Bereitschaftsbeitrag

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9. August 2012

Einigkeit

Einigkeit entsteht, wenn eine Gruppe von Menschen zu denselben Einsichten gekommen ist und aus ihnen heraus dieselbe Haltung annimmt, und sie besteht im wesentlichen daraus, daß diese Menschen sich nicht, wie es gewöhnlicherweise der Fall zu sein pflegt, als konkurriende ethische Instanzen betrachten, sondern als Vollstrecker einer Ethik.

Es ist diese Übereinstimmung, welche eine solche Gruppe dazu befähigt, sich intern frei nach Befähigung zu hierarchisieren, denn der Wert einer Fähigkeit wird von allen gleich ermessen, und über ihren Einsatz herrscht Einigkeit.

Die Größe der Gruppen, welchen Einigkeit eignet, variiert gemäß der Eindeutigkeit der ethischen Lage. Allgemein sind sie, wo Recht herrscht, klein, und wo Unrecht herrscht, groß, indes muß man bei dieser Frage den Umstand im Auge behalten, daß Einigkeit naturgemäß partiell ist, daß man sich naturgemäß nur in bestimmten Dingen einig ist, und daß eine Verwirrung der Situation, in welcher man sich befindet, dazu führen kann, daß sich Einigkeit selbst dann nicht mehr einstellt, wenn ihre Bedingungen objektiv vorliegen, was aber umso seltener auftritt, je klarer das Unrecht ist.

Die Einigkeit, welche Ernst von Salomon in Die Geächteten beschreibt, ist darum eine totale, weil die Situation erstens ethisch gleich erfaßt wird, wozu die geteilten Fronterfahrungen wesentlich beitragen, und weil sie zweitens handlungsoffen ist, die Gruppe sich also nicht noch erst darüber einig werden muß, wie sie handlungsfähig werden kann. Es liegt in der Natur der Sache, daß sich Unrecht verschärft, wo ihm nicht Einhalt geboten wird, und somit, daß Einigkeit Lawinen gleich in Schüben auftritt.

Dies ist aber, wenn man es im Ganzen betrachtet, ein mißlicher Umstand, welcher auf einen Mangel an Welterkenntnis hinweist. Jedem Menschen, welcher Teil eines höheren Gemeinwesens ist, sollte stets bewußt sein, daß Recht aufgerichtet und aufrecht erhalten werden muß, und daß dies eine ewige Aufgabe für rechtsbewußte Menschen ist, welche auch beinhaltet, aggressiv in leerstehende Rechtsräume vorzustoßen, wenn der Erfolg hinreichend wahrscheinlich ist. Im Islam untersteht dies, siehe Die Färse, der individuellen Verantwortung, was im jetzigen Rahmen nichts anderes bedeutet, als daß der Koran davon ausgeht, daß sich bezüglich dieser Aufgabe keine Einigkeit herstellen läßt. Der geschichtliche Erfolg der meisten europäischen Nationen hingegen besteht gerade darin, daß sie bezüglich dieser Aufgabe einig waren, letztlich auf dem Fundament des Christentums stehend, wenngleich es wenigstens im Fall der Sachsen wahrscheinlich ist, daß sie diese Einigkeit auch schon zuvor besaßen, wiewohl wohl in einer zynischeren Auslegung der nämlichen Aufgabe - eine Ahnung, welche sich auch in Salomons Hamburgschilderung geschlichen zu haben scheint: Wo sich der Mensch seiner eigenen Interessen bewußt selbst zum Richter aufschwingt, da wird es dämonisch.

Diese Dämonie ist die Dämonie des Geiers, kalt blitzende Augen verfolgen den Niedergang des Nachbarn, um ihm schließlich die eigene Ordnung zu geben.

Mag sein, daß ich mich manchmal so fühle, aber dafür, die Verantwortung für die Aufrichtung und Erhaltung des Rechts zu übernehmen, verlange ich keinen anderen Lohn als das Recht.

Freilich überlasse ich dabei anderen die eigentliche Arbeit, und jene werden ihren Lohn schon nehmen, wenn sie ihn nicht geschenkt bekommen, aber was ist süßer, als die Heimat wachsen zu sehen, wie Friedrich Reinhold Kreutzwald schrieb.

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