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24. August 2012

Das blaue Licht (1932)

Ich stolperte heute über ein auf Film aufgezeichnetes Interview mit Hans Ertl, in welchem er sich auf erfreulich unzweifelhafte Weise als Kindskopf herausstellte, und ich fragte mich, mit wem man es wohl bei Leni Riefenstahl zu tun hätte. Nun, ihre Interviews mögen etwas über sie aussagen, aber was die offene Selbstdarstellung angeht, ist sie so ziemlich das genaue Gegenteil von Hans Ertl. Deshalb entschloß ich mich, mir einmal ihren Erstling Das blaue Licht anzuschauen.

Riefenstahl verbindet hier zwei Motive, nämlich Sexualität und Sitte mit unbewußtem Glück. Das blaue Licht ist, was das erste Motiv angeht, ein recht moderner Film, ja, geradezu verblüffend modern, was den zweiten Punkt angeht hingegen antimodern.

Die Modernität zeigt sich in der geradezu pornographischen Bildsprache, selten habe ich Männer derart als Sexobjekte dargestellt gesehen und Riefenstahls eigene Datstellung der Junta ist ebenfalls sehr sinnlich und körperlich angedacht, wobei Riefenstahls Gesicht aber nur bei, wie sie selber sagt, weichem Licht von vorne auch nur im entferntesten sinnlich wirkt. Damit dieser Film seine Wirkung entfalten kann, muß man über diesen Punkt hinwegsehen, mehr auf ihre Gestik achten als auf ihre Mimik. Und dann sieht man eben einen recht modernen Film über ein Thema, über welches man schon viele Filme gesehen hat. Die Beschränktheit des begehrenden Individuums durch die Gesellschaft.

Nun, bis kurz vor Schluß könnte man glauben, daß es sich damit hätte. Aber dann biegt der Film plötzlich Richtung Siegfried und Brünnhilde auf dem Walkürenfelsen ab. Es gibt allerdings einen Unterschied zwischen Wagner und Riefenstahl. Bei Wagner stürzt Siegfried durch seinen Wunsch nach gesellschaftlicher Anerkennung durch Unwürdige, begleitet von Akkordeonmusik, bei Riefenstahl stürzt Junta durch die christlich-fortschrittliche Moral ihres Siegfrieds, außergewöhnliche Schönheit ist nur für außergewöhnliche Menschen bestimmt, man soll die Perlen nicht vor die Säue werfen, das ganze Leben verliert dadurch seinen Sinn.

Wagners Aussage kritisierte Achtende, Riefenstahls Aussage verherrlicht sie. Wo Wagner die Hinwendung zu unpassenden Maßstäben geißelt, da hält Riefenstahl die außergewöhnliche Leistung, das Bestehen in tödlicher Gefahr als ewigen Maßstab hoch. Nun gut, das findet sich bei Wagner auch, in Form des den Fels umlodernden Feuers, aber der Kontext gibt dem ein anderes Gewicht, Wotan ruft Loge nur Brünnhilde zu Liebe, Loge ist generell ein unzuverlässiger Helfer und Siegfrieds Triumph über Wotan wurde von Wotan selbst herbeigesehnt. Wagner steht hier quasi auf dem Standpunkt, daß Frauen nunmal so sind. Daß das ganze Theater eben aufgeführt werden muß, wie er es am deutlichsten Hans Sachs in den Meistersingern von Nürnberg sagen läßt, Riefenstahl hingegen entgeht das alles.

Und das ist durchaus ironisch.

Denn selbstverständlich legt Riefenstahl an sich selbst - und sie ist beseelt von dem Wunsch ein außergewöhnlicher Mensch zu sein - nicht ihren eigenen ewigen Maßstab an, sondern den Maßstab Hollywoods. Sie will ein Star sein, wie Marlene Dietrich! Aber aufgrund ihrer unsinnlichen Art konnte sie es nur in Deutschland werden. Und das hat sie später noch gewurmt. Hätte sie es vielleicht nicht doch in Hollywood geschafft?

Vielleicht als Regisseurin, das Talent hatte sie wohl, aber die Zeiten waren andere. Als Schauspielerin nicht.

Interessant natürlich, daß sich Riefenstahl bereits 1932 derart klar gegen die Idee eines allgemeinen Glückes durch allgemeinen Wohlstand gewendet hat. Darin liegt natürlich eine Aussage für sich, welche man nicht nur vor dem Hintergrund Wagners diskutieren sollte. Allerdings wird diese Kritik durch Riefenstahls Hinwendung zum Körperlich-Archaischen entwertet, denn daran hat sie, wie gesagt, selber nicht geglaubt. Sie hat ein Beispiel dafür gegeben, daß Menschen, wie sie ja auch selbst, nach etwas besonderem streben, nur eben das primitivste, in Verkennung ihrer selbst.

Nun gut, objektiv gesehen ist ihr auf diese Weise Kunst gelungen, nur daß die Ideen, welche diese Kunst darstellt, letztlich fremde Ideen sind. In gewisser Weise ist es ihr genauso wie den Freimaurern ergangen, wahrscheinlich ist das sogar der tiefere Grund, warum sie in Teilen so modern ist, beide beschwören ein ihnen fremdes Sein und beide tun es, um sich den Anschein zu geben, objektiv zu sein und ewige Wahrheiten zu verkünden. Aber Achtende sind nunmal zu allerletzt objektiv, so subjektiv wie niemand sonst, und ihre Bemühungen verbergen ihre Sehnsüchte nicht, sondern lassen sie nur um so klarer hervortreten.

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