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31. Dezember 2016

Komödie oder Tragödie?



Aristoteles' verlorene Schrift über die Komödie... Schopenhauer hat die Sache natürlich schon auf den Punkt gebracht: In der Komödie lachen wir über offensichtliche Mängel und in der Tragödie weinen wir über verborgene. Die Komödie erzieht uns dazu, mit unseren Mängeln zu leben, und die Tragödie dazu, unsere Mängel abzulegen.

Das Leben ist ein beständiges Pendeln dazwischen, Probleme hinauszuschieben und sich ihnen zu stellen, das menschliche Herz ist klug genug, sich bis zu genau dem Punkt zu vertrauen, an welchem es die Voraussetzungen seiner jeweiligen Tollheiten gefährdet.

Deshalb taugt die Lust nicht zur Tragödie, es sind die höheren Ziele, welche gefahrlaufen, durch Unachtsamkeit ins Bodenlose zu stürzen, und Katharsis bedeutet noch stets, sich zu bescheiden, denn es läßt die Brust ja nicht erbeben, einen Mann an seiner Spielsucht zu Grunde gehen zu sehen - es zerknirscht sie nur - das wahrhaft Tragische tritt hervor, wenn die Umstände die Absicht in ihr Gegenteil verkehren, wenn der Protagonist  seinen Fuß auf eine Brücke setzt, welche, ohne daß er es bemerkt, zu einem andren Ende umschwenkt.

Tragisch am Ödipus ist nicht das Los des Vaters, sondern des Sohns, welcher sich anschickt, das Überkommene, ohne es anzuhören, zu beherrschen. Tragisch ist die Inkongruenz zwischen Jugend und Alter, die Spannung zwischen Erneuerung und Tradition. In ihr gilt es, das rechte Maß zu finden.

Das Schwere ist nur dadurch schwer, daß es uns auferlegt ist, die Tragödie entspringt der Verantwortung und die Komödie der Ungezwungenheit. Über Gott zu lachen heißt zu meinen, in keiner Beziehung zu einer höheren Instanz zu stehen. Es ist ein Verderben ankündigendes Symptom, selbst weder tragisch, noch komisch, auch nicht fluchwürdig, nur kraftlos: die Leere des Herzens, welche das Tragische verloren hat.

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