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10. Dezember 2013

Die Verminderung

Ich habe mal wieder das I Ching befragt, mir ging es um die Deutung der heutigen Situation. Das Ergebnis war Berg über'm See, die Verminderung:
Verminderung in Verbindung mit Ernst bringt den größten Segen ohne Schuld. Einer mag hieran festhalten. Es nützt einem, etwas zu unternehmen. Wie dies bewerkstelligt werden soll? Einer mag zwei kleine Schüsseln für das Opfer verwenden.
Außerdem altes Yang in der zweiten und obersten Zeile.
Kurshalten führt weiter. Etwas zu unternehmen bringt Mißgeschick. Ohne sich selbst zu vermindern, kann einer anderen Steigerung bringen.
Wenn einer gesteigert wird, ohne andere zu vermindern, besteht keine Schuld. Kurshalten bringt Segen. Es führt einen weiter, etwas zu unternehmen. Einer erhält Diener, aber hat nicht länger ein gesondertes Heim.
Nun ja, manchmal führen auch Mißgeschicke weiter...

Ich schätze, dieser Orakelspruch mundet den meisten, wenn einer reicher wird, während alle anderen ärmer werden, dann möge er doch bitte die Zügel in die Hand nehmen und allen Gutes tun, während die anderen die Zähne zusammenbeißen und eine Weile kleinere Brötchen backen, bis es ihnen wieder besser geht.

Die Frage ist nur, wie das genau gemeint ist. Das Hexagramm sagt ja, daß es dem Volk an Glauben mangelt, nicht an Organisation oder Reichtum, und daß umgekehrt die Elite sich nur in Glaubensfragen einig ist. Eine solche Elite besteht aber aus Weisen, welche keinen Anklang im Volk finden.

Das ist die Natur dieser Verminderung, das Volk hat seinen Glauben verloren, und darüber werden sich die Weisen einig, daß sie den anstehenden Niedergang bemerken. Und dieser Niedergang vollzieht sich dann auch materiell, da der Verlust des Glaubens das Volk seine eigenen Angelegenheiten vernachlässigen läßt, wodurch sich der Reichtum in den Händen Weniger konzentriert.

Nur kann er dann aus ihren Händen dem Volk mit Zins zurückgezahlt werden?

Wie sollte das gehen? Welche Wohltat könnten sie ihm tun? Ein Herrscher kann immer nur dann ein desto größerer Wohltäter sein, um so mehr Macht er hat, wenn das Volk zerstritten ist, schlecht organisiert, denn nur dann kann er ihm etwas geben, was er ihm nicht zuvor genommen hat.

Aber das Volk ist ja nicht zerstritten, weder im unteren Trigramm, noch heute, es ist sogar sehr gut organisiert. Und gerade weil es sehr gut organisiert ist, soll es besser nichts unternehmen und seine Würde wahren?

Das ist zunächst einmal nicht zu verstehen, warum altes Yang sich darin ausdrückt, bei der obersten Zeile ist es freilich leichter, die Weisen haben alles durchgesprochen, jetzt ist es langsam Zeit zu handeln.

Gut, aber kehren wir zum vorigen Gedankengang zurück. Ein materieller Gewinn kann einer Gesellschaft unter den Bedingungen des Hexagramms der Verminderung also nicht erwachsen. Und wahrscheinlich heißt es auch deswegen so, wäre ja auch reichlich merkwürdig, wenn der Rat des Orakels die festgestellte Lage aufheben würde.

Aber schauen wir noch genauer hin. Wie wird das Volk denn ärmer? Doch wohl Mann für Mann, es ist also zunehmend gespalten in einen schon armen und einen noch reicheren Teil. Und letzterer ist gut organisiert und sein Mangel an Glauben führt dazu, daß immer mehr arm werden und sich die Macht weiter konzentriert.

Sein Mangel an Glauben. Nun, heute läßt sich das sehr konkret sagen. Die Leute schließen sich dem System an, weil sie hoffen, durch es eine bessere Welt zu finden - habe ich ja auch getan - weil ihnen die Welt, in welcher sie leben, entfremdet ist, was ich im bereits oft verlinkten Beitrag Touristen beschrieben habe, finden sie aber nie, sondern geben ihr Vermögen, sofern sie erfolgreich ins System eingegliedert wurden, zur Tröstung ihrer schwärmenden, schwermütigen Seele aus, wodurch sie das System zuspitzen.

Und die Profiteure des Systems? Werden sie den Ast absägen, auf welchem sie sitzen?

Natürlich nicht. Sie sind nicht mit der Elite gemeint. Die Elite, das sind jene, welche über diesem Unheil etwas gewonnen haben, was sie abgeben können, ohne dadurch ärmer zu werden - und das kann einzig immateriell sein, Gewißheiten, gewonnene Einsichten.

Und um nun zum Spruch für die zweite Zeile zurückzukehren. Damit sind die schon Armen gemeint, nicht die noch Reichen. Die schon Armen sollten ihre Würde bewahren und besser nichts unternehmen, was auf die Bekehrung der noch Reichen hinausläuft, denn deren Eingebundenheit ist zu gut, zu vollkommen, und an sie heranzukommen hoffnungslos.

In Anbetracht der heutigen Lage würde ich indes sagen, daß es nicht reichen wird, wenn die Weisen sich ratspendend um die schon Armen kümmern, nein, die Elite ist noch anders anzusetzen, damit das Bild der am Berg kondensierenden Feuchtigkeit, welche zurück in den See strömt, erfüllt wird.

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