Vom stets und nie Wesentlichen
Ich weiß nicht recht, wie ich dieses Thema anfassen soll. Alles scheint so albern. Jedenfalls für den Augenblick.
Aber mir ist heute etwas klar geworden, von dessen Gewichtigkeit ich überzeugt bin, nämlich daß, was ich Unnatürlichkeit oder Betörtheit nenne, eine Hingabe an Klischees, ein Übernehmen feilgebotener Träume, eine ferngesteuerte Erwartungshaltung, keine neue Geschichte ist, sondern lediglich ein neues Kapitel einer alten.
Ich dachte, der Grund dieses Phänomens wäre durch die Massenmedien und im besonderen den Film gegeben, und daß es sich bei ihm um eine Art Trunkenheit handelte, aber so verhält es sich nicht.
Es gibt Menschen, welche glauben, daß alles wesentlich sei. Sie werden auch leicht suggestibel genannt.
Weder neigen sie zu Schwermut, noch zu Albernheit oder Fröhlichkeit, denn das bezieht sich alles auf das Fehlen des Wesentlichen: Sei es, daß es vermißt wird, daß es verdrängt wird oder daß man sich von ihm erholt. Der Unterschied zwischen letzteren beiden besteht darin, daß Erholung voraussetzt, daß man mit dem bisher Erreichten zu Frieden ist.
Aber diesen ist das alles gleich. Sie wähnen sich ja stets auf einer wesentlichen Bahn, und da gibt es für all das keinen Platz, da gibt es nur Interesse, Möglichkeiten und Träume.
Und es gibt sie eben schon länger. Bevor Hollywood und Werbung sich ihrer annahmen, tat es die Kirche.
Es sind ja die blind Vertrauenden. Auch heute noch hält sie einige Wenige in ihren Händen, und das hat mir auch die Vorlage zur besagten Einsicht gegeben. Zwischenzeitlich waren sie noch für nationale Erzählungen erreichbar, aber das dürfte sich gegeben haben. Wer heute nationalen Erzählungen anhängt, tut es aus Gründen der Vernunft, also des eigenen faßbaren Vorteils wegen, genauer gesagt als ein Festhalten am Bewährten. Die Zeit der hochfliegenden nationalen Träume dürfte vorbei sein.
Heute also machen diese sich bei Konsum und Arbeit zum Narren.
Aber gibt es sie überhaupt?
Kann man von ihnen als einer Gruppe Erbgeschädigter reden?
Wenn ich mich im Gemeindesaal umblicke, sehe ich Belanglosigkeit, aber keine partielle Unempfindlichkeit. Einen Wesentlichkeitsdauerorgasmus hat keiner von ihnen.
Da ist der Junge, welcher von seinen Eltern unter Druck gesetzt wird und sich tapfer schlägt, der Junge, welcher schon mit sechs Jahren die Freundlich- und Gewissenhaftigkeit von dreißig hat und das Mädchen, welches lächelt, als wäre sie die chinesische Handelsvertretung.
Ja, wo sind sie bloß, die Leichtgläubigen?
Häßlich sind manche, leichtgläubig nicht. War's zu Hause, als ich noch ein Kind war, anders?
Ein Mädchen gab's, Verena F., mein bevorzugter Helfer beim Galgenraten. Hörte nicht hin, was die anderen sagten, nahm schön alle Buchstaben selber durch. Sehr zum Verdruß des Rests der Klasse.
Letztlich aber auch dort eine verschwindend kleine Minderheit, und wie hätte mir im Gemeindesaal nun auch wirklich jeder auffallen sollen?
Aber wie steht es also mit der Relevanz der Wesentlichkeitsdurchdrungenen? Die katholische Kirche hat viel von dem, was sie sagt, auf ihre Ohren zugeschnitten, Hollywood und Werbung machen es nicht anders, von vormaliger nationaler Propaganda ganz zu schweigen. Das würden sie doch nicht alle machen, wenn wir hier von maximal 5% der Bevölkerung redeten?
Freilich, Schleswig-Holstein und Estland sind nicht gerade die katholischsten Gegenden. Aber Negativselektion kann die Sache alleine nicht erklären. Nein, es muß eine dynamische Komponente geben, etwas, das die Anlage wachruft oder eine entgegenstehende Anlage ausschaltet.
Im Film heißt es suspension of disbelief. Da fliegt dann in Ghostbusters ein grüner Schleimklops durch die Luft, damit man später keinen Anstoß daran nimmt, wenn Mr. Stay Puft auf eine Kirche tritt.
