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10. Februar 2016

The Book of Ptath

Leuten, welche ich schätze, höre ich gelegentlich zu, und so hat es sich begeben, daß ich eines Tages nach Texten von van Vogt im Internet Ausschau hielt. Gefunden habe ich The Book of Ptath, original mit Pepsie-Werbung That's for me for energy (Mann auf Heuschlitten, Frau mit Spaten im Gemüsegarten).

Gelesen habe ich die Geschichte aber lange nicht, erst in den letzten paar Tagen habe ich mich an die gut 100 Seiten gemacht. Der Anfang ist recht stark, van Vogt versucht recht eindrucksvoll das Säuglingsbewußtsein seines Helden (nennen wir es Siegfriedsbewußtsein) von innen heraus darzustellen. Später wird daraus dann eine ebenfalls interessante Studie in Schizophrenie aus derselben Perspektive. Freilich, ziemlich bald gelangt man selbst, van Vogt's Darstellung folgend, zu dem Schluß, daß das, was man selbst seine eigene Identität nennt, identisch mit der Berücksichtigung der eigenen Ziele ist, und indem van Vogt ziemlich bald nur noch Holroyd's Ziele in die Handlung miteinfließen läßt, tritt der Eindruck der Schizophrenie ebenso bald zurück.

Aber was waren Ptath' ursprüngliche Ziele, um kurz bei ihnen zu verweilen? Das Fremde da draußen, die Welt, in die richtige Beziehung zu sich selbst zu setzen. Holroyd hingegen geht es zunächst nur um ein Abenteuer, erst unter der Reihe von Nackenschlägen, welche er von Ineznia einstecken muß, wird ihm der Ernst der Lage und seine Verantwortung voll bewußt, so daß L'onee ihm schließlich versichern kann, daß er geworden ist, worauf Ptath einst seinen Willen richtete.

Die beiden Frauen, Ineznia und L'onee, stehen dabei für die weiblichen Extreme, den Mann vorführen zu wollen, beziehungsweise miterleben zu wollen, wie er andere vorführt. Allerdings hat van Vogt dies nicht besonders einfallsreich in die Handlung der Geschichte eingefügt. Freilich könnte man sich sagen: Sieh an, so schlau ist die Ineznia gar nicht!, aber man spürt zu deutlich, daß es van Vogt selbst ist, der nicht so schlau ist, dafür wird dieselbe Nummer, einen anderen Körper zu besetzen, zu oft wiederholt, und insbesondere stößt einem Holroyd's Unfähigkeit, sich über die Konsequenzen einer solchen Möglichkeit, von anderen Körpern Besitz zu ergreifen, klar zu werden, also nicht wissen zu können, mit wem er gerade spricht, irgendwann übel auf.

Darum, Frauen erkennen zu müssen, geht es van Vogt bei diesem Verwirrspiel nicht, er scheint es eher als Metapher für Geheimgesellschaften zu benutzen, durch welche gleichsam ebenfalls eine Stimme an den verschiedensten Stellen zu sprechen vermag, in etwa so, wie die Agenten in der Matrix von den Leuten Besitz ergreifen, dies allerdings im Rahmen der totalitären Herrschaft eines Gottkönigs, in der Geschichte der Gottkönigin Ineznia, welchem dieser Apparat dient.

Und an dieser Stelle besitzt die Geschichte auch einen klaren Zeitbezug. Der reale Gottkönig ist natürlich Adolf Hitler, van Vogt läßt sich bemerkenswerterweise nicht dazu verleiten, vom Bösen zu sprechen, sondern er stellt den Nationalsozialismus als eine Verkennung des Religiösen dar, genauer gesagt als Labung des Kollektivs an seiner kollektiven Macht, wie sie bereits unzählige Male stattfand, aber immer nur vorübergehend, da das Religiöse nicht in den Höhenflügen des Lebens steckt, sondern in seinen Bruchlandungen - ja, er definiert geradezu die Rückbindung als Absage an die gestalterische Macht und Aufnahme des Erleidens des gestalteten Lebens.

Verfolgt man die Analogie Hitler-Ineznia indes weiter, kommt man zu Punkten, welche eher nach dem Zweiten Weltkrieg ins Gewicht fallen, also zur Notwendigkeit politischer Vereinigung und überlegener Gewalt als ihrem Mittel, wiewohl diese Überlegung sicherlich auch schon während des Zweiten Weltkriegs auf verschiedenen Seiten angestellt wurde. Philip Kindred Dick hat in Alfred Elton van Vogt also tatsächlich einen Vordenker für sich gefunden.

Zum Abschluß möchte ich aber wieder zum Anfang zurückkehren, also der Frage nach der Identität menschlichen Bewußtseins, und eine Theorie zitieren, welche van Vogt ebenfalls gen Ende en passant vorstellt, denn es wäre ein Verbrechen, sie hier nicht festzuhalten.
Hypnose bedeutet, die Identität eines Menschen, im Sinne der Berücksichtigung bestimmter Ziele, umzuschreiben, und die Identität eines Menschen ist durch nicht mehr als sechs Ziele, welche er in seinem Leben berücksichtigt, bestimmt.

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