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22. April 2015

Raising Arizona (1987)

An und für sich ein exzellenter Film, gutes Auge für die lokalen Besonderheiten, das Flair, die Manierismen, Lebensphilosophien und praktischen Einrichtungen, kurzweilig geschnitten, ausgeglichene Balance zwischen heiteren und ernsten Tönen, etwas zu anspruchslos vielleicht in der Parodie der Gut, daß wir einmal darüber gesprochen haben!-Haltung, aber insgesamt weit von dummem Humor entfernt.

Und doch... kein Film, welchen man ins Herz schließen kann.

Der Grund dafür ist, daß der Film ernsthaft zynisch ist. Was Wagner ständig angedichtet wird, eine grundsätzliche Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen, steht hier wahrhaftig im Zentrum: Hi und Ed geben der Versuchung nach, ihr Leben außerhalb der Legalität zu gründen. So unterschiedlich sie sind, sie wollen etwas vom Leben, und die Legalität gibt es nicht her.

Und nun singen Ethan und Joel Coen Kafka in der Verwandlung gleich das herzerweichende Lied des Lebensrechts der Gesetzlosen: Kasse auf, ich habe schließlich Träume, und arbeiten mag ich nicht.

Während es Kafka in der Verwandlung aber sardonisch meint, einem Abstreifen eines Tagtraumes gleich, stellen sich die Coen Brüder wenigstens dem Anschein nach tatsächlich auf den Standpunkt, daß das Nichtaufgehen innerhalb der Legalität zwar unerfreulich für die Anderen, nichtsdestotrotz aber ein zu respektierender Teil menschlicher Normalität ist, weshalb sie den Film auch über weite Strecken mit Beethovens Ode an die Freude unterlegt haben.

Zum ersten Mal stößt einem dieser Gedanke übel auf, als sich Gale und Evelle bei den McDunnoughs häuslich einrichten: Sie verhalten sich durchaus nicht übler als ihre sonstigen Bekannten, doch zugleich strömen sie aus jeder Pore unter ihren gegelten Haaren aus, daß sie nichts Gutes im Sinn haben.
Alle Menschen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel weilt.
Besser ein Auge zudrücken! wäre die menschliche Antwort darauf, doch den Coens geht es nicht darum zu versöhnen, sondern darum zu verstören.

Dennoch, oder gerade deswegen, weil es ihnen hier tatsächlich gelingt, ist Raising Arizona kein sonderlicher Publikumserfolg beschieden gewesen, im Gegensatz zu ihren späteren drastischeren Werken, welche mit geradezu unerschöpflichen Strömen zustimmender arrogant misanthropischer Kommentare übergossen werden; auch von der deutschen Presse.

Die Frage dürfte erlaubt sein, was mich im Alter von 13 Jahren an diesem Film faszinierte. Der Einzige war ich nicht, beim Bund machte sich unser Gruppenführer einen Spaß daraus, sich bei einem kleinen Spiel MAMA DIDN'T LOVE ME mit Kreide auf die Jacke zu schreiben, bevor er eine Axt schwingend aus dem Gebüsch sprang, was mir ein Hey! Arizona Junior! entlockte, aber viele Freunde hatte der Film wie gesagt nicht.

Ich empfand den Film damals auch als sehr karg, aber er hatte eine gewisse Präzision, welche mir zusagte, dennoch, übermäßig komisch ist er ja nicht, und ich bin weder ein Fan der Coens' noch von Nicolas Cage, also was ist es?

Ich vermute, es ist der Ton, kein Akkord, ein einzelner verärgerter Ton, die Art Enttäuschung, welche die Rede kurz und bündig macht. Revidierend bin ich mir indes gar nicht sicher, daß der Film so gemeint ist. Freilich bevölkern viele solche Typen den Film und die Absicht des Films ist es zu verstören, aber das macht die Coens nicht notwendigerweise selbst enttäuscht. Andererseits sind alle Filme der Coens irgendwie eng und das spricht für ein enges Herz der Filmschaffenden. Dennoch, auch davon gibt es wohl verschiedene Varianten, und die Lennon'sche Besserwisserei, beispielsweise, ist etwas anderes. Wahrscheinlich ist es bei den Coens aber ein Bedürfnis etwas zu sehen, was es auf Erden nicht zu sehen gibt, auch wenn es dabei nicht um wie auch immer geartete Menschen geht. Ich möchte fast sagen, es geht ihnen um Gerechtigkeit als solche, ein stimmiges Begriffsgebäude. Das jedenfalls erklärte ihre seltsame Stellung zwischen Verschmähtheit und Bejubeltheit: Gerechtigkeit als solche interessiert nur Wenige, aber Viele weiden sich an den Widersprüchen im Denken Anderer.

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