Blöde Theorie? Sie hätten die grünen Schleimklops eher durch Mr. Stay Puft vorbereitet? Nun, das ist hier nicht das Thema. Oder doch? Überlegen wir mal. Eigentlich ist doch Mr. Stay Puft wahrscheinlicher. Existieren tun beide nicht, aber der grüne Schleimklops widersetzt sich der Schwerkraft und Mr. Stay Puft nicht. Und doch... die umgekehrte Einführung funktioniert offensichtlich nicht. Aber warum... warum? Weil es nicht um Existenz geht, sondern um Besiegbarkeit.
Und so ist es auch im richtigen Leben. Die Zauberformel lautet Erfolg. Wenn irgendein Unsinn von Erfolg begleitet wird, interessieren sich plötzlich auch skeptischere Geister für ihn und beginnen, an weitere Erfolge zu glauben. (Vergleiche hierzu auch meinen Kommentar zum trojanischen Pferd.)
Deshalb setzen die Besitzer von Gütern auf Geschichten, welche die von ihnen gewünschte Handhabe dieser Güter implizieren, selbst wenn diese Geschichten in den Augen der meisten blöd sind; sie können ja schließlich als Besitzer dieser Güter Glauben an ihre Geschichten im erforderlichen Maße honorieren: If there's a steady paycheqe in it, I'll believe anything you say.
Die eigentliche Gefahr, sich über das Wesentliche zu täuschen, besteht in der eigenen Käuflichkeit, oder, falls einer nicht käuflich sein sollte, in seinem Neid, denn wen er bestimmt, dem ist er wesentlich. Die Wesentlichkeit wird also von konstruktiven oder destruktiven Abwegen, welche sie auf sich ziehen, verdeckt. Die Wenigsten werden mit einem Wesentlichkeitsdauerorgasmus geboren, aber allzu viele entwickeln ihn durch die Verschleuderung ihres Herzens an die Richtlinien derer, welche mächtig genug sind, sie aufzustellen.
Wahrlich, Gott ist bei uns, wenn wir ihn nur lassen. Es ist nicht immer leicht, gerade als Kind nicht, so lange wir noch in der Pflicht stehen, zur vorigen Generation aufzuschließen, da ermahnt er uns nur an sie, aber schließlich weist und ebnet er uns den Weg, wenn wir ihn nur lassen.
Aber mir ist heute etwas klar geworden, von dessen Gewichtigkeit ich überzeugt bin, nämlich daß, was ich Unnatürlichkeit oder Betörtheit nenne, eine Hingabe an Klischees, ein Übernehmen feilgebotener Träume, eine ferngesteuerte Erwartungshaltung, keine neue Geschichte ist, sondern lediglich ein neues Kapitel einer alten.
Ich dachte, der Grund dieses Phänomens wäre durch die Massenmedien und im besonderen den Film gegeben, und daß es sich bei ihm um eine Art Trunkenheit handelte, aber so verhält es sich nicht.
Es gibt Menschen, welche glauben, daß alles wesentlich sei. Sie werden auch leicht suggestibel genannt.
Weder neigen sie zu Schwermut, noch zu Albernheit oder Fröhlichkeit, denn das bezieht sich alles auf das Fehlen des Wesentlichen: Sei es, daß es vermißt wird, daß es verdrängt wird oder daß man sich von ihm erholt. Der Unterschied zwischen letzteren beiden besteht darin, daß Erholung voraussetzt, daß man mit dem bisher Erreichten zu Frieden ist.
Aber diesen ist das alles gleich. Sie wähnen sich ja stets auf einer wesentlichen Bahn, und da gibt es für all das keinen Platz, da gibt es nur Interesse, Möglichkeiten und Träume.
Und es gibt sie eben schon länger. Bevor Hollywood und Werbung sich ihrer annahmen, tat es die Kirche.
Es sind ja die blind Vertrauenden. Auch heute noch hält sie einige Wenige in ihren Händen, und das hat mir auch die Vorlage zur besagten Einsicht gegeben. Zwischenzeitlich waren sie noch für nationale Erzählungen erreichbar, aber das dürfte sich gegeben haben. Wer heute nationalen Erzählungen anhängt, tut es aus Gründen der Vernunft, also des eigenen faßbaren Vorteils wegen, genauer gesagt als ein Festhalten am Bewährten. Die Zeit der hochfliegenden nationalen Träume dürfte vorbei sein.
Heute also machen diese sich bei Konsum und Arbeit zum Narren.
Aber gibt es sie überhaupt?
Kann man von ihnen als einer Gruppe Erbgeschädigter reden?
