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10. Oktober 2014

Die vier menschlichen Geister im Alltag

Ich möchte mich nach neuerlicher Beschäftigung mit dem Thema noch einmal aktualisierend zu ihm äußern, zur bisherigen Aufbereitung siehe Die vier menschlichen Geister auf der Straße.

Jeder Geist hat einen Wesenskern, welcher seine ureigenste Tugend ausmacht, und zugleich seine spezifische Weise, von dieser Tugend Urlaub zu nehmen.

Das gilt für Männer und Frauen, vererben tut sich dieser Wesenskern aber nur vom Vater her. Indes bilden die Wesenskerne von Mann und Frau in einer Beziehung Synthesen, welche ihren Alltag wesentlich gestalten.

Betrachten wir zunächst wieder Wesenskern samt Gegenpol.
  • Erregte sind angespannt durchsetzungsfähig und entspannt freigebig.
  • Leistungserwartende sind angespannt aufmerksam und entspannt ignorant.
  • Umgangserwartende sind angespannt zuversichtlich und entspannt mürrisch.
  • Gestimmte sind angespannt unerbittlich und entspannt albern.
An dieser Stelle möchte ich nur die drei Verbindungen eines gestimmten mit einem anderen Geist betrachten, weil mir nur diese alltäglich nachvollziehbar sind. Auch ist zu bedenken, daß es sich bei der tibeto-japanischen Kultur um einen dritten Typus Erwartender handelt.

Jede dieser Verbindungen bringt einen objektiven Nutzen mit sich, subjektiv stellen sie sich hingegen durchaus unterschiedlich dar.

Erregt-gestimmt. Diese Verbindung hat subjektiv gesehen einen auslöschenden Charakter. So wendet sich die Unerbittlichkeit gegen die Exzesse der Durchsetzungsfähigkeit und die Durchsetzungsfähigkeit gegen die Exzesse der Unerbittlichkeit. Albernheit und Freigebigkeit mögen ein paar schöne Stunden mit einander verbringen, aber beide müssen die Anspannung des andern fürchten und stellen ihm aus Trotz umgekehrt auch gerne mal ein Bein.

Der Einzelne nimmt diese Verbindung also als Beschränkung wahr, für welche er durch Stabilität und ein paar Nettigkeiten entlohnt wird. Es ist wahrlich nichts, was mich verlocken könnte.

Leistungserwartend-gestimmt. Diese Verbindung ist subjektiv gesehen eine Erweiterung, Unerbittlichkeit und Aufmerksamkeit werden jeweils um einander erweitert, was hingegen die Last der Anspannung erhöht. Dies ist von praktischem Nutzen, wird aber durch eine gehetzte Grundstimmung bezahlt. Hinzu kommt, daß die Unerbittlichkeit die Ignoranz nicht ausstehen kann und die Aufmerksamkeit die Albernheit nicht, so daß die beiden Anspannungen auf die Einschränkung der anderen Entspannung hinwirken, etwas, was in der vorigen Verbindung so nicht vorlag. Die gegenseitige Entspanntheit ist hingegen auch hier angenehm.

Für den Einzelnen bedeutet diese Verbindung eine persönliche Erhöhung, damit zugleich aber auch eine existentielle Isolation: Je mehr man die Welt trägt, desto weniger trägt sie einen. Ich fürchte das Feuer nicht, zweifellos verlangt ein Teil von mir nach ihm, aber ihm fortwährend ausgesetzt sein möchte ich nicht. Diese Dinge einzusehen, ist nicht einfach, die Stürme, welche die Menschen im Innern bewegen, bleiben meistens gut verborgen.

Umgangserwartend-gestimmt. Diese Verbindung ist subjektiv gesehen eine Ergänzung, die Unerbittlichkeit stützt die Zuversicht und die Zuversicht die Unerbittlichkeit. Hier ist es also so, daß die gegenseitige Anspannung angenehm ist, und wie bei der vorigen Verbindung wirken die beiden Anspannungen darauf hin, die andere Entspannung einzuschränken. Gegenseitige Entspannung ist hier hingegen ausgesprochen unangenehm und hinterläßt einen bitteren Nachgeschmack.

Für den einzelnen bedeutet diese Verbindung eine Gnade, kann aber auch dazu führen, daß sie die Lebenskraft der Verbundenen vollständig durch den Versuch, das konstante Glück zu erlangen, absorbiert.

Ich denke, es macht keinen Sinn, unter Gottes Einrichtungen ein wertendes Fazit zu ziehen. Es genügt, sein Verhältnis zur Mitwelt zu kennen.

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