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24. November 2013

Sexuelle Blockaden

Ich hätte den Beitrag auch seelische Blockaden nennen können, aber vor die Wahl gestellt, einen möglicherweise irreführenden oder einen zu allgemeinen Titel zu wählen, habe ich mich für ersteres entschieden.

Es geht hier also nicht um zeitweilig die Vollziehung des sexuellen Aktes hemmende Umstände, sondern um eine grundlegende Störung des eigenen Wesens dergestalt, daß die Realisation der eigenen Neigung unmöglich wird, genauer gesagt entweder die Aufnahme (im Falle einer Frau) oder die Gestaltung (im Falle eines Mannes) des den eigenen Willen bestimmenden Seelenteils blockiert ist.

Kennzeichnend für diesen Zustand ist die Ausweisung von Bereichen, auf welche sich der Betroffene bei der Verfolgung seines Willens beschränkt. Diese Bereiche sind stets so gewählt, daß er stets außerhalb ihrer bleibt, sich also quasi nur im Spiel seinen eigenen Willen erlaubt, während er, in Angelegenheiten, welche sein Leben betreffen, sich selbst verleugnet und quält, indem er sich einem anderen Seelenteil überläßt.

Konkret ist Sex also durchaus möglich, aber nur im Rahmen der Selbsterniedrigung.

Dieser Zustand ist jenem, welchen ich im Beitrag Touristen beschrieben habe, offensichtlich nahe verwandt, nur bleibt die Welt hier nicht nur fremd und unergründlich, sondern auch verschlossen, wohin man sich auch wendete, stets stieße sie einen wieder in die Erkenntnis zurück, aus welcher heraus man in sie aufbrach, nie beschenkte einen ihre Erfahrung mit etwas, in welchem man Wurzeln schlagen und wachsen könnte.

Dergleichen kann äußere Gründe haben, wenn einem das eigene Wesen etwa verboten und aberzogen werden soll. Allerdings löst sich der innere Mißstand dann mit dem äußeren zugleich auf.

Häufiger wird man also finden, daß ein innerer Grund dem Betroffenen die Welt verleidet. Nun, gegenwärtig ein innerer. Einmal war auch er ein äußerer, denn anders als durch eine Verletzung kann sich dergleichen nie zutragen.

Aber was für ein Trauma ist das, welches den Willen des Betroffenen aus seinem natürlichen Seelenteil verbannt? Welches ihm verdeutlicht: So nicht! ?

Ein Fehler, gleich wie schlimm er auch sein mag, kann dergleichen nicht bewirken, denn indem man versucht, ihn zu berichtigen, legt man sich auf denselben Trieb, welcher einen in ihn führte und nun erschrocken von ihm flieht.

Und Abscheu? Wenn ein anderer aus dem eigenen Trieb heraus einen Fehler begeht?

Nein, für die Seele ist es ganz unerheblich, wer ihre Fehler begeht. Wenn es auch ein anderer war, dann will man sozusagen an seiner Statt den Fehler korrigieren. Daher stammt das Verständnis für die Täter.

Aber nicht jedem Täter bringt man Verständnis entgegen, sondern nur jenen, welche aus demselben Seelenteil heraus gehandelt haben, wie man selbst. Ist es ein anderer Seelenteil, so bleibt einem die Tat bestenfalls fremd, schlimmstenfalls aber Ausdruck eines verachtenswerten Prinzips, welches mit aller Härte bestraft werden muß, um es in seine Schranken zu weisen. Der Einzelne zählt dann nichts mehr, die Kraft, welche ihn treibt, selbst soll getroffen werden.

Nichts, was einem Seelenteil entspricht, kann ihn also gegen sich wenden, und damit muß das Trauma aus der Begegnung mit einem anderen Seelenteil herrühren.

Nur was für eine Begegnung? Was geschieht da?

Die Welt wird verschlossen, weil man nicht mehr in sich selbst weilt - soweit ist es klar. Aber warum weilt man nicht mehr in sich selbst? Darin muß sich doch ein metaphysischer Mechanismus ausdrücken.

Nun, schauen wir vielleicht, bevor wir dem auf den Grund zu gehen versuchen, noch einmal genauer hin.

Ist es ein beliebiger Seelenteil, in welchen man flüchtet? In welchem man sich, mit dem Wunsch zu sterben im Herzen, durch das Leben quält?

