Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

8. September 2012

Einige Gedanken zur Religionsfreiheit

Sein Glaube wird einem Menschen nicht von außen gegeben, sondern er bildet sich in ihm durch sein Bemühen, Sinn in seiner Existenz zu finden. Hat er sich hingegen erst einmal gebildet, so ergeben sich aus ihm politische Konsequenzen, wobei es natürlich nicht so ist, daß, wo vorher vollständiger Zweifel bestand, über Nacht vollständige Gewißheit entsteht, sondern es ist vielmehr so, daß einige politische Konsequenzen sich leicht als gottgefällig erkennen lassen und andere schwieriger. Da das Gottgefällige sich nicht widerspricht, bereitet dieser Umstand von sich aus keine größeren Probleme, allerdings läßt er sich, wie fast alles, propagandistisch mißbrauchen.

Eine der ersten politischen Konsequenzen, auf welche man stößt, wenn man sich mit der Frage des sinnvollen Umgangs mit einander beschäftigt, besteht darin, sich in politischen Fragen zu beraten, also offen und vernünftig das Für und Wieder einer Entscheidung zu erwägen. Und wenig später wird man zu der Einsicht kommen, daß sämtliche Entscheidungen unter den Vorbehalt der richtigen Erwägung gestellt werden sollten, daß sie also zurückzuziehen oder wenigstens zu modifizieren sind, wenn sich im Nachhinein die Erwägung, welche zu ihnen geführt hat, als falsch herausstellen sollte.

Dieses sind einfache, und darum sehr verbreitete, Glaubenssätze. Es ist daher nicht zu viel gewagt, wenn man sie zu politischen Ecksteinen macht. Das bedeutet aber, daß eine Glaubensgemeinschaft, welche sie anerkennt, dazu in der Lage ist, jene politische Uneinigkeit auszuhalten, welche sich aus einer unterschiedlichen Einschätzung der Lage ergibt, denn die Lage klärt sich im Laufe der Zeit stets.

Die verbleibende politische Uneinigkeit geht also darauf zurück, daß man unterschiedliche Ziele hat. Diesbezüglich kann in der Sache nichts besseres getan werden, als jeder Fraktion ihr Gewicht zu geben und sie somit allesamt dazu zu bewegen, einen Kompromiß auszuhandeln. Indes wird man schließlich, wenngleich dies eine schwierigere Erkenntnis ist, einsehen, daß eine bestimmte Art von Lösungen für die örtlich bestehenden Interessengegensätze die glücklichsten sind, nämlich wenn man verstanden hat, welche Ideen sich in den örtlichen Mitmenschen ausdrücken. Und wenn man dies eingesehen hat, kann man damit beginnen, diese Art von Lösungen zu predigen.

Nun behaupte ich wie bekannt, daß es nie mehr als eine solche predigende Schule vor Ort geben sollte, und das möchte ich an dieser Stelle begründen.

Für Prediger gilt ja auch, daß sie die ersten Glaubenssätze, welche ich in diesem Beitrag nannte, akzeptieren. Ihre Differenzen bezüglich der zu predigenden Art von Lösungen sind aber Differenzen ersterer Art, also solche, welche sich aus einer unterschiedlichen Einschätzung der Lage ergeben, und nicht aus unterschiedlichen Zielen, denn das Ziel eines jeden Predigers muß es sein, den Menschen die Anleitung zu geben, welche für sie am gedeihlichsten ist. Und da sich dies mit der Zeit von alleine zeigt, braucht es keinen Wettstreit der Ideen zwischen den Predigern, sondern es genügt die Verpflichtung darauf, das von Gott Gebotene zu tun.

Das ist die natürliche Ordnung, die saubere Lösung dieses Organisationsproblems.

Moderne Staaten gestatten pro Forma eine Religionsfreiheit, welche indes politisch folgenlos bleiben muß, da das parlamentarische System einen uniformen Glauben daran, was progressiv ist, voraussetzt, und dies ist selbstverständlich die Staatsreligion, mehr dazu im Beitrag Parlamentarismus. Das Problem mit ihnen ist nur, daß diese Staatsreligionen die oben hergeleitete Selbstverpflichtung nicht kennen und von anderen Kräften nach anderen Prinzipien gelenkt werden. Auch braucht eine Religion, welche diesem Anspruch gerecht wird, nicht den Parlamentarismus, um ihre Macht zu sichern, indem er durch das Parteiensystem die Wahlfreiheit der Bürger ideologisch festzerrt.

Abschließend noch ein Wort zum Anathema. Was ich in diesem Beitrag bisher explizit an Glaubenssätzen erwähnt habe, sollte von niemandem in Frage gestellt werden dürfen, denn es ist wie gesagt das Fundament des Friedens. Aber es mag sich natürlich ergeben, daß Prediger etwas predigen, was dem Glauben eines Zuhörers widerspricht, in welchem Fall es zu einem Anathema kommt. Die Frage ist nun, wie sich die Kirche in einem solchen Fall verhalten sollte.

Die protestantische Kirche leugnet das Anathema, das kann es, meiner Meinung nach, nicht sein. Die katholische Kirche behauptet im Falle eines Anathemas im Recht zu sein, da den Papst noch kein Blitz getroffen hat, und das kann es, meiner Meinung nach, auch nicht sein. Ich stimme also mit der Lehrmeinung der orthodoxen Kirche überein, daß im Falle des Anathemas deutlich gesagt werden sollte: Nicht mit unserem Segen, aber es dabei bewandt gelassen wird.

Freilich, die Kirche sollte sich nur dann aus politischen Angelegenheiten heraushalten, wenn sie selbst der Meinung ist, daß es für die Menschen am gedeihlichsten ist. Diese Entscheidung ist keine dogmatische, sondern eine, welche auf Erfahrungen gegründet ist. Eine Gemeinschaft von Predigern, welche darin übereinstimmt, daß es gedeihlicher für die Menschen ist, wenn sie selbst die weltliche Macht übernimmt, muß in dieser Rolle selbstverständlich anderen Maßstäben genügen.

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