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9. Januar 2014

Betrachtungen zum Altsächsischen

Ich werde in diesem Beitrag damit beginnen, den Wortschatz des Heliands durchzugehen und dabei festzuhalten, was mir interessant erscheint.

Die Vorsilbe gi-.

Die Vorsilbe gi- hat eine allgemein assoziative Bedeutung, wie im Deutschen etwa in den Begriffen gebettet und gestrandet. Die weitere Gliederung der Assoziation, welche im Deutschen durch die Vorsilben be- und ver- stattgefunden hat, etwa in bewässern und verwässern, gibt es im Altsächsischen nicht. Die Unart, das Perfekt mit der Vorsilbe ge- zu bilden, natürlich auch nicht, Gefahr, schön und gut, gefahren, wozu das?

Ein paar Beispiel der altsächsischen Verwendung der Vorsilbe gi- aus dem Glossar des Heliands.
  • gi-ahtoon (ge-achten): erwägen, schätzen, nachrechnen - mit Obacht behandeln
  • gi-benkio (ge-bänkler): Bankgenosse
  • gi-beddio (ge-bettler): Bettgenosse
  • gi-baari (ge-bare): Gebahren - das Offengelegte
  • gi-beran (ge-bear engl.): gebähren (sehr frei gebildet, wahrscheinlich hat die Ableitung gerade deswegen die Wurzel im Deutschen überlebt)
  • gi-bergan (ge-bergen): bergen (korrekter als im hier etwas schlampigen Deutschen)
  • gi-baada (ge-bad): Trost, Beruhigung
Vokalverdoppelung statt Akzent, bh, dh für den labialen und den dentalen Frikativ.

Das ber-Wortnest.

Dazu gehören die Ableitungen von beran, berg, berht und beri (und damit insbesondere auch barm: Schoß).

Beran ist, wie schon gesagt, gleichbedeutend mit engl. to bear, die Assoziation mit Berg weist entweder auf Höhlen oder auf Bergbau hin, die zu beri (Beere) auf elementare botanische Kenntnisse und die zu berht (strahlend)?

Eine Ahnung der Abläufe in der Sonne, der Kernfusion unter enormem Gravitationsdruck? Oder ist sie der Faszination mit transparenten Materialien geschuldet, welche Edelsteinen innere Feuer zuschreibt? Wahrscheinlich doch letzteres, ursprünglich wohl soviel wie Zauber bergend bedeutend.

Das Wort Pracht, welches sich daraus entwickelt hat, ist ein schönes Beispiel für einen abgestorbenen Begriff.

Das ba/el-Wortnest.

Eine Kleinigkeit, aber doch beachtenswert. Bald bedeutet kühn (engl. bold), und davon ist beldian abgeleitet, dessen Übersetzung als stärken, kräftigen angeben ist, dessen ungeachtet aber wohl kühn machen bedeutet (engl. embolden), was psychologisch durchaus einen Unterschied macht: Kühn machen ist sozusagen der letzte Schliff, stärken, kräftigen eher die Grundsteinlegung.

Man bedenke in dem Zusammenhang auch die Bedeutung von belgan, also zürnen. Mag sein, daß die ursprüngliche Bedeutung der Wurzel ausgerechnet in bellen überlebt hat, abgeschwächt vielleicht in balgen. Die Verwandtschaft zu lat. bellum ist ebenfalls naheliegend.

Das ba(a)d(h)-Wortnest.

Dies ist nun zugleich hochinteressant als auch leider zu fragmentarisch erhalten, um (halbwegs) sichere Schlüsse zu ziehen. Zu ihm gehören die Wõrter under-badoon, badh und gi-baada. Badh hat sozusagen überlebt, aber ist es wirklich die Wurzel? Under-badoon bedeutet entsetzen, erschrecken, und sicher, wenn man im Bad untergetaucht wird, kann das schon zu Entsetzen führen, aber diese Bildung wäre... nun ja, wie soll ich mich ausdrücken?

Man, hast die mich untergebadet! Schleich dich nicht immer so von hinten an!

Die andere Bildung, jene von gi-baada (Trost, Beruhigung), wäre hingegen recht natürlich, denn wenn einer Gebad sagte, was sollte er schon anderes als Trost oder Beruhigung meinen? Ein Bad für seine Seele...

Oder hieß bad schlicht Seelenruhe? Daraus dann badh und unterruhen für entsetzen, der Idee folgend, daß Ruhe ein hoher Seelenzustand sei, und Geruhe für Trost, Beruhigung?

Möglicherweise hat auch bed (Bett) hier seinen Ursprung.

Das a(a)ru-Wortnest.

Bestehend aus aru, aarundi und aarundian, wobei aarundi als errand (engl.) fortlebt. Aru bedeutet dabei fertig, bereit, aarundian soviel wie verrichten, bereitstellen und aarundi bezeichnet die Angelegenheit der Bereitstellung, das Geschäft, den Auftrag.

Schaffen, Geschäft, werken, Werk... oder eben auch fertig, fertigen, bereit, bereiten, wobei die volle Kette nicht zu Stande kommt, es bleibt jeweils bei zwei Gliedern. In sofern also bemerkenswert, daß diese Kette im Altsächsischen dreigliedrig war, und ebenso bemerkenswert, daß ihre Wurzel in der Verwendbarkeit des Produktes lag und sie mithin der Sicht des Auftraggebers entsprungen ist.

Die Vermutung liegt nahe, daß die alten Sachsen es nicht so mit risk capital hatten, und nur Auftragsarbeiten verrichteten, welche zum Zweck der gesellschaftlichen Klarstellung durch das Konzept des errand's fixiert wurden, und vielleicht auch Gegenstand von Tauschgeschäften waren, wobei die Wurzel aru die vertragliche Bedingung enthielt, nicht daß jemand meinte, er hätte bereits soviel gearbeitet und nun sei dieses Unglück passiert und so weiter.

Das amb-Wortnest.
  • ambusan: Gebot
  • ambahtman: Diener
  • ambahtskepi: Dienst
Wiederum eine dreigliedrige Kette hier, sogar viergliedrig, wenn man busan (Vorschrift) noch mitzählt, wobei ein Gebot als Anvorschrift im Sinne einer Vorschrift für jemanden zu verstehen wäre.

Ich vermute, daß die letzten beiden Begriffe aus der Verkürzung von ambusanaht entstanden sind (Gib Acht!)

Es liegt ferner nahe zu vermuten, daß die Auferlegung von Vorschriften ein allgemein akzeptiertes Grundprinzip der alten Sachsen war, da sie andernfalls nicht so unverblümt zur Sprache gebracht worden wäre. Bedenkt man dabei allerdings die Bedeutung des englischen Begriffs ombudsman, so scheint diese Akzeptanz das Kind eines republikanischen Geistes gewesen zu sein, wie ja überhaupt die Unterdrückung die Dinge mehr zu beschönigen pflegt als die Freiheit.

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