Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

13. August 2015

Chimären

Was ist eine Beschreibung?

Etwas, das etwas anderes beschreibt, also etwas an ihm festhält, was es auszeichnet. Und ausgezeichnet werden Dinge dadurch, daß sie in spezifischen kategorischen Verhältnissen zu anderen Dingen stehen oder auch nicht stehen.

Was passiert hier? Jemand behauptet folgendes.
  1. Eine Beschreibung wird dadurch ausgezeichnet, daß sie, wenn man sie auf irgendein Ding bezieht, dieses Ding entweder beschreibt oder nicht beschreibt, nämlich abhänhgig davon, ob die festgehaltene Auszeichnung dieses Ding auszeichnet oder nicht auszeichnet.
  2. Ein bestimmtes Ding nicht zu beschreiben ist also eine Beschreibung von Beschreibungen und insbesondere ist es eine Beschreibung von Beschreibungen, wenn wir sagen, daß eine Beschreibung sich selbst nicht beschreibt, also nicht selbst in den Verhältnissen steht, welche sie als Auszeichnung der von ihr beschriebenen Dinge festhält.
Bezieht man letztere Beschreibung auf sich selbst, fragt also, ob sich als Beschreibung nicht selbst zu beschreiben, sich als Beschreibung selbst beschreibt oder nicht, so stößt man, unabhängig davon, wie man diese Frage beantwortet, auf ein Paradox, genauer gesagt auf das Russell'sche Paradox.

Aber dafür gibt es einen Grund, und zwar das Fehlen desselben. Es ist nämlich so:
Nicht eher steht eine Beschreibung in dem Verhältnis des Beschreibens (Zutreffens) oder Nicht-Beschreibens (Widersprechens) zu einem Gegenstand, auf welchen man sie bezieht, bevor nicht dieser Gegenstand selbst im von der Beschreibung festgehaltenen spezifischen kategorischen Verhältnis oder in dem dessen (erwartungsbildenden*) Ausbleibens steht.
Im vorliegenden Fall kommt es also nicht dazu, weil das erstgenannte die Voraussetzung für das letztgenannte ist.

Dies ist einerseits ein sehr spezieller Fehler, aber es zeigt sich doch etwas Allgemeines an ihm.
Es mag uns in unserem Denken unterlaufen, Dingen Eigenschaften zuzuschreiben, welche sie nicht besitzen.
Ich möchte dieses Phänomen als Chimärenbildung bezeichnen.

Es gibt mehrere solcher Beispiele, Chimären volkstümlicher Verbreitung.
  • Die Vorstellung, daß Beschreibungen in existentieller Hinsicht unabhängig vom Beschriebenen seien.
  • Die Vorstellung, daß etwas anzunehmen, ein Modus der subjektiven Stellung zur Objektivität sei**, vergleichbar der, es zu erwarten (an es zu glauben), wohingegen es nichts weiter als der erste Schritt bei der Ermittlung seiner Konsequenzen ist, wie es in den Begriffen setzen, unterstellen und engl. suppose weit richtiger zum Ausdruck kommt.
  • Die Vorstellung, daß etwas Unendliches objektiv gegeben sei, wohingegen unsere Wahrnehmung immer nur Endliches erfaßt (auch wenn es impressiv geschieht).
Chimären müssen aber nicht auf Widersprüche führen, und im Falle von unendlichen Mengen entspringen sie nichts weiter als unserem Wunsch, unter gewohnten Umständen zu operieren, das heißt, wir begleiten Beschreibungen mit so genannten Mengen, welche chimärische Verallgemeinerungen von Vielheiten sind und in unserem Denken die Rolle von Wegmarkierungen spielen.

Jede Begründung der Verwendung von Mengen muß also auf die Harmlosigkeit dieses Tuns im gewählten Rahmen gerichtet sein.

* Ein spezieller Fall dieser Erwartungsbildung ist der Nachweis eines Gegenteils, also daß etwas nicht rot erscheinen wird, weil es bereits grün erscheint, oder eine Beschreibung etwas nicht beschreibt, weil ein Gegenteil der von ihr festgehaltenen Auszeichnung es auszeichnet. Diese Methode möge alternativische Versicherung heißen.

** wie es etwa Immanuel Kant vertreten hat, ausgehend natürlich von der Grammatik, das heißt dem Konjunktiv.

Labels: , , , , , , ,