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26. Dezember 2012

Handlungsfähigkeit und gesellschaftliche Einigkeit

Es ist ein soziologisches Gesetz, daß eine Gesellschaft nicht in einem Zustand der Handlungsunfähigkeit verharrt. Ist sie einig, so ist sie handlungsfähig, und wenn sie zerstritten ist, kann sie sich nicht den Handlungsimpulsen Einzelner widersetzen.

Was sich hier zeigt ist der Zusammenhang zwischen Einigkeit und Berücksichtigung, welcher nicht daraus entspringt, daß man per se nur gewillt wäre, jene zu berücksichtigen, mit welchen man sich einig ist, sondern daraus, daß Rücksichtslosigkeit durch das Ausnutzen von Uneinigkeit schließlich stets an die Macht kommt.

Deshalb ist Einigkeit bei Revolutionen so wichtig, wie es das I Ching richtig bemerkt.

Wir leben zur Zeit allerdings nicht in revolutionären Zeiten, welche sich dadurch auszeichnen, daß es den Menschen am Materiellen mangelt, sondern in Zeiten ideellen Mangels. Und diese Zeiten sind naturgemäß Zeiten großer Uneinigkeit, mit den entsprechenden Folgen.

Indes gibt es gesündere und ungesündere Völker, einigere und uneinigere, fähigere und unfähigere, Rücksichtslosigkeit die Stirn zu bieten.

Dieses nun wäre leicht genug zu überblicken, wenn es nicht noch wieder zwei verschiedene Formen der Einigkeit gäbe, der einige Ausdruck und die einige Konvention.

Letztere ist brüchiger, beruht auf Kalkül, statt auf Willem. Indes stellt auch sie sich der Rücksichtslosigkeit entgegen, bis sie aufbricht.

Wohin nun treibt die Zeit diese drei Gesellschaften?

Die uneinige zu Rücksichtslosigkeit, welche sich nach außen oder innen richten mag. Richtet sie sich nach außen, so wird der eigene Wohlstand fortbestehen, richtet sie sich nach innen, so wird er zerstört.

Die konventionale läßt sich nicht treiben, da sie sich selbst an eine feste Form bindet. Indes mag sie aufbrechen, und dann wird sich zeigen müssen, ob sie zu einem einigen Ausdruck fähig ist oder nicht.

Und die einigen Ausdrucks opfert entweder ihren Zusammenhalt unter äußerem Druck, bewahrt ihn unverändert oder erneuert ihn. Wenn irgendwo etwas großes geschieht, dann hier.

So war es auch in Galiläa. Blicken wir also auf die Völker noch einigen Ausdrucks. Ich habe letzthin ein gutes Gefühl, es beruhigt mich ungemein, daß eine wesentliche Grundlage der chinesischen Kultur auf demselben Seelenbegriff fußt, welcher sich in Platons Schriften findet. Damit besteht die Chance, daß sich die kommende Zeit als Auseinandersetzung zwischen den intakten und den zerrütteten Völkern vollzieht, mit Aussicht auf eine gemeinsame Hochkultur der intakten - nicht politisch zu verstehen, aber doch Voraussetzung für gedeihliche politische Beziehungen.

Natürlich gibt es handfeste Hinderungsgründe. Aber sollte sich die Welt umgestalten, so könnte sie immerhin in dieses Flußbett finden, und wenn die Kenntnis der Vergangenheit irgendetwas gilt, dann ist dies auch die Zukunft.

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