Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

10. Dezember 2016

Wandel und Anhang

Gesegnet sind die Halsstarrigen, denn sie verwickeln sich nicht.
Es stimmt wohl, daß derjenige, wer sich nicht beeinflussen läßt, auch andere nicht beeinflussen kann. Ich glaube sogar, daß man dies noch genauer fassen kann, indem man sagt, daß man andere nur im Rahmen der Gedanken beeinflussen kann, in deren Rahmen man selbst beeinflut wird.

Adolf Hitler ist ein interessantes Beispiel, im allgemeinen eher halsstarrig hat er sich doch sehr von Rienzi beeinflussen lassen. Die Rienziouvertüre evoziert die Freude darüber, einen Ruf vernommen zu haben, dem zu folgen einen in einen größeren Zusammenhang stellt und einen dadurch erhöht. Es ist der Dienstgedanke, in dessen Rahmen Hitler um den Preis der Verwicklung an der Entwicklung der deutschen Ethik teilgenommen hat.

Konkret wird man Hitler die standesunabhängige Verpflichtung auf die nationalen Bemühungen Deutschlands anrechnen dürfen, ein Dienstverständnis, welches vor ihm in dieser Form sicher nicht bestand. Hitler glückte, woran Rienzi scheiterte, nämlich die Bürger Roms, beziehungsweise Deutschlands, in den ersten Stand zu erheben, getragen von der Massenproduktion von Maschinengewehren, Panzern und Bombern und der allgemeinen Wehrpflicht, mit all den Folgen, welche wir seither beobachten können: allgemeines politisches Engagement und allgemeine politische Anmaßung, leichtgläubiges Vertrauen politischer Versprechungen und Geringschätzung des Althergebrachten. Größere Einsicht in ihr Wesen offenbarte die Bundesrepublik, wenn sie statt dem Meer von Steinen nur einen Obelisken in Berlin aufgestellt hätte, versehen mit der Aufschrift:
Der Pöbel, hah!
Nimm ihm Hitler, nimmer ist er mehr, was er war!
und verziert mit ärmlich gekleideten, Schlappmützen tragenden, unrasierten und sich wegduckenden alten Männern zur Linken, und Jeans und Blusen tragenden, breitbeinig dastehenden und lebhaft gestikulierenden jungen Frauen zur Rechten, eingefaßt in einen geflochtenen Blumenkranz gespickt mit den Waffen der Zeit, unter der Aufschrift gekreuzte, auf Stafetten ruhende MG 42, zur Linken Panzer, zur Rechten Stukas und als alles bündelndes Sinnbild noch unter den gekreuzten Gewehren, die Stelle, wo die beiden Blumenstränge sich treffen, verdeckend, ein Brennofen.

Doch kommen wir zum allgemeinen zurück, also der Entwicklung der Ethik, welche durch persönliche Verwicklung im Rahmen von bewegenden Gedanken statthat. Diese bewegenden Gedanken sind stets Neubewertungen des Angemessenen, welche sich auf natürliche Weise in Folge veränderter Lebensbedingungen ergeben. Und es sind diese veränderten Lebensbedingungen, welche es der Neubewertung erlauben, auch erfolgreich ausgelebt zu werden, wobei, wie im vorigen Beitrag besprochen, einzelne Menschen die neue Lebensweise vorleben und sich in natürlicher Zuwendung jenen verpflichten, welche sich ihr anschließen.

Es geht fehl bei diesen Worten nur an große Veränderungen zu denken, die Veränderung mag auch schlicht darin bestehen, daß der bisherige Bandenboß gestorben ist. Und ganz gleich wie groß die Veränderung auch sein mag, immer schließen sich Menschen den Vorstößen anderer Menschen an, nicht allen, selbstverständlich, aber irgendwelchen in jedem Falle, und indem sie sich anschließen, begründen sie stets eine ethische Unterschule, deren Schicksal ihrem Gründer natürlicherweise an die Nieren gehen muß, wenn er denn welche, sprich Verantwortungsbewußtsein, welches den Geist seiner Körperschaft zu reinigen sucht, hat.

Um so tragischer nimmt sich dies aus, desto verlorener die Unterschule ist: Es sind die Regeln der Oberschule, welche die Menschen davor bewahren, an ihren Fehlern in tausend Stücke zu zerschellen.

Gerade höre ich: Ist dies die Achtung vor der Kirche, die eurem Schutze anvertraut.

Das ist natürlich falsch. Richtig muß es heißen: Ist dies die Achtung vor der Kirche, deren Schutz ihr anvertraut?

Nun, wenn ich den Blick auf meine eigene Situation wende, in welchem Wind flattere ich? Welche Lebensbedingungen ändern sich zur Zeit?

Es ist nicht die Pflicht, deren Neudefinierung durch mich hindurchweht. Es ist die Neudefinierung des Menschen als geistiges Geschöpf in Folge gewachsener Freiheit und Ohnmacht. Der Wind wird weiterhin zunehmen, aber bevor er auch die schwereren Naturen erfaßt, wird es noch dauern, was alles zum Guten ist, denn so ordnen sich die leichteren, bevor die schwereren an ihnen zu zerren beginnen.

Es ist dieses unbeirrte Vorangehen, welches mir am Ende der Geschichte Die gelbe Totenvorreitersche (in Werner Bergengruens: Der Tod von Reval), die Tränen in die Augen trieb.
Und ich hörte eine Stimme vom Himmel wie eines großen Wassers und wie eine Stimme großen Donners: Und die Stimme, die ich hörte, war wie von Harfenspielern, die auf ihren Harfen spielen, und sie sangen ein neues Lied vor dem Thron und vor den vier Gestalten und den Ältesten; und niemand konnte das Lied lernen außer den hundertvierundvierzigtausend, die erkauft sind von der Erde. Diese sind's, die sich mit Frauen nicht befleckt haben, denn sie sind jungfräulich, und folgen dem Lamme nach, wo es hingeht. Diese sind erkauft aus den Menschen zu Erstlingen Gott und dem Lamm, und in ihrem Munde ist kein Falsch gefunden; sie sind unsträflich.
Es liegt nahe, dies als Unerreichbarkeit zu verstehen, aber in Wirklichkeit ist es schlicht Unbefangenheit. Wir erleben einen veritablen Kampf um diese Worte: Die Gegenseite versucht, eine alles erdrückende, alle brechende Moral zu schmieden: ein Gott in weiß strahlendem Tuch, dessen Stimme scheu und sanft wie ein Reh ist, und um den herum der kälteste Abgrund klafft. Wer auf meiner Seite steht, dessen Gott ist weiterhin wie ein Vater: bestimmt, aber einladend, unverständlich, aber verläßlich.

Und wie manifestiert sich das heute?

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