an der Stelle wirkt es dann doch verblüffend, daß er, obwohl er ihre Wesen nicht wirklich versteht, dennoch ihre weitere Entwicklung vorhersagen kann. Es wirkt so, ein guter Zaubertrick, es ist es nicht. Ein Baum ist eine komplexe Organisation einzelner Fasern zur gemeinschaftlichen Ausbeute vorhandener Ressourcen und eine Kultur ist in etwa das selbe, mehr braucht man nicht zu wissen.

Freilich, er erkennt ganz richtig, daß diese Organisation wie die eines Baumes ein eigenes Wesen hat, auch wenn er es nicht fassen kann. Zu einem Punkt möchte ich mich aber doch äußern, nämlich deutscher Vertikalität gegenüber russischer Horizontalität, denn darauf läuft es ja hinaus. Nun, das ist nicht wirklich schwer zu entziffern, es geht um Hierarchie und Ansehen. Interessanterweise sind übrigens auch die englischen Kirchen horizontaler als die deutschen, die Idee der Anerkennung der Männlichkeit setzt eine gewisse Horizontalität voraus, man stünde sich sonst auf den  Füßen, wohingegen das Ideal der christlichen Vervollkommnung in die Höhe strebt. Letztlich sind das Akzentuierungen, es gibt ja auch das deutsche Sprichwort 'n groten Mors brugt 'ne wide Büx (Ein großer Arsch braucht eine weite Hose.) Das Organisationsprinzip, welchem meine Liebe gilt, habe ich indes unlängst als Bereitschaftsstrukturen besprochen.

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