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10. Januar 2015

11 Jahre

Vorneweg ein ehrliches, wenn auch vages Wort: Es war nicht Winnie Puuh, welcher mich dazu gebracht, mich wieder mit diesem Thema zu beschäftigen, aber es fiel mir zu erst an Winnie Puuh auf, genauer gesagt am Vergleich des Films von 1977 und der Serie von 1988.



Das ist inzwischen passiert, aber was ist es?

Der Christopher Robin von 1977 ist ein anderer als der von 1988, so anders, daß ich gleich erschrak, als es mir auffiel. Er träumt, ist offen, unbestimmt, der von 1988 hat immer etwas vor.

Der Christopher Robin von 1977 ist nicht einfach ein anderer Typ. Der Christopher Robin von 1977 ist vom Erdboden verschwunden.

Es gibt, wenn man es daraufhin anschaut, zwei verschiedene Arten Menschen: die leicht und die schwer suggestiblen. Letztere haben einen Charakter, also eine sie bestimmende Natur, erstere eher nicht. Mich interessieren erstere per se nicht, jedoch durchaus das, was mit ihnen in den hier betrachteten 11 Jahren geschehen ist.

Ich hatte das Thema schon einmal am Wickel, aber was ich dort schrieb, ist nicht die ganze Wahrheit: Ja, es ist eine Regression, welche aus der Leere des eigenen Lebens heraus lebt, aber sie ist nicht dadurch in die Welt gekommen, daß das Leben leer war, sondern um das Leben zu leeren.

Man könnte es auch eine Art Autismus nennen: Es zählt nicht, was man gesehen hat, nur daß man hingeschaut hat.

Der suggestible Mensch von 1977 sah sich selbst als Entdecker der Welt, der von 1988 sieht sich hingegen lediglich als Entdecker seines Weges.

Am deutlichsten wird das am Umgang mit anderen Menschen. Für ersteren sind sie gleichwertig und in der selben Lage wie er selbst, und gemeinsam gemachte Erfahrungen haben für beide die selbe Funktion, wohingegen andere Menschen für letzteren von ihm geschieden sind, auf ihrem eigenen Weg, nur im Rahmen gegenseitigen, zeitweiligen Nutzens mit ihm verbunden.

Ob die Alten es wahrnehmen? Wenn ja, müßte jeder Tag die Hölle für sie sein. Also nehmen sie es wahrscheinlich nicht wahr.

Man darf hier nicht Ursache und Wirkung verwechseln. Die Sowjetunion schillerte in den 70ern, weil dies die Art des Fühlens der suggestiblen Menschen jener Zeit war. Und sie schillerte nicht mehr in den 80ern, weil es erlosch.

Gut, Carsten Bohns Lied gibt die Antwort: Es hatte sich aus ungezügelter Gemeinsamkeit heraus ein derartiges Gewicht der gemeinsamen Erfahrungen entwickelt, daß es niemand mehr tragen mochte, und alle schüttelten sich und flohen in den Autismus.

Dennoch... die Totalität... Wie kann es sein, daß wirklich jeder von Anfang an diesen Abstand von der Welt nimmt? Man kommt hierher und weiß: Das da birgt nichts, außer zu was es mich macht, wenn es durch meine Hände geht.

Ich selbst habe das die Wesentlichkeit des Wesentlichen im Leben genannt, aber natürlich war ich nie auf diesen Aspekt reduziert. Ich denke allerdings auch, daß ich ausgesprochen insuggestibel bin. Ich sehe meine Mitmenschen und denke mir meinen Teil, und am Ende gelange ich zu demselben Autismus wie die Suggestiblen.

Ein Teufelskreis?

Sicher auch, selbststablisierend, wie so vieles, aber ich renne nicht demselben nach wie die Suggestiblen, ich habe in meiner frühesten Jugend ja auch noch die andere Sorte erlebt, und an deren Seite wäre ich auch nie gerannt.

Aber so leicht sie auch hinterherrennen, die Suggestiblen, sie reagieren eben auf den einen Reiz und auf den anderen nicht. Und da sie nicht groß selbst was denken, wie kommen sie zu diesem Entschluß?

Sind sie wie eine Herde, welche eine Weide sucht?

Es muß ja so ähnlich sein, sie schwimmen mit dem Strom, und der Strom fließt entlang des Pfades, auf welchem er die meiste Energie aufnimmt.

Wenn es denn so ist, so heißt es nicht mehr und nicht weniger, als daß das Volk gegen 1980 die Idee der eigenen Souveränität verworfen hat, es hat die gemeinsame Sache aufgegeben. In gewisser Weise verständlich, denn eine Clique ist weit von einer Schule entfernt und kann entsprechend schlecht Sachen gemeinsam verfolgen, es fehlt der Respekt vor der Einsicht und das Machbare besitzt zu hohes Ansehen, die gottlose Menschheit wird sich nie brüderlich zu sich selbst verhalten, sondern zwischen Kumpelhaftigkeit und Mißtrauen schwanken, ersteres bringt nicht weiter und letzteres führt zur Aufgabe der eigenen Freiheit.

Wenn ich Kader sehe, wie sie die Parteilinie stalinistisch durchboxen, weiß ich, daß ihre eigene, in der Reflexion ihrer eigenen sozialen Wirkung begründete Zuversicht völlig wertlos ist, und eine grimmige Schadenfreude blitzt auf. Aber eigentlich ist das nicht das richtige Gefühl. Vielleicht kommen sie langsam auch an einen Punkt, an welchem sie zu hören bereit sind.

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