Im Falle des äußeren Grundes dieses Zustands ist er das nicht, sondern eben gerade jener, welcher einem aufgezwungen wird. Und im anderen Falle?

Auch wenn ich Erfahrung mit diesem Gegenstand habe, so beschränkt sich diese doch darauf zu konstatieren, daß die Flucht jedenfalls konsistent ist, und nicht einmal in diesen Seelenteil und ein andermal in jenen. Außerdem kann ich diesbezüglich noch anmerken, daß der nicht frequentierte Seelenteil unverstanden schien, so daß es unwahrscheinlich scheint, daß ihm überhaupt einmal näher begegnet wurde.

Die Sicherheit dieser Einschätzung der Verhältnisse genügt mir. Ich nehme also im folgenden an, daß die Flucht gerade in den Seelenteil erfolgt, dessen Begegnung das Trauma auslöste.

Nun, an dieser Stelle bin ich geneigt, die Fälle nicht weiter getrennt zu betrachten, sondern ein und dasselbe metaphysische Prinzip am Werk zu sehen. Der äußere Druck führt zur mißliebigen Anpassung. Wozu? Nun, einmal aus Gründen der Tarnung und des damit einhergehenden Schutzes. Aber das gilt für den zweiten Fall sicher nicht. Indes, betrachten wir es einmal allgemeiner, auf die Prinzipien sehend, nicht auf die Individuen.

Das Prinzip verliert ein Individuum. Warum läßt es sich das gefallen? Es könnte ja auch anders, aber es gibt nach, es weicht zurück. Es läßt einen seiner Diener die Äußerungen eines anderen Prinzips ausführen, in allen wesentlichen Dingen, bringt sich nur in einem umhegten Bereich im Spiel in Erinnerung.

Wenn man es so ansieht, ist es, denke ich, unmittelbar einleuchtend, warum das Prinzip das macht.

Höre! Ich habe einen Auftrag für dich. Du bist verdammt dazu, in ihrer Mitte zu leben, denn du besitzt nicht die Kraft, mich zu verherrlichen. Lerne ihre Eigenarten, spiele ihre Spiele, iß ihr abscheulich Brot, bis du einen Weg gefunden hast, sie zu überwinden und frei für mich zu werden.

Der Unterschied zwischen den beiden Fällen besteht einzig darin, daß dem äußeren Grund etwas zufälliges, den Umständen geschuldetes anhaftet, so daß die geschickte Wahl des weiteren Lebensweges das Problem zu lösen vermöchte, während ein Trauma nach der grundsätzlichen Veränderung der Verhältnisse verlangt.

Nun, christlich ist es zu vergeben, aber es gibt einen  Unterschied zwischen dem, was die Amerikaner need for closure nennen, also dem Wunsch nach Befriedigung, und dem Wunsch nach Befriedung. Die Befriedigung betrifft Anliegen des Individuums, über welche es also auch verhandeln kann, die Befriedung hingegen betrifft göttliche Anliegen, welchen das Individuum Folge leisten muß.

Wer also innerlich ins Exil verstoßen wurde, der muß seinen Weg herauskämpfen, und von dieser Pflicht entbindet ihn nichts.

Es ist nur ein extremer Fall eines allgemeinen Prinzips, jeder Mensch ist durch seine Idealvorstellungen gebunden, niemand kann sie verhandeln.

Ich selbst habe in dieser Angelegenheit nur den Dienst eines anderen übernommen, soweit es die Analyse des Problems betrifft. Ich habe es getan, weil ich nichts Schönes krank sehen mag. Die Zeit hat indessen die Dringlichkeit der Jugend hinweggespült, aber das Erleben ändert sich nur, wenn sich die Verhältnisse ändern: Mehr als die immergleichen Versuche unserer Prinzipien sind wir nicht.

Es sei denn, so jemand wie ich verfolgt gar keines, sondern ist nur Sonde. Doch... das ist natürlich widersprüchlich, paßt nicht in meine Systematik und... ich habe diesen Eindruck auch schon entsprechend dieser Systematik eingeordnet. Es ist nur so, daß dieser Eindruck für alle Welt, und auch für mich, das Antlitz der Wahrheit bleiben wird, das, was sich einzig sehen läßt.

Danach ist es also so, daß ich so wenig eigenen Willen besitze, daß ich auf meinem Lebensweg dankbar den Schmerz eines anderen zu meinem machte, um ihn zu heilen. Nun... da fehlt etwas. Das ist nur die erste Hälfte. Ich kann es auch spüren.

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