Wenn ich mich im Gemeindesaal umblicke, sehe ich Belanglosigkeit, aber keine partielle Unempfindlichkeit. Einen Wesentlichkeitsdauerorgasmus hat keiner von ihnen.
Da ist der Junge, welcher von seinen Eltern unter Druck gesetzt wird und sich tapfer schlägt, der Junge, welcher schon mit sechs Jahren die Freundlich- und Gewissenhaftigkeit von dreißig hat und das Mädchen, welches lächelt, als wäre sie die chinesische Handelsvertretung.
Ja, wo sind sie bloß, die Leichtgläubigen?
Häßlich sind manche, leichtgläubig nicht. War's zu Hause, als ich noch ein Kind war, anders?
Ein Mädchen gab's, Verena F., mein bevorzugter Helfer beim Galgenraten. Hörte nicht hin, was die anderen sagten, nahm schön alle Buchstaben selber durch. Sehr zum Verdruß des Rests der Klasse.
Letztlich aber auch dort eine verschwindend kleine Minderheit, und wie hätte mir im Gemeindesaal nun auch wirklich jeder auffallen sollen?
Aber wie steht es also mit der Relevanz der Wesentlichkeitsdurchdrungenen? Die katholische Kirche hat viel von dem, was sie sagt, auf ihre Ohren zugeschnitten, Hollywood und Werbung machen es nicht anders, von vormaliger nationaler Propaganda ganz zu schweigen. Das würden sie doch nicht alle machen, wenn wir hier von maximal 5% der Bevölkerung redeten?
Freilich, Schleswig-Holstein und Estland sind nicht gerade die katholischsten Gegenden. Aber Negativselektion kann die Sache alleine nicht erklären. Nein, es muß eine dynamische Komponente geben, etwas, das die Anlage wachruft oder eine entgegenstehende Anlage ausschaltet.
Im Film heißt es suspension of disbelief. Da fliegt dann in Ghostbusters ein grüner Schleimklops durch die Luft, damit man später keinen Anstoß daran nimmt, wenn Mr. Stay Puft auf eine Kirche tritt.
Blöde Theorie? Sie hätten die grünen Schleimklops eher durch Mr. Stay Puft vorbereitet? Nun, das ist hier nicht das Thema. Oder doch? Überlegen wir mal. Eigentlich ist doch Mr. Stay Puft wahrscheinlicher. Existieren tun beide nicht, aber der grüne Schleimklops widersetzt sich der Schwerkraft und Mr. Stay Puft nicht. Und doch... die umgekehrte Einführung funktioniert offensichtlich nicht. Aber warum... warum? Weil es nicht um Existenz geht, sondern um Besiegbarkeit.
Und so ist es auch im richtigen Leben. Die Zauberformel lautet Erfolg. Wenn irgendein Unsinn von Erfolg begleitet wird, interessieren sich plötzlich auch skeptischere Geister für ihn und beginnen, an weitere Erfolge zu glauben. (Vergleiche hierzu auch meinen Kommentar zum trojanischen Pferd.)
Deshalb setzen die Besitzer von Gütern auf Geschichten, welche die von ihnen gewünschte Handhabe dieser Güter implizieren, selbst wenn diese Geschichten in den Augen der meisten blöd sind; sie können ja schließlich als Besitzer dieser Güter Glauben an ihre Geschichten im erforderlichen Maße honorieren: If there's a steady paycheqe in it, I'll believe anything you say.
Die eigentliche Gefahr, sich über das Wesentliche zu täuschen, besteht in der eigenen Käuflichkeit, oder, falls einer nicht käuflich sein sollte, in seinem Neid, denn wen er bestimmt, dem ist er wesentlich. Die Wesentlichkeit wird also von konstruktiven oder destruktiven Abwegen, welche sie auf sich ziehen, verdeckt. Die Wenigsten werden mit einem Wesentlichkeitsdauerorgasmus geboren, aber allzu viele entwickeln ihn durch die Verschleuderung ihres Herzens an die Richtlinien derer, welche mächtig genug sind, sie aufzustellen.
Wahrlich, Gott ist bei uns, wenn wir ihn nur lassen. Es ist nicht immer leicht, gerade als Kind nicht, so lange wir noch in der Pflicht stehen, zur vorigen Generation aufzuschließen, da ermahnt er uns nur an sie, aber schließlich weist und ebnet er uns den Weg, wenn wir ihn nur lassen.
Labels: 12, charaktere, formalisierung, gesetze, institutionen, metaphysik, psychologie, wahrnehmungen, ἰδέα, φιλοσοφία